Heinz-Ulrich Nennen | www.nennen-online.de

ZeitGeister | Philosophische Praxis

Akademie für Philosophische Psychologie

Heinz–Ulrich Nennen

Mauern im Schlamm

Exakter Unsinn mit Metaphern

Das pas­siert, wenn man offen­bar nur Viro­lo­gie, bzw. Gesund­heits­öko­no­mie stu­diert hat. Dann fehlt die huma­ni­sti­sche Bil­dung, was zu sehen ist an der gro­tes­ken Unfä­hig­keit, mit Meta­phern über­haupt umge­hen zu kön­nen. — Dabei sind Modell­vor­stel­lun­gen gera­de in den Natur­wis­sen­schaf­ten, die ja angeb­lich nicht reden, son­dern nur rech­nen, von außer­or­dent­li­cher Bedeutung.

Bei die­sem irr­wit­zi­gen Gestam­mel über Rei­fen, Schlamm­pi­sten, Ber­ge und Mau­ern, bleibt nur Lud­wig Witt­gen­stein: “Wor­über man nicht reden kann, dar­über soll man schweigen.”

Es ist ein Anfän­ger­feh­ler beim Meta­pho­ri­sie­ren, den bei­de arg­los bege­hen: Es ist zunächst ein­mal drin­gend zu ver­mei­den, etwas Orga­ni­sches mit etwas Mecha­ni­schem gleich­zu­set­zen. Eine sol­che Über­tra­gung muß schief gehen. Bei­spiel: Frau­en sind wie Blu­men, Män­ner wie Rasen­mä­her. — Der Witz ent­steht allein durch die Unver­ein­bar­keit der Meta­phern. Und selbst­ver­ständ­lich wer­den Man­che die­se Aus­sa­ge als sol­che rhe­to­risch zu nut­zen ver­ste­hen. Das ist so.
Wer sich auf Meta­phern ein­läßt, soll­te schon wis­sen, was dann geschieht. Wer das nicht kann, ist eigent­lich nicht ein­mal Wis­sen­schaft­ler, weil die Fähig­keit, sich in und mit Model­len auch all­ge­mein ver­ständ­lich zu machen, schlicht­weg dazu gehört. — Man wird sich näm­lich schon fra­gen, wenn so gestam­melt wird, was Dro­sten und Lau­ter­bach eigent­lich wirk­lich ver­ste­hen und ver­stan­den haben, wenn sie so unbe­hol­fen reden und dabei völ­lig ver­las­sen sind von allen guten Gei­stern, die in der Spra­che wohnen.

Wenn etwa Ein­stein sagt: “Gott wür­felt nicht”. Dann will er zwar kei­ne Theo­lo­gie betrei­ben, son­dern “nur” den Uni­ver­sal­an­spruch der Mathe­ma­tik behaup­ten. Den­noch hat er zugleich auch Theo­lo­gie betrie­ben, denn wenn Gott über­haupt nicht wür­felt, dann wäre er gar kein The­ma mehr, nicht nur für die Phy­sik. Also hat er Theo­lo­gie betrie­ben und sich des­halb übernommen.

Das ist das Schö­ne, Amü­san­te und für Unbe­ru­fe­ne auch Bedroh­li­che beim Meta­pho­ri­sie­ren. Man kann förm­lich sehen, wie die aus man­geln­dem Sprach­ge­fühl oder auch, weil nicht zu Ende gedacht wor­den ist, falsch gewähl­ten Meta­phern dar­auf­hin post­wen­dend über den Red­ner her­fal­len oder ihm heim­tücki­sche Fal­len stel­len. Nicht sel­ten wird Red­nern dann etwas in den Mund legen, was sie gar nicht gesagt haben woll­ten. Ein berühm­tes Bei­spiel ist die Jenninger–Rede.
Wenn bei­spiels­wei­se irgend­wo die Lei­tung einer Insti­tu­ti­on wei­ter­ge­ge­ben wird, dann gibt es immer die­se gro­tes­ken Unbe­hol­fen­hei­ten, die zugleich sehr tief blicken las­sen. Die bei der “Wach­ab­lö­sung” all­seits belieb­te Meta­pher vom “Kapi­tän eines Schif­fes”, also dem “Steu­er­mann”, ist sel­ten schwer beherrsch­bar. – Daher ist es immer beson­ders span­nend, dabei zu sein, um zu sehen, wann und wie der Schiff­bruch sol­cher Red­ner kommt, die nicht sel­ten blank zie­hen, ohne es zu wollen. 
Hin­ter den Kulis­sen las­sen sich auf­grund der heim­tücki­schen Attacken wider­spen­sti­ger Nar­ra­ti­ve vie­le der eigent­li­chen Inten­tio­nen, der Selbst­zwei­fel und auch der Anma­ßun­gen ziem­lich genau erken­nen. Das geschieht unmit­tel­bar dann, sobald eine Meta­pho­rik faden­schei­nig wird und auf­ge­setzt erscheint, also nur benutzt aber nicht auch als sol­che ernst gemeint wer­den soll. 
“Benut­zen” las­sen sich Meta­phern schon mal gar nicht. — Das las­sen sich die anson­sten so hilf­rei­chen Gei­ster über­haupt nicht bie­ten, also wen­den sie sich gegen den, der sie als Gei­ster rief. Und tat­säch­lich, wer sich den Sprach­gei­stern nicht wür­dig, dank­bar und in gewis­ser Wei­se auch folg­sam erweist, hat auch anson­sten wohl auch noch ganz ande­re Schwä­chen. — Und ei den mei­sten steckt näm­lich Hybris dahin­ter und das fliegt auf, ange­sichts der Risi­ken, die die See­fahrt nicht nur meta­pho­risch nun ein­mal mit sich bringt. 
Mit Viro­lo­gie hat das alles nichts zu tun, aber mit Spra­che, Kul­tur, Ver­nunft und Geist, also mit einem Immun­sy­stem, das von ganz ande­rer Klas­se ist.
Schön ist die­ser Bei­trag, den ich hier emp­feh­len möch­te des­we­gen, weil er mir erheb­li­che Arbeit abnimmt. Ich woll­te die sprach­li­che Unbe­hol­fen­heit der Pro­fes­so­ren Dro­sten und Lau­ter­bach immer schon mal auf­spie­ßen, weil, wer so schlecht spricht, ein­fach Spott ver­dient. — Ich fand es aber irgend­wie fies, mir das alles eigens noch ein­mal anzu­hö­ren, um es mit den Mit­teln der Glos­se dann noch aufzuführen.

Schön, daß die­se Unbe­hol­fen­heit hier inein­an­der geschnit­ten wurden.

Amok und Nihilismus

Über transzendentale Obdachlosigkeit

Ich habe Amok nie ver­stan­den. Bei Charles Bukow­ski, durch den man eben­so hin­durch muß, wie durch Niklas Luh­mann, geschieht das so neben­her. Irgend­wer hat mal so rich­tig schlech­te Lau­ne, legt sich dann irgend­wo auf die Lau­er, nimmt sich ein Gewehr, wird Hecken­schüt­ze und bal­lert irgend­wel­che Leu­te ab, die ein­fach nur das Unglück haben, gera­de in die­sem Augen­blick vor Ort zu sein.

Nun, mir geht es ums Ver­ste­hen, nicht unbe­dingt um Ver­ständ­nis. Das ist ein him­mel­wei­ter Unterschied.

Man legt sich dann irgend­wel­che Erklä­run­gen zurecht, so etwas die bei Schul­mas­sa­kern, daß da jemand mit nar­ziss­ti­scher Stö­rung zutiefst ver­letzt wor­den sein muß, der dar­auf “Rache” aus­übt. Das ist auch dürf­tig, weil es nicht die tie­fe­ren Grün­de erklärt. Wir alle sind schon mal so rich­tig mies ver­letzt wor­den und waren ernst­zu­neh­mend sau­er, haben aber in der Regel nicht ein­mal dar­an gedacht, auf die­se Wei­se damit umzu­ge­hen, um die Sache wie­der “aus der Welt zu schaffen”.

Edvard Munch: Melan­cho­lie (1894f).

Ein­mal habe ich, um bes­ser zu emp­fin­den, in mei­ner Vor­le­sung einen Amok­lauf aus der Per­spek­ti­ve des­je­ni­gen Schü­lers ver­sucht zu beschrei­ben, der nun mit sei­ner Waf­fe durch den Flur läuft, wäh­rend die ihm per­sön­lich bekann­ten und doch viel­leicht auch ehe­dem freund­schaft­lich ver­bun­den Mit­schü­ler vor ihm fliehen. 

Dar­auf bin ich auf die Idee gekom­men, daß es eine Exit–Strategie geben muß. Es kam mir näm­lich so vor, als wür­de man­cher Täter sich womög­lich den Flüch­ten­den anschlie­ßen, gewis­ser­ma­ßen auf der Flucht vor sich selbst und dem eige­nen Horror.

Aber bei dem Anschlag in Hei­del­berg waren es Stu­den­ten, die zumeist per­sön­lich ein­an­der gar nicht bekannt sein dürf­ten. Hier ent­fällt also ein zen­tra­les Argu­ment, per­sön­li­che Rache auf­grund per­sön­li­cher Demü­ti­gun­gen sei der Grund und der Anlaß. — Also, wie kommt einer dazu, Leu­te zu “bestra­fen”, die so rein gar nichts mit irgend­et­was zu tun haben? Was ist dann deren “Schuld”?

Mir tut es leid für alle die, die da in die­sem Hör­saal waren, für die Ver­letz­ten und noch mehr für die Toten, ihre Ange­hö­ri­gen, Freun­de und Freun­des­freun­de. Sie alle haben mein Mitgefühl.

Den­noch will man immer etwas über die Moti­ve hören, als ob es doch irgend­wel­che zurei­chen­de Grün­de gäbe. Fast schon ent­la­stend wirkt da, wenn die­se Moti­ve reli­giö­ser oder poli­ti­schen Natur sind. Dadurch wird die Absur­di­tät nicht gerin­ger, aber irgend­wie hat die Ratio dann etwas, an dem sie sich hal­ten kann.

Eines ging mir nicht mehr aus dem Kopf, als ich von dem Amok­läu­fer an der Uni in Hei­del­berg hör­te. Er soll per Whats­app kurz zuvor mit­ge­teilt und ange­kün­digt haben, nach­dem er sich die Waf­fen zuvor im Aus­land beschafft hat­te, „daß Leu­te jetzt bestraft wer­den müs­sen“. Die­ses “Motiv” hat wei­ter gear­bei­tet in mir. Irgend­wie scheint das ein Schlüs­sel zu sein für ein tie­fe­res Ver­ste­hen ohne Verständnis.

Dabei ist mir auf­ge­fal­len, daß die­se For­mel vom “Bestra­fen” häu­fig ver­wen­det wird, nicht nur von reli­gi­ös moti­vier­ten Amok­tä­tern, son­dern auch von sol­chen, die eigent­lich nicht reli­gi­ös moti­viert sein dürf­ten, weil ihnen dazu jeder Back­round fehlt. Dann bin ich heu­te beim Ver­fas­sen eines Tex­tes auf den Zeit­geist der Moder­ne zu spre­chen gekom­men und dar­auf, daß mit der Ent­zau­be­rung der Welt, mit dem Ver­lust eines Glau­bens und einer tran­szen­den­ta­len Obdach­lo­sig­keit die­se grund­ver­zwei­fel­ten Leu­te zunächst in Russ­land auf­kom­men, wie sie Dosto­jew­ski so ein­dring­lich zur Dar­stel­lung bringt.

Das hilft nun den Opfern und allen Betrof­fe­nen nicht wirk­lich, weil ihnen das die gesuch­te und nicht zu fin­den­de Erklä­rung nicht geben kann. Und den­noch, es hat mit dem “Bestra­fen” eine eige­ne Bewandt­nis. Stra­fe, Süh­ne und Buße sind näm­lich als Moti­ve zutiefst reli­gi­ös in einem tie­fen­psy­cho­lo­gi­schen Sin­ne. Das bedeu­tet, man muß nicht unbe­dingt auf irgend­ei­ne Wei­se gläu­big sein, die­se Arche­ty­pen sind ein­fach vor­han­den im kol­lek­ti­ven Unbewußten.

Edvard Munch: Der Schrei.

Also, in der Moder­ne, wo nicht ein­mal mehr die Idee vom gro­ßen Gan­zen noch mög­lich scheint, dort zer­springt die Welt in tau­send Stücke und alle die­se Frag­men­te erschei­nen nur noch pro­fan. Dar­auf wird dann die unse­li­ge Pro­fa­ni­tät selbst zum Skan­dal und zum ver­zwei­fel­ten Anlaß für Selbst­ver­let­zung, sei es am eige­nen Leib oder auch am ›Kör­per‹ der Gemein­schaft. — Der Grund scheint zu sein, daß die See­le der Akteu­re in der von ihnen ver­ach­te­ten Welt seit gerau­mer Wei­le kei­ne Nah­rung mehr fin­det, zumal der Blick für See­len­nah­rung ent­we­der gar nicht ent­wickelt oder ein­ge­trübt ist.

Auf die­se Wei­se läßt sich nach­voll­zie­hen, war­um es unter psy­cho­lo­gisch pre­kä­ren Umstän­den in den völ­lig ent­zau­ber­ten und pro­fa­ni­sier­ten Frag­men­ten moder­ne Wel­ten immer wie­der zu die­sen äußerst spek­ta­ku­lä­ren und demon­stra­ti­ven Ter­ror­ak­ten kommt, und woher die vie­len reli­giö­sen Moti­ve vor allem doch bei eigent­lich reli­gi­ös gar nicht moti­vier­ten Tätern rühren.

Es läßt sich spe­ku­lie­ren, ob das Unvor­stell­ba­re nicht doch vor­stell­bar wird, wenn wir ernst neh­men, was vie­le die­ser Täter als Motiv bekun­den, sie woll­ten ›stra­fen‹. Als wür­de da ein gei­stig voll­kom­men ent­wur­zel­tes Pro­phe­ten­tum exer­ziert. Tat­säch­lich läßt sich aber anneh­men, daß die Ver­let­zun­gen in der Tat eine Art ›Buße‹ sein sol­len, nur, in einem Kon­ti­nu­um, das selbst völ­lig ver­irrt ist.

Das hat Fjo­dor Michai­lo­witsch Dosto­jew­ski in der gan­zen see­li­schen Dra­ma­tik vor Augen geführt. Er war ein Seis­mo­graph der Kon­flik­te, in die der Mensch mit dem Anbruch der Moder­ne geriet. In sei­nen Wer­ken spie­gel­te er die irr­lich­tern­de mensch­li­che See­le, ihre Sehn­süch­te, Regun­gen und Träu­me, dann aber auch die Zwän­ge und Befrei­ungs­ver­su­che bis hin zum Verbrechen.

Seit die Welt nur noch in Frag­men­ten erscheint, die alle­samt nur noch pro­fa­ner Natur sein kön­nen, kon­zen­triert man sich ersatz­hal­ber auf Äußer­lich­kei­ten, spricht allen­falls von ›Wer­ten‹ und ver­liert jede Vor­stel­lung von Geist und Ver­nunft in ihrem Bezug zum Schö­nen, Erha­be­nen und daher auch zum Gött­li­chen. — Fol­ge­rich­tig führt Fried­rich Nietz­sche die­ser Befund zu einer ver­hee­ren­den Dia­gno­se: Nihilismus.

Der jun­ge Nietz­sche selbst ver­warf bereits in jun­gen Jah­ren die­se Welt­sicht der Halt­lo­sig­keit und wand­te sich der Phi­lo­so­phie von Arthur Scho­pen­hau­er zu, die nicht nur die Ver­zweif­lung auf eine sehr kon­struk­ti­ve Wei­se deu­tet, son­dern die auch eine Phi­lo­so­phie des Mit­leids ent­wickelt und dabei bedeu­ten­de Gemein­sam­kei­ten mit fern­öst­li­chem Den­ken ent­wickelt. — Es gäbe also schon phi­lo­so­phi­sche Alter­na­ti­ven, die vor allem eige­nes Han­deln wie­der mög­lich machen und nicht nur die akti­ve Welt­ver­nei­nung und noch dazu die völ­lig unbe­rech­tig­te “Bestra­fung” zufäl­lig anwe­sen­der Men­schen, die dann zu Opfern wer­den. Kein Gott, kein Geist und nicht ein­mal ein Ungeist wird ein sol­ches Opfer akzeptieren.

Das ist kei­ne Erklä­rung, die Trost spen­den kann, es ist aller­dings eine beun­ru­hi­gen­de Ein­sicht in die see­li­sche Käl­te unse­rer Welt, die man­che ein­fach nicht ertra­gen, schon gar nicht dann, wenn sie sich Hil­fe nicht ein­mal mehr vor­stel­len kön­nen son­dern mei­nen, sie könn­ten durch sol­che Taten irgend­et­was bewir­ken, was alten Wun­den heilt. – Statt­des­sen wer­den neue aufgerissen.


Die Narrative der Metaphern

Über die Magie der Sprache und die Macht der Bilder 

Nar­ra­ti­ve, immer wie­der ist von Nar­ra­ti­ven die Rede in letz­ter Zeit. Es ist eigent­lich nur ein ande­res Wort für eine Meta­pho­rik, wobei das Nar­ra­tiv schein­bar oder tat­säch­lich noch etwas Bekennt­nis­haf­tes hat, als wäre es ein Glau­bens­be­kennt­nis­se. Man kann mit­un­ter tat­säch­lich auch den Begriff “Welt­an­schau­ung” ein­set­zen. — Nar­ra­ti­ve sind zunächst ein­mal nichts wei­ter als Erzäh­lun­gen, muster­gül­ti­ge Typen von Erzäh­lun­gen, die wir ein­set­zen, um etwas zu ver­deut­li­chen aber auch, um ande­re über den Tisch zu ziehen. 

Nar­ra­ti­ve sind Meta­phern, also “Über­tra­gun­gen” von Sinn­zu­sam­men­hän­gen, die zumeist mit der Sache eigent­lich nicht das gering­ste zu tun haben. Nur wir stel­len die Ver­knüp­fung her, weil wir das Bild ver­ste­hen und glau­ben, wenn es sich mit der Sache auch so ver­hält, tat­säch­lich auch die Sache selbst ver­ste­hen zu kön­nen. — Man muß sich nicht schä­men, so schwer von Begriff zu sein. Das ist typisch mensch­lich und kommt in den här­te­sten Natur­wis­sen­schaf­ten vor.

Inter­es­san­ter­wei­se arbei­ten gera­de die Natur- und Tech­nik­wis­sen­schaf­ten, die sich so viel dar­auf zu Gute hal­ten, daß sie rech­nen und nicht reden, mit erstaun­lich vie­len Meta­phern. Wenn Ein­stein behaup­tet, “Gott wür­felt nicht”, dann will er kei­ne Theo­lo­gie betrei­ben, son­dern den uni­ver­sel­len Anspruch von Mathe­ma­tik deut­lich machen. — Soll­te aber der Schöp­fer rein gar nicht gewür­felt haben, dann braucht der Phy­si­ker gar kei­nen Gott mehr, dann gin­ge alles wie von selbst, eben “evo­lu­tio­när”. Und schon haben wir das näch­ste hochwissenschaftlich–literarische Bild vom Pro­zeß natür­li­cher Gene­se, wie Dar­win es beschrie­ben hat.

Inter­es­sant ist nun, daß Ein­stein, obwohl es ihm um Mathe­ma­tik ging, zugleich auch Theo­lo­gie betrie­ben hat, mit die­sem Nar­ra­tiv. Ob er es woll­te oder nicht, der Geist die­ser von ihm gewähl­ten For­mel besteht dar­auf, daß er auch das habe gesagt haben wol­len soll. Das ist nun der sprin­gen­de Punkt, Meta­pher unter­schie­ben uns Aus­sa­gen, die kon­se­quen­ter­wei­se aus dem Nar­ra­tiv fol­gen, aber sie unter­stel­len es in der Sache, also Vorsicht!

Dar­win als Affe, eine Anspie­lung auf sei­ne Evo­lu­ti­ons­theo­rie, die sei­ner­zeit unge­heu­er­lich erschien. In: The Hor­net maga­zi­ne, 22. März 1871.

Wer hat nicht immer­zu die­ses dar­win­sche Nar­ra­tiv im Kopf, das zumeist auch falsch ver­stan­den wird. Aber es ist nicht nur schön, son­dern vor allem bequem. Man kann sich damit man­ches erklä­ren, solan­ge man sich genü­gend kos­mi­sche Zeit nimmt. Aber das Nar­ra­tiv ent­stammt dem sei­ner­zeit so rasen­den Früh­ka­pi­ta­lis­mus. Die­ses dau­ern­de Gere­de vom Über­le­ben des Stärk­sten ist typisch deutsch, weil im Ori­gi­nal von “to fit in”, also vom Ein­ge­paßt­sein gespro­chen wird. Es über­lebt also unter Selek­ti­ons­be­din­gun­gen genau das­je­ni­ge Indi­vi­du­um, das am besten “ange­paßt ist”, näm­lich an sei­ne Umwelt. — Es ist schön, über Nar­ra­ti­ve zu ver­fü­gen, so weit die Füße tra­gen. Inter­es­sant wird es, wenn sie aber kollabieren. 

Die Zeit ist näm­lich dank­bar, ver­weist sie doch so gern kapi­ta­li­stisch auf die als Natur­zu­stand beschrie­be­nen Ver­hält­nis­se der frei­en Wild­bahn, was angeb­lich auf die “freie Wirt­schaft” und vor allem auf die “frei­en Märk­te” zutref­fen soll. Dabei wird schnell sicht­bar, daß es auch Ammen­mär­chen sind, die gern erzählt wer­den, wenn mit sol­chen Nar­ra­ti­ven eine unso­li­da­ri­sche Poli­tik des wirt­schaft­li­chen Frei­beu­ter­tums als “natür­lich” legi­ti­miert wer­den soll. — Ein rus­si­scher Anar­chist, Fürst Igor Kro­pot­kin, hat ein ande­res Nar­ra­tiv dage­gen gesetzt, das auch mit der Dar­win­schen Evo­lu­ti­ons­theo­rie kom­pa­ti­bel ist, das Prin­zip von der “Gegen­sei­ti­gen Hil­fe”, daß sich eben die Beu­te­tie­re zusam­men­tun kön­nen, um den Habicht abstür­zen zu las­sen, eben durch Schwarmintelligenz. 

Nun dürf­te klar gewor­den sein, wie sehr mit Nar­ra­ti­ven die Richt­li­ni­en der Poli­tik bestimmt wer­den, durch die Macht der Bil­der. Dage­gen wie­der­um kann man sich nur ver­wah­ren durch ein wenig huma­ni­sti­sche Bil­dung und durch Meta­phoro­lo­gie. Es macht aber auch Freu­de, ein sol­ches Bild ernst zu neh­men wie ein Kind, um dann immer wei­ter zu fra­gen: Also wenn in der Natur die Zeit reich­lich knapp ist wegen der Fein­de und der drin­gend not­wen­di­gen Fort­pflan­zung, wie­viel Zeit hat eigent­lich eine Orchi­dee, wenn sie mit einer Inno­va­ti­on her­aus­kom­men möch­te, um am “Markt” zu bestehen?

Jean-Bap­ti­ste Bar­la: Flo­re illu­strée de Nice et des Alpes-Mari­ti­mes, Ico­no­gra­phie des orchi­dées. Nice 1868.

Also, wenn sich eine Orchi­dee eine Inno­va­ti­on hat ein­fal­len las­sen wie die, einen Hum­mel­hin­tern zu simu­lie­ren, nebst dazu pas­sen­der Phe­ro­mo­ne, um Hum­mel­männ­chen rasend wild zu machen, so daß sie die Blü­te begat­ten und dabei miß­braucht wer­den, um Bestäu­bungs­ar­beit für die Pflan­ze zu lei­sten, dann möch­te ich gern wis­sen, wie lan­ge Zeit die Orchi­dee hat­te, den Hum­mel­hin­ter doch eini­ger­ma­ßen echt hin­zu­be­kom­men. Wenig­stens fal­len die Männ­chen ein­mal dar­auf her­ein, dann sinkt die Begei­ste­rung sta­ti­stisch gese­hen rapi­de ab. 

Genau­so ver­hält sich das mit den Bil­dern, sie sind wie Zau­ber­künst­ler und machen uns was vor. Man soll­te aber immer dort­hin schau­en, wovon man abge­lenkt wird durch die Macht der Bil­der. Es ist so schön, etwas ver­stan­den zu haben, es ist aber schlimm, auf einem Holz­weg zu sein. — Vie­le derer, die von Nar­ra­ti­ven spre­chen, mei­nen vor allem die mani­pu­la­ti­ve Macht, die sie selbst nut­zen oder viel­leicht auch auf­klä­ren helfen. 

Seit Goe­thes Zau­ber­lehr­ling ist es offi­zi­ell, daß man die Gei­ster, die man ruft auch wie­der los­wer­den muß. Es ist eine Erfah­rung, die jedes Kind macht, daß eine klei­ne Flam­me nur ein wenig Nah­rung braucht und schon wächst sie einem über den Kopf. — Man soll­te also bei der Wahl der Meta­pho­rik ganz beson­ders vor­sich­tig sein. Dar­um geht es eigent­lich, wenn in der Diplo­ma­tie so schön ver­klau­su­liert von der Suche nach einer “gemein­sa­men Gesprächs­grund­la­ge” gespro­chen wird, das sind die ent­schei­den­den Narrative. 

Wenn bei­spiels­wei­se in der aktu­el­len Corona–Krise so etwas wie eine “mora­li­sche Pflicht” kon­sta­tiert wird, sich aus Grün­den der “Soli­da­ri­tät” imp­fen zu las­sen, dann steckt ein Nar­ra­tiv dahin­ter, das man nicht wirk­lich tei­len muß. Man kann nicht nur, son­dern soll­te zurück­fra­gen, ob die­se, unse­re Gesell­schaft denn ihrer­seits soli­da­risch ist, oder nicht viel­mehr betont lieb­los. Nimmt sie denn die Rück­sicht auf die Armen und Schwa­chen, denen es im Ver­lauf die­ser Kri­se immer schlech­ter ergeht? Nimmt sie denn Rück­sicht auf die Pfle­ge­kräf­te und nicht viel­mehr auf maro­de Ver­hält­nis­se im Gesund­heits­sy­stem, die sie selbst zu ver­ant­wor­ten hat, als man Kli­ni­ken zu Spe­ku­la­ti­ons­ob­jek­ten gemacht hat? 

Der Zau­ber­trick, den man durch­schau­en soll­te, liegt dar­in, bewußt die Unter­schie­de zu ver­decken zwi­schen Gesell­schaft und Gemein­schaft. Eine Gemein­schaft kann und darf Soli­da­ri­tät ihren Mit­glie­dern abver­lan­gen und sogar erwar­ten, eine Gesell­schaft wie die unse­re, kann es, je weni­ger sie vom Geist der Gemein­schaft beseelt ist, umso weni­ger. So erklä­ren sich auch die Unter­schie­de im Staats­ver­trau­en. Die Nord­län­der sind nie so ver­führt, betro­gen und miß­braucht wor­den von ihrem eige­nen Staat wie die Deut­schen. Da wäre mal Abbit­te zu lei­sten. Die Sonn­tags­re­den an den Kranz­ab­wurf­stel­len der Repu­blik sind inzwi­schen nicht mehr statt­haft. Wer will das denn noch glau­ben, daß hier in unse­rem Lan­de die Grund­rech­te gewahrt wer­den, wenn sie bei der ersten Bela­stung aus­ge­setzt werden?

Ganz anders, wenn es sich um wirk­li­che Gemein­schaft han­delt. In der Afri­ka­ni­schen Phi­lo­so­phie ist „Ubun­tu“, der afri­ka­ni­sche Glau­be dar­an, daß wir das, was wir sind, den Men­schen um uns her­um ver­dan­ken. — Wäh­rend es hier bei uns nur eine Leih­mut­ter, eine Nan­ny und eine Pri­vat­schu­le braucht, um ein Kind zu ‘erzie­hen’, neh­men Afri­ka­ner bekannt­lich gan­ze Dör­fer dazu.

So gese­hen ist der ‘freie’ Westen ein­fach nur geistig–soziales Ent­wick­lungs­land. Wir soll­ten daher die Phi­lo­so­phie der Afri­ka­ner end­lich zur Kennt­nis neh­men, dann wür­de es auch bei uns mit der Soli­da­ri­tät funk­tio­nie­ren. — Nur Gemein­schaf­ten kön­nen Soli­da­ri­tät zu erwar­ten, Gesell­schaf­ten mitnichten.

Daher steht in sol­chen Kul­tu­ren der Aus­gang eines Ritu­als oft­mals von vorn­her­ein fest, Beschlüs­se kön­nen nur ein­stim­mig gefaßt wer­den. Alles wird getan, auf daß bloß kei­ne Ant­ago­nis­men auf­tre­ten. Es soll und darf kei­ne Ver­lie­rer geben. — Ein in die­sem Zusam­men­hang belieb­tes und instruk­ti­ves Bei­spiel stammt von dem Eth­no­lo­gen K. E. Read:
“Als die Gahuku–Gama auf Neu­gui­nea anfin­gen, Fuß­ball zu spie­len, konn­ten zwei geg­ne­ri­sche Klans tage­lang um den Aus­gang spie­len — so lan­ge, wie es not­wen­dig war, um ein Unent­schie­den zu erzie­len”. (K. E. Read: Lea­der­ship and Con­sen­sus in a New Gui­nea Socie­ty. In: Ame­ri­can Anthro­po­lo­gist, 1959, N.S., 61 (3). S. 428, zit. n.: Heinz-Ulrich Nen­nen: Öko­lo­gie im Dis­kurs. Zu Grund­fra­gen der Anthro­po­lo­gie und Öko­lo­gie und zur Ethik der Wis­sen­schaf­ten. Mit einem Geleit­wort von Die­ter Birn­ba­cher; Opla­den 1991. S. 51.)

‘Gewin­nen’ bedeu­tet im Sym­bo­lis­mus sol­cher Kul­tu­ren ‘töten’. — Ich fra­ge mich da immer: Wer sind eigent­lich die Primitiven? 

Meta­phern sind frem­de, eigen­sin­ni­ge aber auch hilf­rei­che Gei­ster der Sinn­stif­tung, auf die wir ange­wie­sen sind, weil wir anson­sten “nur Bahn­hof ver­ste­hen”, wie jene Sol­da­ten, die nur nach Hau­se woll­ten, also “Bahn­hof” hören woll­ten. — Da wir nun ein­mal die Sachen nicht gleich durch­schau­en, son­dern nur mit über­tra­ge­nen Bil­dern indi­rekt deu­ten kön­nen, müs­sen wir uns behel­fen mit Sprach­bil­dern, Dia­lo­gen und Diskursen. 

Der Jar­gon der Diplo­ma­ten in sei­ner trocke­nen, über­sach­li­chen, minu­tiö­sen Klein­ka­riert­heit läßt durch­blicken, wor­auf es ankommt, wenn man sich auf eine “For­mel” als “gemein­sa­me Gesprächs­grund­la­ge” einigt, so daß bald die “Ver­hand­lun­gen auf die­ser Grund­la­ge” begin­nen kön­nen. — Die Wahl des Nar­ra­tivs ist aber auch wie ein Got­tes­ur­teil, denn nie­mand weiß im Vor­aus genau, ob die gewähl­te Meta­pher für die eige­nen Inter­es­sen die not­wen­di­gen Gele­gen­hei­ten bie­ten wird, um mög­lichst viel her­aus­ver­han­deln zu kön­nen für die eige­nen Seite. 

Unse­re Spra­che ist ein Wun­der­werk, bei dem wir uns zu behel­fen wis­sen, um Sachen zur Spra­che zu brin­gen, für die die Wor­te ver­sa­gen. Es hat etwas mit Magie zu tun, dann zu sehen, wie ein Bild die Ima­gi­na­ti­on augen­blick­lich gefan­gen nimmt und alles glaubt, urplötz­lich zu ver­ste­hen. Dabei ver­steht man vor allem das Bild und glaubt, damit auch in der Sache wei­ter­zu­kom­men. Vorsicht!

Wenn eine Meta­pho­rik im Ver­lauf eines Gesprächs aus dem Ruder läuft und immer mehr in eine uner­wünsch­te, nicht mehr kon­struk­ti­ve Rich­tung ver­läuft, dann soll­te man das sagen und dar­auf­hin vor­schla­gen, gemein­sam die Rich­tung zu ver­än­dern. Es ist wie im Netz­plan einer U‑Bahn. Wich­tig ist, sich zuvor mög­lichst offen und höf­lich und dank­bar von der nun­mehr zu ver­las­sen­den meta­pho­ri­schen “Linie” zu verabschieden. 

Sie muß offi­zi­ell ver­ab­schie­det wer­den, wie ein Geist, der anson­sten unge­müt­lich wer­den könn­te. Auch kom­men Zuhö­rer, die nicht ganz bei der Sache sind, mit abstru­sen Rück­fra­gen, wor­auf ein heil­lo­ses Durch­ein­an­der ent­ste­hen kann. — Daher trifft das Bild vom “Mit­neh­men” sol­che Pro­zes­se der Ver­stän­di­gung über Ver­ste­hen so gut. 

Immer­hin tut man sich da mit mäch­ti­gen Gei­stern zusam­men, die erheb­li­che Pro­ble­me berei­ten kön­nen und schnell eine gewis­se Eitel­keit an den Tag legen, wenn sie nicht gewür­digt wer­den. Meta­phern wol­len im Gei­ste ihres Nar­ra­tiv gewür­digt wer­den, es darf und kann daher nur das gesagt wer­den, was die­sem Geist ent­spricht. — Wenn das aber beim besten Wil­len nicht geht, muß die Meta­pho­rik aus­ge­tauscht wer­den. Aber die ande­ren müs­sen dabei mit­ge­hen, anson­sten wird man unter Umstän­den das Nach­se­hen haben. 

Cas­par David Fried­rich: Das Eis­meer (1823f.)

Wer sich auf eine Meta­pho­rik ein­läßt, ver­spricht sich etwas davon, also einen Gewinn von Ver­ste­hen, einen Zuge­winn an Sinn oder viel­leicht auch die Über­zeu­gung Anders­den­ken­der. Aber das kann alles schei­tern. Es gibt daher zwei Meta­phern, die unser Sein dar­stel­len, die Meta­pher vom Thea­ter und die von der See­fahrt. Dabei kön­nen die Plan­ken, die beim Unter­gang blei­ben, zu den Bret­tern wer­den, die die Welt bedeuten. 

Nar­ra­ti­ve zu benut­zen, ist aben­teu­er­lich wie eine See­fahrt aufs offe­ne Meer, was zu ande­ren Zei­ten noch viel ris­kan­ter war. Die Risi­ken beim Meta­pho­ri­sie­ren sind der­weil nicht etwa klei­ner, son­dern eher grö­ßer gewor­den, weil unse­re Ansprü­che auf Begrün­dun­gen selbst grö­ßer gewor­den sind.

Wenn ein Red­ner sei­nen Schiff­bruch erlei­det, dann ver­merkt das Pro­to­koll im Bun­des­tag dar­über eine “all­ge­mei­ne Hei­ter­keit” vor allem dann, wenn einer am Geist einer selbst gewähl­ten Meta­pho­rik schei­tert, wie etwa der FDP–Abgeordnete Gün­ter Ver­heu­gen, der eine etwas degou­tan­te Vor­la­ge von Josch­ka Fischer ver­such­te, in einen Tref­fer zu ver­wan­deln aber ein Eigen­tor schießt: 

“Immer­hin gelingt es auch Gün­ter Ver­heu­gen in sei­ner Rede, Kohl und das Hohe Haus zu amü­sie­ren. Ver­heu­gen spricht kri­tisch von einem ‘Kanz­ler des Still­stands, der in sich ruht wie ein chi­ne­si­scher Bud­dha’. Kohl ruft dazwi­schen: ‘Gefällt mir gut.’ Ver­heu­gen fas­sungs­los: ‘Gefällt Ihnen gut?’ ” Man sieht, wie Kohl augen­blick­lich von der Regie­rungs­bank zum Tele­fon­hö­rer greift. 

Minu­ten spä­ter erläu­tert Kohl, “war­um er den Ver­gleich mit Bud­dha so schät­ze. Von der Regie­rungs­bank aus habe er sich tele­fo­nisch infor­miert und aus einem Lexi­kon erfah­ren, daß Bud­dha als Per­sön­lich­keit ‘sich durch Lebens­ernst, Sinn für das Wirk­li­che und Nöti­ge, Mäßi­gung und Aus­dau­er’ aus­ge­zeich­net habe. Jetzt muß selbst Ver­heu­gen lachen. Kohl bedankt sich für soviel Lob von der SPD und sagt: ‘So hat mich mei­ne Par­tei nie ver­wöhnt.’ Was Bud­dhas Eigen­schaf­ten ange­he, so sei er bereit, ‘all das zu akzep­tie­ren’. Eine Ein­schrän­kung macht der Pfäl­zer jedoch: ‘Mit der Mäßi­gung hab’ ich gewis­se Pro­ble­me, die tei­le ich mit dem Vor­sit­zen­den der Grü­nen-Frak­ti­on, eine der weni­gen Gemein­sam­kei­ten. Kohl ver­gleicht sich im Par­la­ment mit Josch­ka Fischer.” (Mar­tin S. Lam­beck: “So hat mich mei­ne Par­tei nie ver­wöhnt”. Schlag­ab­tausch mit Respekt: “Bud­dha” Kohl zwi­schen Fischers Häme und Ver­heu­gens “Lob”. In: Die Welt, 9.11.1995.)

Die Tita­nic, die Meta­pher aller Schiffs­me­ta­phern, als Inbe­griff von Hybris und als Demü­ti­gung des moder­nen Größenwahns.

Es gibt eini­ge wirk­lich schil­lern­de Bespie­le für die Eigen­dy­na­mik der Nar­ra­ti­ve und den Schiff­bruch von Red­nern. — Eine Meta­pho­rik hat eben ihr Nar­ra­tiv und dem muß man fol­gen. Wer einen sol­chen Geist ruft, wird sich nolens volens auf das Schick­sal ein­las­sen müs­sen, unmit­tel­bar dar­auf nicht mehr wirk­lich der Herr des Ver­fah­rens zu sein, so auch bei einer Bege­ben­heit, die der Mün­ste­ra­ner Phi­lo­soph Hans Blu­men­berg erwähnt.

“In der Haus­halts­de­bat­te schil­dert ein Abge­ord­ne­ter der Regie­rungs­ko­ali­ti­on den festen Kurs, den das Staats­schiff dank der koalier­ten Besat­zung habe, und ver­gleicht die Oppo­si­ti­on mit unru­hi­gen Pas­sa­gie­ren, die einen Nach­hol­kurs in Navi­ga­ti­on neh­men müß­ten, um eines Tages wie­der auf die Kom­man­do­brücke zu kommen.
Zwi­schen­ruf der Oppo­si­ti­on: ›Wir sit­zen nicht in einem
Boot.‹ —
Red­ner: ›Ich spre­che von dem Schiff unse­res Lan­des, und
dazu gehö­ren Sie doch!‹ —
Zwi­schen­ruf Weh­ner: ›Er ist ein blin­der Passagier!‹ —
Zwi­schen­ruf Oppo­si­ti­on: ›Sie sit­zen bald auf Grund, wenn
Sie so weitermachen.‹ —
Als der Red­ner sei­nen Vor­trag mit noch­ma­li­gem Gebrauch
der Meta­pher schließt: ›Weil die­ses Schiff den richtigen
Kurs hat und damit es wei­ter­hin gute Fahrt macht …,‹
bekommt er beim Abgang als letz­ten Ruf:
›Und Sie sind der Klabautermann.‹”

(Hans Blu­men­berg: Schiff­bruch mit Zuschau­er. Para­dig­ma einer Daseins­me­ta­pher. Frank­furt am Main 1979. Anm. 5, S. 14.)

Die Wahl der Meta­pher ist ent­schei­dend, je nach­dem erhält man Zuspruch vom Geist einer Meta­pher und ihrem Nar­ra­tiv oder aber eine Abfuhr. Dabei haben wir die Wahl zwi­schen Hafen und offe­ner See nicht wirk­lich. Betrach­tet aus der unmensch­li­chen Lan­ge­wei­le im Para­dies­gar­ten war die neue App vom Baum der Erkennt­nis, also selbst­stän­dig zwi­schen dem Guten und dem Bösen unter­schei­den zu kön­nen, ein­fach zu verlockend.

Aber auch damals schon wur­de das Klein­ge­druck­te im Para­diesver­trag zu schnell weg­ge­klickt, denn dort steht, daß es unend­lich lang dau­ern könn­te, bis Men­schen zu Göt­tern wer­den, mit allem, was dazu gehört nicht nur an Mäch­ten, son­dern auch an Kompetenzen. 

Einst­wei­len soll­te gut über­legt wer­den, ob man nun die “Ehe als Hafen” mit para­die­si­scher Lan­ge­wei­le betrach­tet oder eher als “See­fahrt” mit der Aus­sicht auf Kata­stro­phen. Der in allem sehr zurück­hal­ten­de Cas­par David Fried­rich hat lie­ber ein See­stück gewählt, denn er moch­te sich erst spät über­haupt dazu entschließen.
Cas­par David Fried­rich und Caro­li­ne Bom­mer ver­lob­ten sich im Jahr 1816. Mit sei­ner Beru­fung in die Dresd­ner Aka­de­mie im Dezem­ber 1816 bekam der Maler 150 Taler Gehalt und konn­te sich somit eine Fami­lie lei­sten. Er war damals 42 Jah­re alt.

Bei dem Paar han­delt es sich um den Künst­ler selbst und sei­ne jun­ge Frau Caro­li­ne Bom­mer. Fried­rich galt zeit­le­bens als „men­schen­scheu­er Melan­cho­li­ker“. Umso grö­ßer war das Erstau­nen sei­ner Freun­de und Bekann­ten, als der 44–Jährige am 21. Janu­ar 1818 die 19 Jah­re jün­ge­re Caro­li­ne Bom­mer heiratete. 

Bei dem im Bild dar­ge­stell­ten Paar han­delt es sich um den Künst­ler selbst und sei­ne jun­ge Frau Caro­li­ne Bom­mer. Die Hoch­zeit fand am 21. Janu­ar 1818 in der Dresd­ner Kreuz­kir­che statt, ohne Fried­richs Ver­wandt­schaft. — Der Ehe­mann setz­te sei­ne Ver­wand­ten erst eine Woche nach der Ehe­schlie­ßung per Brief dar­über in Kennt­nis, nach­dem sei­ne Frau ihn dazu gedrängt hat­te. In dem Brief offen­bar­te er auch sei­ne Anschau­un­gen über den neu­en Zustand der Ehe:

„… mei­ne Frau fängt bereits an, unru­hig zu wer­den und hat mich wie­der­holt malen erin­nert zu schrei­ben; denn auch sie will schrei­ben um mit ihren neu­en Brü­dern bekann­ter zu wer­den. Es ist doch ein schnur­rig Ding wenn man eine Frau hat, schnur­rig ist wenn man eine Wirth­schaft hat, sei sie auch noch so klein; schnur­rig ist wenn mei­ne Frau mir Mit­tags zu Tische zu kom­men ein­la­det. Und end­lich ist es schnur­rig wenn ich jetzt des Abends fein zu Hau­se blei­be, und nicht wie sonst im Frei­en umher lau­fe. Auch ist es mir gar schnur­rig daß alles was ich jetzt unter­neh­me immer mit Rück­sicht auf mei­ne Frau geschieht und gesche­hen muß.“ (Zit. n.: Wiki­pe­dia: Caro­li­ne Friedrich.)


Der Staat als Pate

Sind Sie mit einer freiwilligen Impfpflicht einverstanden?

Über ein Angebot, das niemand ablehnen soll

Gleich nach dem Stu­di­um hat­te ich einen Lehr­auf­trag an der Fach­hoch­schu­le für öffent­li­che Ver­wal­tung in Dort­mund: „Ethik für Poli­zei-Beam­te“. Das ist Pflicht­pro­gramm vor dem Hin­ter­grund der Gleich­schal­tung in Nazideutschland.
Ich habe dort viel erfah­ren über das Innen­le­ben der Poli­zei. Einer­seits wach­sam in der Kon­trol­le mit Argus­au­gen, ande­rer­seits der per­ma­nen­te Wunsch, Gren­zen zu über­tre­ten, wohl weil der stän­di­ge Druck zu groß ist. Also, man benahm sich pro­vo­kant, woll­te den star­ken Macho–Mann geben und kei­ne Schwä­che zei­gen. Daß kei­ne Papier­flie­ger auf­stie­gen, war alles. Dort waren kei­ne Frau­en dar­un­ter, die Luft war also ziem­lich würzig.
Damals spür­te ich, wie es intern zugeht bei denen, die weni­ge Jah­re zuvor in der RAF-Raster­fahn­dung mich immer raus­ge­wun­ken haben, mit mei­nen lan­gen Haa­ren, dem klapp­ri­gem R4 mit Achs­scha­den und Hip­pie­be­ma­lung, um mich zu kon­trol­lie­ren mit Maschi­nen­ge­wehr im Rücken. Das ist eine selt­sa­me Form der Prominenz.
Aber wie und wer sind die, die eine sol­che Per­for­mance auf Befehl lie­fern, wenn “der” Staat, also die, die sich für “den” Staat hal­ten und das Sagen haben, mei­nen, “der” Staat müs­se mal zei­gen, wo der Frosch die Locken hat und der Bartel den Most holt.

Der Pate (Ori­gi­nal­ti­tel: The God­fa­ther) ist ein US-ame­ri­ka­ni­scher Mafia­film aus dem Jahr 1972 von Fran­cis Ford Cop­po­la, basie­rend auf dem gleich­na­mi­gen Roman von Mario Puzo, der gemein­sam mit Cop­po­la auch das Dreh­buch ver­fass­te. Der Film mit Mar­lon Bran­do und Al Paci­no in den Haupt­rol­len war für elf Oscars nomi­niert, von denen er drei gewann. Der Pate zählt zu den künst­le­risch bedeu­tend­sten Wer­ken der Filmgeschichte.

Intern herrscht eine unge­heu­er­li­che Dis­zi­pli­nie­rungs­kul­tur. Sobald in den Semi­na­ren einer „aus­scher­te“ und irgend­ein Ver­ständ­nis für Min­der­hei­ten zum Aus­druck brach­te, fiel die Grup­pe augen­blick­lich über ihn her: Ach, so einer bist Du also?!
Empa­thie und alles “Wei­che”, gewis­ser­ma­ßen Unmänn­li­che war ein Aus­druck von Schwä­che. Es ging zu wie im Schwa­ben­land, wo vie­le in der schwä­bi­schen Frei­kir­che sozia­li­siert wur­den und sich einen ähn­li­chen Schliff ein­ge­fan­gen haben. So wur­den die­se über­aus wach­sa­me Mit­men­schen dres­siert, eif­rig in höhe­rem Auf­trag augen­blick­lich dabei zu stö­ren, falls einer sich mal ver­ges­sen haben und irgend­wie ver­träumt und selbst­ver­ges­sen in Glücks­mo­men­ten schwel­gen soll­te. Wenn man von die­sen Mit­men­schen erwischt wird beim Mensch­sein, dann füh­ren sie einen augen­blick­lich zurück auf den rich­ti­gen Weg des Unwohl­seins im Sein.
Eine älte­re Dame im mün­ster­län­di­schen Wall­fahrts­ort Telg­te erklär­te mir mal: “Der Herr­gott hat uns ja auch nicht erschaf­fen, damit wir es uns hier unten gut gehen las­sen!” — Das ist phi­lo­so­phisch gar nicht so leicht zu kon­tern, denn man müß­te dann mit dem Ter­mi­nus “Herr­gott” eini­ger­ma­ßen ver­siert umge­hen kön­nen. Heu­te wür­de ich es mir zutrau­en, aber damals war ich höf­lich sprachlos.
Ähn­li­ches muß ich den poli­zei­li­chen Anwär­tern auf den höhe­ren Dienst auch zuge­ste­hen, daß sie mich ent­waff­net haben mit dem Bekennt­nis: „Immer müs­sen wir dort­hin, wo alle ande­ren weg­lau­fen”. — Ja, das ist der Job, und für nicht weni­ge ist genau das sogar Beru­fung. Sie haben mei­nen Respekt, wirklich.
Tat­säch­lich sind Poli­zei­be­am­te bei ihrer Berufs­wahl ähn­lich moti­viert wie Leh­rer. Es sind Idea­le im Spiel, aber Poli­zi­sten bekom­men es rich­tig dicke auf die Müt­ze, wäh­rend es für Leh­rer bei wei­tem nicht so bela­stend ist, weil man vie­les per­sön­lich gestal­ten kann. Aber genau das möch­te man von der Poli­zei gera­de nicht, daß sie per­sön­lich was gestaltet.
Vor die­sem Hin­ter­grund ist es auch amü­sant für mich, in eine Ver­kehrs-Kon­trol­le zu gera­ten, weil ich noch immer wie ein Leh­rer emp­fin­de. Und wenn dann ein Beam­ter mich fragt: „Sind Sie mit einem frei­wil­li­gen Atem­test zur Alko­hol­kon­trol­le ein­ver­stan­den?“, dann bekommt er von mir einen sokra­ti­schen Dia­log, das bin ich ihm und mir schuldig.
Was denn dar­an frei­wil­lig sei, will ich wis­sen. Der Beam­te wie­der­holt, ich hät­te doch die Wahl!? Was denn wäre, wür­de ich mich nicht ein­ver­stan­den erklä­ren, fra­ge ich zurück. Dann müß­te ich mit auf die Wache, wo mir auch mit kör­per­li­cher Gewalt das Blut für einen Alko­hol­test abge­nom­men wür­de. Was denn dar­an frei­wil­lig sei, fra­ge ich zurück. Er wie­der­holt nur, ver­steht nicht oder will nicht verstehen.
Ich sage ihm, das sei kei­ne Frei­wil­lig­keit. Ich wür­de ihm das jetzt mal vor Augen füh­ren und zwar am Bei­spiel sei­ner dane­ben­ste­hen­den Kol­le­gin. Wenn ich sei­ne Kol­le­gin als Frau fra­gen wür­de, ob sie mit einer frei­wil­li­gen kör­per­li­chen Nähe ein­ver­stan­den wäre, weil ich anson­sten ande­re Mit­tel ein­set­zen wür­de, was das wohl wäre: Nöti­gung durch Andro­hung von Gewalt min­de­stens, wenn nicht mehr. – Er habe jetzt kei­ne Zeit, sagt der Beam­te und geht.
Lau­ter­bach hat für die Nahe­le­gung einer „frei­wil­li­gen Impf­licht” eine ähn­li­che rhe­to­ri­sche Figur gewählt, die selbst­ver­ständ­lich von Sokra­tes in den höch­sten Tönen als der Weis­heit letz­ter Schluß gelobt wür­de. Das geht immer so, wenn er wie­der mal schwer beein­druckt ist. Wehe dem, wer so einen Bock gescho­ßen hat, denn man wird dann vor aller Augen rhe­to­risch geteert und gefedert.
Es beginnt damit, auf eine viel zu lau­te, unmög­li­che, ja uner­träg­li­che Wei­se über den grü­nen Klee gelobt zu wer­den. — Die­se Gegen­fi­gur wird als Hyper­bel bezeich­net, das ist die Keim­zel­le ver­nich­ten­der Iro­nie im Gewan­de des Lob­ge­sangs, der nur eine Rich­tung kennt, nach oben, höher und höher des Lobes voll – und dann im Sturz­flug run­ter, direkt auf den Boden der Tatsachen.
Auch in der Musik funk­tio­niert das her­vor­ra­gend. Jimi Hen­drix prä­sen­tier­te auf dem Festi­val in Wood­stock von 1969 eine ver­zerrt dröh­nen­de, mit mar­tia­li­schen Bom­ber– und Maschi­nen­ge­wehr­sal­ven durch­setz­te, als­bald welt­be­kann­te Inter­pre­ta­ti­on der US-Natio­nal­hym­ne “The Star-Span­gled Ban­ner”. Er hob sie hoch und höher, um sie fal­len zu las­sen wie einen Bom­ber, der im Sturz­flug zum Angriff über­geht. Ver­blüf­fend deut­lich sind Flie­ger­an­grif­fe und Geschoß­ein­schlä­ge zu hören, Vietnam.
Die frei­wil­li­ge Impf­pflicht als der Weis­heit letz­te Schluß von Lau­ter­bach wür­de Sokra­tes gewiß hoch über alles heben, um die­se absur­de The­se dann umso tie­fer abstür­zen zu las­sen. Natür­lich ist es lächer­lich, weil Lau­ter­bach gar nicht ver­steht, was der Unter­schied zwi­schen Kör­per und Leib ist, eben­so­we­nig wie der Poli­zist, der nun ein­mal im stäh­ler­nen Gehäu­se der Hörig­keit sei­ner Dienst­pflich­ten lebt.
Die­ser Zwang zum frei­wil­li­gen Selbst­zwang hat nicht nur etwas von einer Ver­ge­wal­ti­gung, es ist eine. Und der Täter ist der Staat. Und der Staat ist ein Schlä­ger, einer, der hun­dert­mal schon ver­si­chert hat, er wol­le sich bes­sern und hät­te schon man­che The­ra­pie­sit­zung absol­viert, sich nicht wie­der in der Gewalt zu ver­grei­fen an der Gesell­schaft. Aber dann ist er doch bei der näch­sten Gele­gen­heit wie­der rück­fäl­lig geworden.
Das alles läßt sich demon­strie­ren, ich habe dar­über Bücher geschrie­ben. Aber es berei­tet auch Freu­de, sich dar­über lustig zu machen, über so etwas Ehren­wer­tes wie die ehren­wer­te Gesell­schaft, die der Staat letzt­end­lich ist.
Das läßt nicht von unge­fähr an einen zeit­lo­sen US-ame­ri­ka­ni­schen Mafia­film aus dem Jahr 1972 von Fran­cis Ford Cop­po­la den­ken, mit Mar­lon Bran­do, über­wäl­ti­gend in der Rol­le des Vito Cor­leo­ne, als der Pate (Ori­gi­nal­ti­tel: The God­fa­ther). — Aber ja doch, Mafia. Das Pro­blem ist, daß der Staat von Hau­se aus selbst nichts ande­res als “Mafia” ist, höchst ehren­wert ver­steht sich, nur daß es eben nicht bei­des zugleich geben kann.
Wenn Staat, dann nur in Ket­ten wie ein Unge­heu­er. Das bedeu­tet Gewal­ten­tei­lung, Balan­ce of Power und ist so gemeint, daß die eine Gewalt der ande­ren bit­te­schön nicht ein­mal die Wurst auf dem Brot gön­nen soll­te. Da möch­te man nun wirk­lich nicht von Bun­des­ver­fas­sungs­rich­tern hören, die zum Din­ner ins Kanz­ler­amt fah­ren, um sich dort, ja was eigent­lich, wohl zu füh­len oder geehrt oder geach­tet? Da lobe ich mir die Polizisten.
Unüber­trof­fen der Spruch des Paten: Man mache ihnen ein Ange­bot, das sie nicht ableh­nen können.
Das läßt mich wie­der an mei­ne freund­lich gemein­te, hypo­the­ti­sche Avan­ce der Poli­zi­stin gegen­über den­ken, mir gefäl­lig zu sein. 
Wie lau­tet der Spruch? — Du willst es doch auch!
Frei­wil­lig? Aus eige­nem Antrieb?
Weil sie sel­ber es will?
Es gibt einen Unter­schied zwi­schen “Kör­per haben und Leib sein”, sagt Hel­muth Plessner.
Und ich sage, daß ich der Sou­ve­rän bin in die­sem inti­men Raum zwi­schen mei­nem Leib und mei­ner See­le, alles ande­re ist Vergewaltigung.

Schweigen der Lämmer

Schafe sind nie schuld, oder?

Eine chi­ne­si­sche Ver­wün­schung lau­tet: Mögest Du in inter­es­san­ten Zei­ten leben! — Was heißt „inter­es­sant“, wohl unru­hig, unsi­cher, bedroht, vol­ler Zwei­fel, ver­äng­stigt, viel­leicht sogar panisch.

Seit Men­schen­ge­den­ken wird dar­auf mit Opfer­kul­ten reagiert. Man ver­langt sich was ab und opfert das Teu­er­ste den Göt­tern. — Nichts dage­gen, ich hal­te viel davon, den rich­ti­gen Göt­tern die rich­ti­gen Opfer zum rich­ti­gen Zeit­punkt zu bie­ten, in der Erwar­tung, daß man durch eine sol­che Medi­ta­ti­on auf gött­li­che Kom­pe­ten­zen kommt, wenn man denn die rich­ti­ge Wahl trifft. — Sor­ry, ich sehe das Imp­fen von Kin­dern in die­sem Sin­ne, das alles wirkt auf mich, als wären es Kindsopfer.

Der Hin­ter­grund dürf­te der sein, daß vie­le Kin­der es sich selbst wünsch­ten und die eige­nen Eltern bedrängt haben, ein­fach nur, um end­lich wie­der „nor­mal“ zu sein mit dem Recht dar­auf, die eige­ne Kind­heit leben zu dür­fen. — Das hat mich von Anfang an befrem­det von die­ser Poli­tik, die­sem Staat und die­ser Gesell­schaft. Unge­heu­er zor­nig gemacht hat mich die Drei­stig­keit, über Kin­der und Jugend­li­che her­zu­fal­len, ihnen die Unbe­schwert­heit zu neh­men, ihnen Begeg­nun­gen, Fei­ern, Selbst­er­fah­run­gen zu ver­ei­teln. Gera­de die Aus­gangs­sper­re war spe­zi­ell gegen jun­ge Leu­te gerich­tet. — Und der Ober­prie­ster, der die­se Kinds­op­fer von Anfang an wider bes­se­res Wis­sen gefor­dert hat, war der all­seits geschätz­te Viro­lo­ge Dro­sten, der gewiß kei­ne Ahnung hat von Päd­ago­gik und Psy­cho­lo­gie. Darf sich so einer bei so etwas irren? Nein! 

Ähn­lich hat man aber auch die Erwach­se­nen mit faden­schei­ni­gen Aus­sich­ten erpreßt, mit allen erdenk­li­chen Ver­spre­chun­gen, die dann nicht gehal­ten. son­dern gebro­chen wur­den. Stän­dig neue Zie­le wur­den gesetzt, so daß als­bald der Ein­druck ent­ste­hen muß­te, ein fau­ler Zau­ber soll­te auf­recht­erhal­ten wer­den, aber nicht irgend etwas Ratio­na­les. Der Schein von Ratio­na­li­tät wur­de erzeugt und zur Ein­schüch­te­rung gegen Anders­den­ken­den ein­ge­setzt. Ach und es war so oft aus unbe­ru­fe­nen Mün­dern von Ratio­na­li­tät und Wis­sen­schaft­lich­keit die Rede, man hat alle­dem einen Bären­dienst erwiesen.

Was nun?

Jetzt ist eine Situa­ti­on ent­stan­den, in der Omi­kron zeigt, wie falsch die Hybris war, zu glau­ben, man könn­te in der Liga mit­spie­len, in die­sem Jahr­mil­lio­nen wäh­ren­den Kampf zwi­schen den Wir­ten und den Viren, in dem so etwas wie per­ma­nen­tes Wett­rü­sten vor sich geht, aber auch Kon­struk­ti­ves. Man den­ke doch nur an die Mito­chon­dri­en, die höhe­res Leben erst mög­lich machen. Es sind vie­le Schnip­sel davon im Gene­ti­schen Code, alles poten­ti­el­le Inno­va­tio­nen, die über Viren „her­ein­ge­kom­men“ sind.

Was kön­nen „wir“, nicht viel! Was wis­sen wir, so gut wie nichts! – Von Anfang an war klar, daß da die Evo­lu­ti­on ihre Spie­le spielt. Es wäre klug gewe­sen und nicht ein­fach nur „ratio­nal“, son­dern viel­leicht sogar ver­nünf­tig, das zu tun, was die Mos­ko­wi­ter getan haben, als Napo­le­on mit sei­nen Inva­si­ons­trup­pen kam. Man hat Mos­kau ver­las­sen und den Feind „aus­ge­hun­gert“.

Von den 400 Mil­li­ar­den, die der Wahn geko­stet hat, hät­te man die Kli­ni­ken und Alters­hei­me auf­rü­sten kön­nen in siche­re Bur­gen mit Kon­takt– und Berüh­rungs­mög­lich­keit. Tech­nik kann so gut wie alles, man muß nur das Zau­ber­wort sagen: Koste es was es wol­le! — War­um wur­den die Kli­ni­ken nie wirk­lich opti­miert? War­um hat man das Per­so­nal so allein gelas­sen. War­um hat man nicht gesagt, es gibt das Dop­pel­te und Ver­hält­nis­se, in denen die Moti­va­ti­on nicht kor­rum­piert wird? Wer sich jetzt zur Aus­bil­dung ein­schreibt, der bekommt erst ein­mal den roten Tep­pich und ja, die auto­ri­tä­ren und jetzt auch noch kapi­ta­li­sti­schen Ver­hält­nis­se im Gesund­heits­we­sen sind ein­fach kon­tra­pro­duk­tiv und haben nur dann etwas Mensch­li­ches, wenn sich Mit­ar­bei­ter bis zum Burn­out übernehmen.

Aber der Staat hat sich wie üblich an der Gesell­schaft ver­grif­fen, weil er ein Schlä­ger ist und nie ver­trau­ens­wür­dig war. Nicht von unge­fähr stellt ihn die Mytho­lo­gie der Ägyp­ter als Mon­strum dar, der Pha­rao hat einen Löwen­kör­per und die schreck­li­chen Augen einer Sphinx. Als sol­che ist er eis­kalt, unbe­re­chen­bar und unbe­zwing­bar. — Das ist auch noch unser Staats­ver­ständ­nis, daher wur­de die Gewal­ten­tei­lung erfunden.

Aber die Balan­ce of Power hat ver­sagt wie die Not­strom­ag­gre­ga­te in Fuku­shi­ma, als dort die Wel­le kam. — Die Gewal­ten­tei­lung hat ver­sagt. Die Ober­sten Rich­ter haben sich nicht getraut, der Poli­tik „rote Lini­en“ zu wei­sen. Man hat die Köp­fe zusam­men­ge­steckt beim Din­ner im Kanz­ler­amt, ein Ding der Unmöglichkeit!

Die Mensch­heit ist je fort­schritt­li­cher umso mehr auf den Zufall ange­wie­sen, daß, aus­ge­rech­net dann, wenn es dar­auf ankommt, kei­ne Duck­mäu­ser und exzel­len­te Unfä­hig­kei­ten an den ent­schei­den­den Stel­len sit­zen. Da lobe ich mir die anti­ke grie­chi­sche Demo­kra­tie. Die Ämter wur­den ver­lost, jeder muß­te ran und zwar sofort. – Wer zum Rich­ter ernannt wur­de, muß­te sofort und unver­züg­lich in den Pro­zeß, durf­te nicht erst mit ande­ren spre­chen, konn­te also gar nicht mani­pu­liert werden.

Was nach Omi­kron kommt? Das konn­te man schon bei Del­ta sehen, es ist nicht im Inter­es­se eines Virus, sei­nen Wirt umzu­brin­gen. Wenn er das tut, ist er jung und noch ziem­lich dumm. – War­um wis­sen das unse­re auch so wis­sen­schaft­li­chen Fach­wis­sen­schaft­ler nicht und wenn, war­um sagen sie es nicht? Man muß nur Dar­win lesen. — Statt­des­sen wur­de stets die Dra­ma­queen gege­ben. Dabei merk­te man förm­lich bei den State­ments, das sich fast alle schnell auf die Zun­ge bis­sen, wenn irgend­was gar nicht so schlecht aus­sah. Wie in der Wer­bung hat man die Mutan­ten ver­kauft, jetzt noch schnel­ler, noch töd­li­cher, noch heimtückischer.

Die Angst­ma­che­r­ein der letz­ten viel zu lan­gen Mona­te war nicht nur unver­ant­wort­lich, sie hat vor allem zur Demon­ta­ge der Demo­kra­tie und zum Nie­der­gang der poli­ti­schen Kul­tur geführt. Die Leu­te reden ja gar nicht mehr mit­ein­an­der, man prüft den Ande­ren erst, ob da bestimm­te Trig­ger sind und dann wird gecan­celt. Gesprä­che fin­den nur noch unter Gleich­ge­schal­te­ten statt. Oder man schweigt. Tat­säch­lich, die Mehr­heit schweigt, seit Mona­ten. Und es ist in der Tat har­te Arbeit, in die­ses Schwei­gen hineinzurufen.

Das ist aber nun mal mein Job. Mir ist es gleich, was man mir nach­sagt. Und die vie­len gut­ge­mein­ten Auf­for­de­run­gen, mal nicht ganz so laut zu sein beim Rein­ru­fen, sind falsch. — Es ist mei­ner Repu­ta­ti­on als Phi­lo­so­phen nicht abträg­lich, ich bin es ihr viel­mehr schul­dig, genau das zu tun, was ich immer schon getan habe, wider­spre­chen, auch dann, wenn fast alle auf Tauch­sta­ti­on gehen. So habe ich mich schon vor­zei­ten mit mei­ner gan­zen Kol­le­gen­schaft ange­legt, als ich über den Dis­kurs der Sloterdijk–Debatte ca. 700 Sei­ten geschrie­ben habe mit minu­tiö­sen Ana­ly­sen dar­über, daß es auch unter Phi­lo­so­phen ange­paß­tes Den­ken und eben auch Nicht­den­ken gibt. Das Buch hat ein Namens­ver­zeich­nis, man kann sich also sofort nach­schla­gen. – Gern den­ke ich noch heu­te an die weni­gen, die ein­fach exzel­len­te Noten ver­dient hat­ten, eben weil sie das rich­ti­ge Gespür mit Ver­nunft zusam­men­brin­gen konnten.

Umkehr
Es ist unge­heu­er viel geop­fert wor­den und es hat so gut wie nichts davon gehol­fen. Ja, ja, es hät­te, soll­te, wür­de, müß­te alles noch viel schlim­mer gekom­men sein, wenn nicht? Nein!Corona ist stark, weil die Gesell­schaft so schwach ist, weil der Staat ihr nicht bei­steht, son­dern sich dar­in gefällt, die Gesell­schaft zap­peln zu las­sen und den gro­ßen Zam­pa­no zu geben. — Aber jetzt ist es eine inter­es­san­te Zwi­schen­pha­se wie bei einer Minu­ten­pau­se in der Musik. Danach kommt was. Alles weiß, daß es jetzt kip­pen muß. Alle erdenk­li­chen Vor­zei­chen sind bereits zu erken­nen und wer­den ein­deu­ti­ger. — Und als sie ihr Schei­tern bemerk­ten, ver­dop­pel­ten sie ihre Anstren­gun­gen. Ja, aber auch das geht nicht ewig so weiter.
Jetzt fehlt eigent­lich ein Skan­dal oder einer, der das Zeug hat, hin­rei­chend auf­ge­bauscht zu wer­den. Wie wäre es mit fal­schen Zah­len, wie Söder sie sich gelei­stet hat? Aber es müß­te schon noch ein wenig mehr sein. Alles war­tet doch jetzt auf die Lösung des Rät­sels der Erfolg­lo­sig­keit aller Anstren­gun­gen. Es scheint ja inzwi­schen schon fast so, als wären die Unge­impf­ten siche­rer, ja doch wohl auch des­we­gen, weil sie sich nicht auf einen „Schutz“ ver­las­sen kön­nen und weil sie ja nun aus erzie­he­ri­schen Grün­den lei­der über­all drau­ßen blei­ben müs­sen. Ich las­se mich nicht erzie­hen, ich bin selbst Erzie­hungs­wis­sen­schaft­ler für Erwach­se­nen­bil­dung und hat­te das als Neben­fach in Münster.

Wäh­rend die Impf­pflicht eher nur noch von den unte­ren Char­gen ver­folgt wird und sich alle erdenk­li­chen Zuträ­ger, Bei­trä­ger, Mit­läu­fer, Berufs­be­trof­fe­ne, Gläu­bi­ge, Scharf– und Angst­ma­cher so lang­sam unsi­cher umdre­hen, wer noch alles bei ihnen steht, lich­ten sich die Rei­hen. Es wen­det sich das Wet­ter, das gesell­schaft­li­che Kli­ma kippt. Nur wer möch­te sich denn jetzt mal ein­fach so ein­ge­ste­hen, daß der Club der Kai­ser schon seit Mona­ten nackt ist?

Der­weil will noch nie­mand wirk­lich genau­er hin­se­hen, weil man schon viel zu viel und viel zu lan­ge aufs fal­sche Pferd gesetzt hat. Das sagen auch die Mör­der in den all­abend­li­chen Mord­or­gi­en der Kri­mis im Fern­se­hen immer­zu, man habe jetzt schon so viel auf dem Gewis­sen, da käme es auf etwas mehr auch nicht mehr an. Wenn die­ser Spruch fällt, ist jemand wirk­lich von allen guten Gei­stern verlassen.

Was die Rationalitäten nicht auf den Schirm bekommen

In der theo­lo­gi­schen Spra­che gibt es man­che Begrif­fe, die in Ver­ges­sen­heit gera­ten sind, weil wir ja unse­re wis­sen­schaft­lich-wis­sen­schaft­li­chen Ratio­na­li­tä­ten haben. Ich fra­ge dann immer gern nach den Bedeu­tun­gen, um ganz schnell eine plötz­lich auf­kom­men­de Beschei­den­heit zu pro­vo­zie­ren, zur Not auch zu erzwin­gen. Ein Man­gel an Demut ist das Pro­blem. Auch der Begriff der „Sün­de“ ist von Inter­es­se. Was mag es bedeu­ten, wenn gesagt wird, man habe sich an etwas ver­sün­digt? — Was die Kin­der, die jun­gen Leu­te, die Alten, Demen­ten und Ster­ben­den betrifft, sehe ich das so. Da ist eine rie­si­ge Schuld ent­stan­den und wer trägt sie wie­der ab?
Sobald das spür­bar wird, daß man sich auf­grund von Stur­heit, Selbst­herr­lich­keit und Maß­lo­sig­keit schon seit gerau­mer Zeit auf einem Holz­weg befun­den hat, kommt es zu einem Impuls, für den es in der Theo­lo­gie einen wei­te­ren Begriff gibt. Die­ser Begriff heißt „Umkehr“. Heid­eg­ger hat es mal mit „Keh­re“ ver­sucht, aber das ist und bleibt düster. Auch „Wen­de“ ist so eine Phra­se, aber auch das bleibt eine nur äußer­li­che Sache, als wür­de man sich mal ein­fach so umdre­hen. — Wor­te, die den Tie­fen unse­rer Psy­che gerecht wer­den sol­len, müs­sen selbst Tief­gang haben, sonst brau­chen sie gar nicht erst anzutreten.
Nein, „Umkehr“, wenn man denn dem Begriff sei­ne theo­lo­gi­sche Bedeu­tung auch zuge­steht, das bedeu­tet „Ein­ge­ständ­nis der Schuld“, „Zuge­ben, sich ver­sün­digt zu haben“ und schließ­lich „Buße“. Dann erst kann es wei­ter­ge­hen. Dann kann die Kathar­sis, also die „Rei­ni­gung“, die „Ent­süh­nung“, die „Ver­ge­bung“ und die „Frei­spre­chung von der Schuld“ über­haupt von­stat­ten gehen. — Und da sind wir jetzt, noch kurz vor der Ein­sicht in die Schuld.

Théo­do­re Géri­cault: Das Floß der Medu­sa (1819). Nun, die Kata­stro­phe um das Floß der Medu­sa ent­stand, weil ein unfä­hi­ger aber hoch­wohl­ge­bo­re­ner Kapi­tän auch noch resi­stent war gegen guten Rat. – Die Unglück­li­chen wur­den aus­ge­setzt und sehen am Hori­zont das ret­ten­de Schiff, aber von links kommt eine haus­ho­he Welle.

Man wird sich nicht mehr lan­ge stell­ver­tre­tend an den Unge­impf­ten ver­grei­fen kön­nen, um in ihnen die „Sün­den­böcke“ zu sehen, die ein­fach für alles ver­ant­wort­lich sind.
Bar jeder Ver­nunft sind sie nun mona­te­lang als die wahr­haft „Bösen“ ver­kauft wor­den, nur, weil sie den angeb­lich ganz klei­nen Piks mit dem ganz tie­fen Ver­trau­en in einen Wis­sen­schafts­glau­ben, der selbst wis­sen­schafts­feind­lich ist, nicht mit­ma­chen moch­ten, aus vie­ler­lei Grün­den. — Ja, selig sol­len die sein, die nicht (selbst ein–)sehen und doch glau­ben. Das hät­ten die „Hir­ten“ gerne.
Aber wenn jetzt die Unge­impf­ten als Ket­zer, Ungläu­bi­ge, Teu­fels­men­schen, Unhol­dIn­nen und Staats­fein­de nicht mehr zur Ver­fü­gung ste­hen, was dann? Die dis­kur­si­ve For­ma­ti­on muß dann die­ser Tage kol­la­bie­ren. Wer soll das denn jetzt alles gewe­sen sein? Also wer­den Ablen­kun­gen vor­ge­nom­men. Herr Wie­ler vom RKI könn­te abge­setzt wer­den, da hät­te man schon mal ein Bau­er­op­fer, irgend­wie. Boris John­son, der offen­bar jeden Frei­tag in der Dow­ning Street nicht unbe­rau­schen­de Feste gege­ben hat, wird jetzt abge­sägt. Und Söder hat schon vor Wochen Krei­de gefres­sen, denn sei­ne Fähig­keit, sich äußer­lich zu wan­deln, haben etwas von einem Cha­me­le­on. — Poli­tik macht es erfor­der­lich immer mal die Far­ben zu wech­seln, aber nur äußer­lich, also „glaub­wür­dig“.
Eines muß man dem Söder Mar­kus neid­voll zuge­ste­hen. Ich hät­te es ihm von Her­zen gewünscht, daß er für sei­ne nar­ziß­ti­schen Big–Man–Allüren abge­straft wür­de, daß man ihm als Scharf­ma­cher vor­hal­ten wür­de, was er alles mit ange­rich­tet hat in der Coro­na-Kri­se, was so unge­heu­er schief gelau­fen ist. Ach ja und Frau Mer­kel, die nie vom Ende her­ge­dacht hat, wenn über­haupt. Herr Spahn kann sich glück­lich schät­zen, daß er „weg“ ist. — Man­ches Mal habe ich gedacht, was ist das nur für ein Job, per­ma­nent Erklä­run­gen, Beteue­run­gen und Ver­spre­chen abzu­ge­ben, wie etwa zum hun­dert­sten Mal, daß es kei­ne Impf­licht gäbe. Und dann läßt sich das alles nicht hal­ten, weil man vor ande­rem Hin­ter­grund wie­der die Far­be wech­seln muß.
Ja, die Ren­te ist sicher, eben­so sicher wie das Grund­ge­setz. Auch die Daten in der Luca-App sind sicher vor staat­li­chem Zugriff. — Viel von dem Ver­trau­en, das Staat, Poli­tik und Medi­en noch hat­ten, ist weg.

Nichts ist heilig

Wie hieß es noch in einer die­ser unver­schäm­ten Wer­ke­kam­pa­gnen zum geistig–moralischen Down­gra­de: „Ich bin doch nicht blöd!“ Aber ja doch, gera­den mit die­ser Ein­stel­lung, was könn­te blö­der sein als die­ser Spruch. — Da war dann die Poli­zei in Mainz auch echt nicht blöd und auch die vom Gesund­heits­amt. Man hat auf dem Wege der „Amts­hil­fe“ eine Infek­ti­on ein­fach mal so gefaked, weil man es kann und dann sind die lie­ben Kol­le­gen an die Daten her­an­ge­kom­men. — Geht doch!
Nicht mal Ehr­lich­keit, Lau­ter­keit, Prin­zi­pi­en­treue, Ver­läß­lich­keit geht. Man hät­te sich viel, sehr viel zusätz­li­ches Ver­trau­en ver­die­nen kön­nen. Aber nun? — Jetzt kommt das Scher­ben­ge­richt. Und der Söder Mar­kus hat schon vor Wochen das Södern ganz sein las­sen. Da ist dann FDP-Kubicki, der viel zu still war, als er hät­te laut wer­den müs­sen, auch erst dann über ihn her­ge­fal­len, als sich die Ände­rung im poli­ti­schen Kli­ma längst abzu­zeich­nen begann.
Ja, hin­ter­her sind immer alle über­aus klug. Aber wer erhebt denn von Anfang an Pro­test? Wer hat denn den Mut, aus der Rei­he zu tan­zen? Man­che haben es ja am Anfang getan, sie wur­den aber auf der Stel­le exkom­mu­ni­ziert. Es soll­te nur einen Gott und nur einen Hohe­prie­ster geben und der ver­lang­te den Lock­down, um den Chi­ne­sen mal zu zei­gen, daß wir so etwas auch kön­nen. Eine Gesell­schaft, die so dumm ist, hat in der Tat auch kei­ne bes­se­re Poli­tik ver­dient. — Und was mich am aller­mei­sten stört, auch in der anste­hen­den Buße wird gelo­gen und betro­gen wer­den. Aller­dings wird es dann auch kei­ne „Ver­ge­bung“ geben.
Um das zu ver­ste­hen, muß nie­mand gläu­big sein, es geht auch mit Tie­fen­psy­cho­lo­gie. Wer so viel falsch gemacht hat, wie Poli­tik, Staat und Gesell­schaft die letz­ten Mona­te, hat vie­le Lei­chen im Kel­ler. Täter wer­den es am Anfang glatt ableh­nen, die Ver­ant­wor­tung oder gar Schuld anzu­er­ken­nen. Leug­nung, dann Ver­drän­gung und schließ­lich Rela­ti­vie­rung sind typi­sche Sta­tio­nen im Pro­zeß einer jeden Läuterung.
Das Pro­blem von Tätern ist nur, daß sie stän­dig auf der Hut sein und per­ma­nent dar­auf ach­ten müs­sen, daß nie­mand was merkt. Aber spä­te­stens seit der Syste­mi­schen The­ra­pie kann man auch ohne huma­ni­sti­sche Bil­dung wis­sen, daß es gar kei­ne Geheim­nis­se geben kann, weil wir alle erdenk­li­chen psy­cho­ak­ti­ven Anten­nen besit­zen. Wir haben den Neo­kor­tex ent­wickelt, weil das Sozi­al­ver­hal­ten anson­sten viel zu viel Kopf­schmer­zen berei­tet. Ja, es gibt Din­ge, die sich unse­re Ratio­na­li­tä­ten nicht ein­mal träu­men können.
Ich fra­ge mich aber, wie das gehen soll, die­ses Scher­ben­ge­richt? Wie sol­len wir denn ein­an­der alles­mög­li­che ver­zei­hen? Die neu­ge­schaf­fe­nen Trau­ma­ta, die Ver­let­zun­gen der Wür­de, die Miß­hand­lun­gen der Frei­heit, die­ser unüber­seh­ba­re Ver­trau­ens­ver­lust, das alles läßt sich doch gar nicht wie­der hei­len. Natür­lich wer­den die Mon­tags­de­mon­stra­tio­nen grö­ßer, man wird immer weni­ger herz­haft dar­über her­zie­hen kön­nen. Der­weil ver­sucht man es noch immer mit Dämo­ni­sie­rung und Exkom­mu­ni­ka­ti­on. Wenn jetzt noch mehr Gut­bür­ger­li­che „da“ ein­fach hin­ge­hen? Was soll man denn tun, wenn man was tun möch­te gegen den Ver­fall der Kultur?
Haupt­sa­che, es kommt jetzt nicht auch noch zur Insze­nie­rung von Gewalt.
Ich den­ke, der Main­stream soll­te jetzt auch mal Far­be beken­nen und dazu ste­hen, daß man sich hat Angst machen und ein­schüch­tern las­sen, daß man sich benom­men hat, wie ein arti­ges Kind, daß man sich die Wür­de nicht nur hat neh­men las­sen, son­dern daß man sie frei­wil­lig abge­lie­fert hat. So viel Haus­ar­rest, wofür eigentlich?
Aber wie gewin­nen wir die ver­lo­re­ne Nähe wie­der? Gera­ten wir nicht alle inzwi­schen in Atem­not, wenn uns jemand „zu nahe“ kommt?
Oh wie ist das alles krank, psy­chisch krank!
Wie­der ein­mal hat sich die Gesell­schaft von fal­schen Hir­ten auf Irr­we­ge füh­ren und miß­han­deln las­sen. Wer trägt die Verantwortung?
Scha­fe sind nie schuld, oder?

Ironie in Zeiten Coronas

Wie es ist, Hypochonder zu sein

Ein viel­be­ach­te­ter Auf­satz von Tho­mas Nagel geht der Fra­ge nach, wie es wohl sein wür­de, eine Fle­der­maus zu sein.

Schnell stößt der Autor auf Gren­zen, näm­lich jene, die Lud­wig Witt­gen­stein kon­sta­tiert hat: „Die Gren­zen mei­ner Spra­che, sind die Gren­zen mei­ner Welt“.

Ich war nie son­der­lich ange­tan vom Hype um die­sen Auf­satz von Nagel, denn ich kann­te längst die berüh­ren­den Expe­di­tio­nen in die Wahr­neh­mungs­wel­ten der Tie­re von Jacob von Uex­küll, etwa über die Stu­ben­flie­ge oder, ganz beson­ders „ein­fühl­sam“ über die Zecke. Da hat man näm­lich den Ein­druck, zum besag­ten Tier zu wer­den, weil die Sin­ne redu­ziert wer­den auf das, was noch bleibt: Bei der Zecke ist es ein Geruchs­sinn für But­ter­säu­re, um Säu­ge­tie­re wahr­zu­neh­men und dann noch ein Wär­me­sinn, um dort­hin zu krab­beln, wo war­mes fri­sches Blut fließt.

Auch Nagel kommt auf jene Pro­ble­ma­tik, die hin­ter alle­dem steht, was der Anthro­po­lo­gie Hel­muth Pless­ner ein­mal auf die For­mel gebracht hat vom „Unter­schied zwi­schen Kör­per-Haben und Leib-Sein“. Da gibt es in der Tat eini­ge Dif­fe­ren­zen, da geht eini­ges nicht auf und das liegt nicht an der Phi­lo­so­phie, son­dern es ist selbst phä­no­me­nal, daß und was da nicht auf­geht. — So wird die­ser Tage viel Wert gelegt auf „Acht­sam­keit“, auch als eine Form der Selbst­auf­merk­sam­keit. Aber auch da zeigt sich die­ses Pro­blem, daß wir genau dort, wo es ums Ver­ste­hen die­ser Dif­fe­ren­zen geht, ein­fach nicht nahe genug herankommen.

Wie­viel Selbst­auf­merk­sam­keit ist genug, was wäre zu wenig und was zu viel? Das läßt sich gar nicht beant­wor­ten, weil man dann erst irgend­wo Maß neh­men müß­te. Maß­neh­men woran?

Aber man kann in sol­chen Fäl­len auch mit Extre­men arbei­ten, die selbst etwas Beson­de­res haben im Ver­hält­nis zwi­schen Psy­che und Kör­per, Leib und See­le. So wie es Unauf­merk­sam­keit gibt, so läßt sich auch eine gestei­ger­te Auf­merk­sam­keit beob­ach­ten, die dann irgend­wann etwas viel wird.

Vie­le sind dann schnell mit der Eti­ket­tie­rung bei der Hand, etwas sei „krank­haft“. Das ist so schreck­lich bei Ari­sto­te­les in der von vie­len so geschätz­ten „Niko­ma­chi­schen Ethik“. Als wäre das Mitt­le­re immer die rich­ti­ge Wahl, nie­mals zu viel oder zu wenig, immer in Maßen. Als ob es das wäre.

Ari­sto­te­les konn­te den Epi­gram­ma­ti­ker Fried­rich Frei­herr von Logau (1605–1655) noch nicht ken­nen, des­sen Spruch die unter­be­lich­te­te Ethik spie­lend ad absur­dum füh­ren kann, wie es Dio­ge­nes nicht bes­ser hät­te tun kön­nen: „In Gefahr und gro­ßer Not bringt der Mit­tel­weg den Tod.“ — Und jene selbst­be­ru­fe­nen Men­schen, die mit Urtei­len aus der Hüf­te schie­ßen, um garan­tiert nicht zu tref­fen, sind auch nicht hilf­reich, wenn es heißt, Hypo­chon­drie sei „krank­haft“. Zuge­ge­ben, es ist eine etwas ange­spann­te, ziem­lich per­ma­nen­te Auf­merk­sam­keit, die Fried­rich Nietz­sche dazu gezwun­gen hat, tag­täg­lich den eige­nen Gesund­heits– und Kran­ken­stand in ein eige­nes Tage­buch des Wohl– und eher Unwohl­seins zu schreiben.

Bild: Albrecht Dürer: Selbst­por­trait (1528). Skiz­ze in der er auf ver­grö­ßer­te Milz zeigt.

Wie ist es, Hypo­chon­der zu sein? Das ist die Fra­ge, die nun von beson­de­rem Inter­es­se ist, wegen der Imp­fung, der Per­so­na­lie und der unbe­hol­fe­nen Skan­da­li­sie­rung um Harald Schmidt. Ich hat­te schon vor gerau­mer Zeit dar­über spe­ku­liert, ob er ist oder nicht ist, also „geimpft“. Und es hat mir ein sar­do­ni­sches Ver­gnü­gen berei­tet, dar­über zu spe­ku­lie­ren, daß nun ja wirk­lich zwei Her­zen in sei­ner Brust schla­gen müß­ten. Einer­seits ist das die Angst vor Krank­heit, ande­rer­seits ist da die Angst vor der Imp­fung. — Ja, an alle Wenig­den­ker, das geht auch! Die Phi­lo­so­phie hat sogar einen Namen dafür, es ist eine Apo­rie, eine „Weg­lo­sig­keit“, die eben „ter­ti­um non datur“, ohne ein Drit­tes, also ohne Aus­weg ist. 

Ich bin damals zu dem Schluß gekom­men, er hat nicht und er ist nicht. Rich­tig! Er ist noch immer nicht.

Das kam auf eine köst­lich ver­klau­su­lier­te Wei­se über den Kon­text her­aus. Lustig ist, daß die Impf–Sitten–Wächter das noch immer nicht bemerkt haben. Und natür­lich äußert sich sein Manage­ment zu die­ser Peti­tes­se nicht. Er sei gera­de im Urlaub. Sie wür­den dem begna­de­ten Enter­tai­ner damit ja sei­ne Poin­te und sei­ne Extra–Lektion in Rhe­to­rik ver­mie­sen, die er einer ent­setz­ten Öffent­lich­keit ver­ab­reicht hat.

Noch lusti­ger ist, daß sich nie­mand traut, über Harald Schmidt her­zu­fal­len wie über Sport­ler oder Schau­spie­ler auf eine mit­un­ter ein­fach nur unver­schäm­te Art und Wei­se. Man hät­te es aller­dings mit einem rhe­to­risch gna­den­los Begna­de­ten zu tun. — Hat sich Lau­ter­bach eigent­lich schon zum Impf­sta­tus von Schmidt geäußert?

Das Argu­ment von der „Vor­bild­funk­ti­on von Pro­mi­nen­ten“ lese ich gera­de, oh. Es mag Pro­mi­nen­te geben, deren Beruf es ist, pro­mi­nent zu sein, aber bei Harald Schmidt wäre zu klä­ren, wie es wohl sein mag, Hypo­chon­der zu sein. — Das mag selbst schon wie­der hei­kel erschei­nen, das der­art an die gro­ße Glocke zu hän­gen, hät­te er sich nicht selbst in einer köst­li­chen Steh­greif-Par­odie dar­über lustig gemacht, wie es ist, Hypo­chon­der zu sein.

Aber gewiß ist der Impf­sta­tus pri­vat. Das geht nie­man­den etwas an und genau­so hält er es auch. Dabei sind über­all Iro­nie­si­gna­le aber nur weni­ge checken es. Was sei­nen Impf­sta­tus, die Fra­ge aller Fra­gen betrifft, so müs­se er vor­sich­tig sein, sonst gäbe es etwas auf den Alu­hut und dann kommt die ver­schmitzt zurecht­ge­leg­te For­mel im Wort­laut des Scholzo­ma­ten, er sei auf dem besten Wege zu 2G. — Köstlich!

Aber fast alles irr­lich­tert in der gar nicht mehr so frei­heit­li­chen Repu­blik. Man­che möch­ten sich gern dar­über sehr erre­gen, daß er dann auch noch Wit­ze über Coro­na macht.

Nur weni­ge sind nicht her­ein­ge­fal­len und haben sich nicht vor­füh­ren las­sen im Nicht­den­ken. In der Welt vom 7. Janu­ar kon­sta­tiert Mla­den Gla­dić den gei­sti­gen Niveau­ver­fall unter dem Titel: „Harald Schmidt und sein Impf­sta­tus“. Köst­lich, weil sich da einer ein­schwingt in den Sound. — Phi­lo­so­phie­ren ist eben wie Jazz, man soll­te den Ein­satz nicht ver­pas­sen und impro­vi­sie­ren kön­nen. Und zu Recht wird moniert, daß unse­re Gegen­wart kaum noch fähig ist, sich auf die­sen Sound einzulassen:

„Ich bin auf einem guten und ver­nünf­ti­gen Weg, 2G zu erfül­len“, sagt Harald Schmidt in einem Inter­view. Und alles rät­selt: Ist Schmidt unge­impft, gar Impf­geg­ner? War­um unse­re Gegen­wart kaum noch fähig ist, sich auf den Schmidt–Sound ein­zu­las­sen. Und was die Sät­ze des Ex–Talkers signalisieren.

Im jüng­sten Inter­view mit Harald Schmidt in der „Neu­en Zür­cher Zei­tung“ bemerkt sein Gesprächs­part­ner gleich am Anfang: „Wir dür­fen uns nicht im Hotel tref­fen, weil Sie weder geimpft noch gene­sen sind.“ Schmidts Ant­wort: „Daß ich nicht geimpft sei, das behaup­ten Sie ein­fach so, und ich las­se das mal so ste­hen. Mitt­ler­wei­le habe ich mir eine Olaf–Scholz-Formulierung über­legt: ‚Ich bin auf einem guten und ver­nünf­ti­gen Weg, 2G zu erfül­len.’ Das läßt alles offen. Mehr möch­te ich dazu nicht sagen, sonst gibt’s schnell was auf den Alu­hut.“ Eine Ant­wort, die uns merk­lich über­for­dert und prompt der Skan­da­li­sie­rung anheim­ge­fal­len ist.

Alles hat auch eine ande­re Sei­te, die meist nicht gese­hen wer­den soll, das gilt für das Rau­chen, eben­so wie für Hypo­chon­drie. Die erhöh­te Auf­merk­sam­keit auf Dif­fe­ren­zen zwi­schen Leib und See­le, Psy­che und Kör­per sorgt auch für ein hohes Niveau einer Acht­sam­keit, die ein Enter­tai­ner wie Schmidt stets mit einer gewis­sen Leich­tig­keit bewie­sen hat. Schön waren immer die Pas­sa­gen, in denen er hat durch­blicken las­sen, wie er es macht. Zum Bei­spiel die Lacher, von denen es wel­che gäbe, die Grenz­wer­tig­keit signa­li­sie­ren. — Ich schlie­ße dar­aus, daß die erhöh­te Auf­merk­sam­keit sich sonst­wo­hin aus­ge­dehnt hat, Befind­lich­kei­ten wahr­neh­men zu kön­nen, die auch dem Intel­lekt bei alle­dem Freu­de berei­ten, eine, die ganz gern auch mal die vor­füh­ren, die ande­re immer­zu vor­füh­ren, in dem Glau­ben, sie hät­ten die Moral für sich gepach­tet. Den­ken bräuch­te es nicht, wenn man ohne­hin schon im Recht ist. 

Übri­gens, schon mal vom “Mor­bus Goog­le” gehört, auch die Hypo­chon­drie geht mit der Zeit als Cyber­chon­drie. — Mei­ne per­sön­li­che Erfah­rung ist, daß sich vie­les aufs erste Mal goo­geln läßt aber nicht das, was Ärz­ten regel­mä­ßig auf Par­tys wider­fährt, wenn sie sich als eben­sol­che outen. Sogleich rob­ben sich man­che her­aus, nut­zen die Gele­gen­heit, machen sich schon mal ein wenig frei und wei­sen dann auf sich selbst, sie hät­ten da so ein Zie­hen, manch­mal auch ein Stechen.

Ich woll­te mal Heil­prak­ti­ker wer­den, war schon im Stan­dard­kurs an der Uni in Mün­ster: “Phy­sio­lo­gie für Psy­cho­lo­gen”. Bis ich dann gemerkt habe, daß ich mit man­chen Kran­ken nicht klar­kom­me. Jetzt bin ich es nur so neben­her und das erleich­tert sehr.


Demut schützt vor Hybris

Hochmut kommt vor dem Fall

Es ist mehr als nur eine Geste der Beschei­den­heit, es ist auch eine Ver­nei­gung, wenn man kon­sta­tiert, bei aller Grö­ße sei man selbst nun auch nicht vor­aus­set­zungs­los. — Wie irre muß man eigent­lich sein, das als Demü­ti­gung zu emp­fin­den. Tat­säch­lich geht es um die Wür­de der Gesellschaft.

Ähn­lich irre mei­nen ja auch Ver­tre­ter der Wirt­schaft, daß sie der Gesell­schaft von Nut­zen sei, ein­fach weil sie Geschäf­te macht, um dabei die Infra­struk­tur, die Bil­dung, das Recht­sy­stem und die Infra­struk­tur ein­fach kosten­los zu nut­zen. Wie­so soll man sich denn an den Vor­aus­set­zun­gen beteiligen?

Das ist auch die wirk­lich gemein­ge­fähr­li­che Visi­on der Super­rei­chen, die offen­bar dabei sind, genau die­se Dys­to­pie wirk­lich wer­den zu las­sen. — Die Gated com­mu­ni­ty, die geschlos­se­nen und bewach­ten Wohn­an­la­gen, in denen Pri­vat­recht herrscht, sind bereits das erste Zei­chen die­ser unheil­vol­len Ent­wick­lung. Dort gibt es ja schon Pri­vat­po­li­zei, wie wäre es denn mit einem eige­nen Rechtssystem?

Es ist ein Gebot von Demut und Beschei­den­heit, gene­rell anzu­er­ken­nen, daß das, was man ist, kann und gelei­stet hat, ob Gewinn oder Ver­lust, Sieg oder Nie­der­la­ge, im Zwei­fels­fall den Göt­tern oder son­sti­gen höhe­ren Mäch­ten zu ver­dan­ken ist. Wo das nicht geschieht, dort wird es immer gefähr­li­cher, denn dann kommt Hybris auf. Das ist nicht nur Hoch­mut, son­dern Dumm­heit, weil man sich und die eige­nen Kom­pe­ten­zen dabei ganz erheb­lich über­schätzt. Natür­lich muß es dann zu Kata­stro­phen kommen.

Die Demuts­for­mel von den „Vor­aus­set­zun­gen, die man selbst nicht geschaf­fen hat“, muß wirk­lich von Her­zen kom­men. Denn dann ver­steht man sich als das, was man ist, ein ziem­lich klei­nes Teil eines reich­lich gro­ßen Gan­zen, das man nicht nur nicht in der Hand hat, son­dern zumeist nicht ein­mal ver­steht. Ich emp­feh­le zunächst eine Roß­kur mit Luhmann–Lektüre gera­de für Welt­ver­bes­se­rer, wie ich selbst einer bin. Und dar­über hin­aus muß auf jeden Fall sehr viel mehr Phi­lo­so­phie in die öffent­li­chen Debat­ten, denn es ist ein­fach ganz schreck­lich, was da so tag­ein tag­aus an Böcken geschos­sen wird. Als wür­de neu­er­dings man­geln­des Den­ken belohnt.

Es besteht die Gefahr, daß man mit dem besten Wil­len und noch bes­se­ren Absich­ten ganz schlim­mes Unheil anrich­ten kann. — Daher hat man die Gewal­ten­tei­lung erfun­den und den Mono­the­is­mus auf der Ebe­ne von Staats­theo­rie und Rechts­phi­lo­so­phie schon seit lan­gem über­wun­den. Nur, daß die Leu­te es nicht ver­ste­hen, weil sie größ­ten­teils noch in Mär­chen­wel­ten leben. Immer­zu wird gequatscht, wie im Kin­der­gar­ten, es soll­ten für alle die­sel­ben Regeln herr­schen, das müs­se doch alles zen­tra­li­stisch, aus einem Guß, ohne Aus­nah­men, selbst­ver­ständ­lich mit har­tem, här­te­stem, ach, dra­ko­ni­schen Maß­nah­men. Seufz. — Nein!

Das Gegen­teil ist rich­tig. Auch Schwarm­in­tel­li­genz braucht erst ein­mal Zeit, sich zu ent­wickeln und eine gute Päd­ago­gik, die Gele­gen­hei­ten schafft, daß sie sich auch ent­fal­ten kann.

Was tut man, das Gegen­teil. Jetzt soll auch noch tele­gram ver­bo­ten wer­den, so wie es den tota­li­tä­ren Staa­ten nun auch nicht gefällt, daß die Leu­te ein­fach so, also unkon­trol­liert mit­ein­an­der reden. Sor­ry, geht es noch?

Das Gegen­zeit ist rich­tig! Es soll eine arg­wöh­ni­sche und eifer­süch­ti­ge Feind­schaft zwi­schen den staat­li­chen Gewal­ten herr­schen! Es soll, darf und kann nicht alles in einer Hand lie­gen. – Die­se Lek­ti­on soll­ten alle aus der Geschich­te längst bezo­gen haben.

Wie­so kommt das Gesund­heits­amt in Mainz die­ser Tage einer Bit­te der Poli­zei nach und simu­liert einen Infek­ti­ons­fall, um an Daten der Luca-App zu kom­men, um eine Straf­tat auf­zu­klä­ren? Ich habe mei­ne Teil­nah­me nun­mehr deinstal­liert. — Wer „prag­ma­tisch“ wird, ist nur ein Mensch ohne Prin­zi­pi­en und soll­te gar nicht in Staats­dien­ste über­nom­men wer­den. Wo zum Prag­ma­tis­mus auf­ge­for­dert wird, wol­len Leu­te pfu­schen und nur das. War­um, weil sie die Demuts­for­mel nicht beherrschen.

Das Leben ist kom­pli­zier­ter und auch das Ver­hält­nis zwi­schen Staat, Gesell­schaft, Gemein­schaft und Iden­ti­tät ist es. Es ist ein­fach gro­ber Unfug, wenn so getan wird, Gesell­schaft und Staat, das alles sei das­sel­be. Nein, ist es über­haupt nicht! – Im Pro­zeß der Zivi­li­sa­ti­on haben Köni­ge klei­ne Häupt­lings­tü­mer unter­wor­fen und in Gesell­schaf­ten gezwun­gen. So sind die ersten Staa­ten entstanden.

Staa­ten sind in die­sem Sin­ne noch immer die Unter­drücker gan­zer Gesell­schaf­ten und die Unter­jo­cher von Gemein­schaf­ten, die dann als Min­der­hei­ten titu­liert und dar­über hin­aus ver­un­glimpft und ent­mensch­licht wer­den. Das sieht man allent­hal­ben aber nun auch immer unver­blüm­ter im angeb­lich frei­en Westen. Im Westen galt bis­her noch ein gewis­ser Stil.

Der Staat lebt nicht für, son­dern von der Gesell­schaft, eben­so wie die Wirt­schaft. Sie ist die Kuh, die alle besit­zen, mel­ken und am lieb­sten schlach­ten würden. 

Im wohl­ver­stan­de­nen eige­nen Inter­es­se ist jedoch wärm­stens zu emp­feh­len, sich die Demuts­for­mel zu Her­zen zu neh­men. Denn ein Para­sit ohne Wirt sieht alt aus. Es wäre viel klü­ger, wenn der Para­sit zum Sym­bi­onten wird. Genau das steckt ja auch hin­ter der Gewal­ten­tei­lung. Und die­ses Thea­ter wird auch schon häu­fig insze­niert. Es kommt aber noch immer nicht von Herzen.

Die uralte Bru­ta­li­tät, die übri­gens erst mit der Zivi­li­sa­ti­on in die Welt gekom­men ist, schlägt noch immer durch. — Daher nun mal kein histo­ri­scher Ver­gleich, son­dern eine Allegorie.

Der Staat ist ein Schlä­ger, immer schon, ein bru­ta­ler Aus­beu­ter und nicht eben ein Freund der Gesell­schaft, son­dern ihr Unter­drücker, eigent­lich ihr Zuhäl­ter. Natür­lich ist die­sem am Wohl­erge­hen sei­ner „Lieb­ste“ gele­gen. — Aber wie macht man dar­aus all­mäh­lich ein aus­ge­wo­ge­nes Verhältnis?

Wie oft ist es allein in den letz­ten 200 Jah­ren dazu gekom­men, daß der Staat die Gesell­schaft miß­braucht, geschän­det, ver­kauft, geschä­digt, aus­ge­beu­tet, ernied­rigt und auf den fal­schen Weg geführt hat? Her­aus aus dem Glück und der Hoch­kul­tur in der Auf­bruch­stim­mung um 1900, hin­ein in den Krieg. War­um? Weil eine „Éli­te“ kei­ne Demo­kra­ti­sie­rung woll­te. — Moder­ne ja, aber nur nach mili­ta­ri­sti­scher Manier, spä­ter dann als Faschis­mus. Man will die Vor­zü­ge, aber nicht die Nacht­tei­le, näm­lich „mehr Demo­kra­tie“ wagen.

„Das Geheim­nis des Glücks ist die Frei­heit, und das Geheim­nis der Frei­heit ist der Mut.“ (Peri­kles, um 500 – 429 v. Chr., athe­ni­scher Poli­ti­ker und Feld­herr, Quel­le: Thuky­di­des, Geschich­te des Pelo­pon­ne­si­schen Krieges.)

Genau das spiel­te sich damals ab im alten Athen, als die Grie­chen sich gegen die über­mäch­ti­gen Per­ser weh­ren muß­ten. Sogar das Ora­kel von Del­phi lag falsch. Natür­lich war es unwahr­schein­lich, daß die Grie­chen das durch­stün­den. Aber es gab da einen Mann namens Peri­kles, ein begna­de­tet Stra­te­ge und Rhe­tor, der dafür sorg­te, daß der gemei­ne Mann auf eige­ne Kosten mit in den Krieg zog und nicht nur der Adel, der ja im Zwei­fels­fal­le doch ein wenig schwach ist, wenn es wirk­lich dar­auf ankommt. 

Aber und das ist der Gag: Also for­der­te der gemei­ne Mann dann aber auch bei der Herr­schaft im Staat mit­zu­wir­ken. So ent­stand die erste Demo­kra­tie, in der nicht in Ämter gewählt wur­de, son­dern sie wur­den ver­lost und es war Pflicht, dem nach­zu­kom­men. Man soll­te viel­leicht wie­der das Los ent­schei­den las­sen, dann hät­te das Glück wenig­stens eine Chance.

Das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt trägt den größ­ten Teil der Ver­ant­wor­tung für den Nie­der­gang der Demo­kra­tie in der Corona–Krise, für die Spal­tung der Gesell­schaft und dafür, daß die Poli­tik inzwi­schen über Hecken und Zäu­ne geht. Es wäre an der Zeit gewe­sen, die Demuts­for­mel in Erin­ne­rung zu rufen und zu kon­sta­tie­ren, daß der Zweck die Mit­tel nicht hei­li­gen kann, wenn es gegen Grund­ge­set­ze geht und ein­fach alles, was hei­lig ist.

Franz von Stuck: Dis­so­nanz (1910).

Hät­te das nicht mehr ehren­wer­te Gericht doch die Poli­tik in Gren­zen ver­wie­sen. Das hät­te die Poli­tik ent­la­stet, denn sie hät­te immer sagen kön­nen, es sei­en ihr nun mal die Hän­de gebun­den. Sie kön­ne nur und müs­sen daher mehr Eigen­ver­ant­wor­tung wagen, der Staat wäre dar­auf ange­wie­sen, daß die Gesell­schaft ihm Vor­aus­set­zun­gen schafft, die er nicht her­bei­zwin­gen kann.

Schön wäre es gewe­sen, wir hät­ten dann eine Zivil­ge­sell­schaft mit Ach­tung vor dem Gesetz und der Gesell­schaft und vor Anders­den­ken­den bekom­men. Wir hät­ten eine Soli­dar­ge­mein­schaft, die heu­te nur noch ange­führt wird, um Druck gegen Anders­den­ken­de zu erzeu­gen. Wir hät­ten den Schritt vom Obrig­keits­staat in die Zivil­ge­sell­schaft geschafft, das wäre nach 1989 so etwas gewe­sen wie eine Meta­mor­pho­se. Aus der häß­li­chen Rau­pe der Deut­schen wäre ein Schmet­ter­ling geworden…

Klingt das zu naiv, nun, naiv sind vor allem die Mora­li­sten die­ser Tage, denn sie geben vor, alles abzu­wä­gen, dabei sind sie nur Denk­ver­wei­ge­rer. Und so fragt man sich: Was ist schlim­mer, Quer­den­ken oder Nichtdenken?


Berühren verboten!

Aber Gedanken sind frei

Der Ver­lust an Nähe ist das eigent­li­che Pro­blem. Ein Eis­berg, von man die Tie­fen nur ahnen kann.

Seit Ischgl wis­sen wir, es kommt auf die Virus­last an. Man infi­ziert sich kaum im Vor­bei­ge­hen, auf die Gefah­ren der Nähe kommt es an.

Kul­tur ist am Feu­er ent­stan­den. Vor­ne wird man gut ange­bra­ten und von hin­ten friert es. Also rückt man noch näher anein­an­der und reibt sich gegen­sei­tig den Rücken. Und dazu wer­den berau­schen­de Sub­stan­zen gereicht. Man starrt wie hyp­no­ti­siert ins Feu­er, öff­net sich dem Ande­ren, dann wird erzählt…

So sind die ersten Geschich­ten der Mensch­heit aus­ge­tauscht wor­den. Und wäh­rend man da so sitzt, krei­sen drum­her­um die Unge­heu­er. Woh­li­ge Schau­er lau­fen über den Rücken. Das ist Geborgenheit.

Und dann steckt man die Köp­fe zusam­men. Wie oft saßen wir näch­te­lang schwit­zend bei­ein­an­der. Im Nebel aller erdenk­li­cher Kör­per­aus­dün­stun­gen.  Men­schen sind Säu­ge­tie­re, sie machen sehr viel mit der Nase. Auch die Wahl von Part­nern und Freun­den geht über den Geruch.

Aber jetzt traut man sich nicht ein­mal mehr, die Nasen­flü­gel zu blä­hen. Es liegt womög­lich Coro­na in der Luft. Also bes­ser nicht all­zu tief und frei atmen. Als wäre Nähe inzwi­schen nur noch etwas für Lebensmüde. 

John Col­lier: Cir­ce (1885).

Was der Ver­lust an Nähe mit den Men­schen macht, dürf­te eben­so gefähr­lich sein, wie die Äng­ste, die Kin­der in den Sui­zid trei­ben. Wie soll man Kin­dern, Demen­ten und Ster­ben­den erklä­ren, daß Nähe gefähr­lich gewor­den ist.

Es ist, wie eine Umpro­gram­mie­rung. Man soll Nähe zulas­sen, sich berüh­ren las­sen, empa­thisch sein, ande­re auch gern ein­fach umar­men, weil es mehr ist als eine Geste, es ist ein Bekennt­nis der Mit­mensch­lich­keit.  Und jetzt?

Das ist wohl der Grund, war­um der Haß immer grö­ßer wird.

Berüh­ren ver­bo­ten! Nähe ist ver­däch­tig geworden.

Kul­tur ist Nähe, also gefähr­lich. Den­ken sowieso.

Aber Phi­lo­so­phie fin­det im Kopf statt. Die Gedan­ken sind frei.


Verstehen

Über Sacha Lobos „Denkpest“

und die Steingärten des Denkens

Han­nah Are­ndt stell­te sich im Inter­view mit Gün­ther Gaus vor mit dem Satz: „Ich will ver­ste­hen!“ Das spricht mir aus dem Her­zen. Ich muß, was ich ver­ste­hen will, über­haupt nicht tei­len und der­sel­ben Mei­nung sein. Ich muß es nur nach­voll­zie­hen kön­nen, denn Ver­ste­hen ist eine Art Mit–Sein. Nicht–Verstehen, Unver­ständ­nis, Falsch­ver­ste­hen, Miß­ver­ste­hen, das alles ist pro­ble­ma­tisch und gewis­ser­ma­ßen unphilosophisch. 

Soll­ten wir näm­lich auf fal­scher Grund­la­ge zu einem Urteil oder zu einer Reak­ti­on gelan­gen, ist das alles natür­lich auch falsch. Wir hät­ten dann ja rein gar nichts ver­stan­den, glaub­ten aber den­noch, dar­über auch noch abschlie­ßend urtei­len zu kön­nen.  Die Kunst des Zuschau­ers ver­langt daher, ohne Ansicht der Per­son, der Par­tei und auch ohne Anse­hen der eige­nen Vor­ur­tei­le mög­lichst alles in Betracht zu ziehen. 

In der Denk­pra­xis ist das binä­re Kodie­ren, wonach alles ent­we­der ganz wahr oder ganz falsch ist, natür­lich völ­lig naiv. Es gibt immer irgend­ein Fünk­chen Wahr­heit und sei es noch so klein.

Ein Wort von Sacha Lobo die­ser Tage läßt tief durch­blicken und erah­nen, wie mili­tant Par­tei­lich­keit prak­ti­ziert wird. Er spricht allen Ern­stes von der „Denk­pest“ die­ser Tage. Er meint wohl, ande­re sol­len nicht so viel nach­den­ken, es sei denn, man däch­te das Den­ken der Vor­be­ter, wie er einer ist. Den­ken ist aber nun mal kein Nachbeten.

Ich habe mehr­fach in mei­nem Buch ernst­haf­te Ver­su­che unter­nom­men, den Gip­fel der Ver­schwö­rungs­theo­rien zu erklim­men, den QAnon-Mythos. Der Mega–Plot hat was, denn wir leben ja angeb­lich darin.

Das ist ja alles auch span­nend: Also, in der Nähe des ein­zig wah­ren Prä­si­den­ten Trump soll sich ein gewis­ser Herr Q auf­hal­ten, der wie ein guter Geist die­sem geschei­te­sten aller Prä­si­den­ten dabei hel­fen soll, den „Deep Sta­te“, den Sumpf einer ver­schwo­re­nen Éli­te und das gan­ze Macht­kar­tell ihrer Pri­vi­le­gi­en aus­zu­trock­nen. Anwei­sung von der Regie: Bit­te nicht dar­auf ach­ten, daß Trump doch selbst einer von denen ist…

Gene­ral­an­wei­sung der Regie: Gene­rell bit­te nicht zu sehr auf Wider­sprü­che und vor allem nicht auf Selbst­wi­der­sprü­che ach­ten. Auch das Ock­hams Rasier­mes­ser, also das Prin­zip der Den­k­öko­no­mie, darf vor­erst nicht zum Ein­satz kom­men! Es gibt eine gan­ze Rei­he phi­lo­so­phi­scher Metho­den, die bei die­sem Selbst­ver­such nicht zum Ein­satz kom­men dür­fen, will man den Gip­fel die­ser Ver­schwö­rung erklimmen.

Die Kunst des Zuschau­ers macht es erfor­der­lich, jede belie­bi­ge Per­spek­ti­ve ein­neh­men zu kön­nen, also auch sol­che. Es ist aller­dings aben­teu­er­lich, dort über­haupt hin­zu­ge­lan­gen. Am besten ver­sorgt man sich gleich zu Beginn die­ses Weges mit pas­sen­den Alle­go­rien. Zum Bei­spiel wirkt der Weg, um auf den Berg die­ser Ver­schwö­rung zu kom­men, eher mär­chen­haft. Es scheint, als wäre es eine ver­rück­te Welt, bes­ser noch, als wäre es nicht wirk­lich die­se Welt, son­dern eine mit sehr viel Phan­ta­sie und Absurditäten.

Das fiel mir auf, als ich heu­te einen Arti­kel las über die­sen QAnon–Schamanen beim Sturm auf das Kapi­tol. Ich habe sodann ver­sucht, mir  aus sei­ner Per­spek­ti­ve  sei­ne Moti­ve zu eige­nen zu machen, ohne sie zu tei­len. Ich will ein­fach nur ver­ste­hen, wie man ticken muß, um wie er zu sein.

Es sei kein Angriff auf die­ses Land gewe­sen, das sei nicht sein Motiv, sag­te Jake Ange­li dem US-Sen­der CBS News in sei­nem ersten Inter­view nach sei­ner Ver­haf­tung. „Ich habe ein Lied gesun­gen, das ist Teil des Scha­ma­nis­mus. Es geht dar­um, posi­ti­ve Ener­gie in einer hei­li­gen Kam­mer zu erzeu­gen“. Sei­ne Absicht sei es gewe­sen, „Gott zurück in den Senat zu brin­gen“. Des­we­gen habe er dort „ein Gebet gespro­chen.“ Nun das klingt sub­jek­tiv glaubwürdig. 

Er wuß­te also, daß er einen Ort mit gro­ßer Bedeu­tung doch eigent­lich als Unbe­ru­fe­ner ein­fach so besetzt und damit doch viel­leicht eher selbst ent­weiht hat. Ich hät­te nicht übel Lust auf einen Dis­put mit ihm genau darüber.

Übri­gens kom­men jetzt gewiß bei eini­gen Nicht–Facklern und Durch­grei­fern die übli­chen For­mu­lie­run­gen auf wie: „Spielt doch kei­ne Rol­le, was er sich dabei gedacht hat. Ab ins Gefäng­nis und Schluß mit der Debatte!“

Vor­sicht, das Bild die­ses sin­gen­den QAnon–Schamanen ist zur Iko­ne gewor­den, viel­leicht auch, weil es das schlech­te Gewis­sen bedient, den india­ni­schen Urein­woh­nern gegen­über. Die­se Bil­di­ko­ne ist in aller Köp­fe und wirkt, auch auf die stol­zen Besit­zer von Stein­gär­ten des Den­kens, in denen garan­tiert nichts mehr wächst.

Aber genau dar­um geht es doch eigent­lich: Gedan­ken anzu­züch­ten wie in der Infek­tio­lo­gie, um zu sehen, was sie eigent­lich für wel­che sind. Und natür­lich tref­fen auch Phi­lo­so­phen ihre Schutz­maß­nah­men.  Ich muß zuge­ben, daß das Ver­ste­hen-Wol­len manch­mal etwas zu viel wird. Mir ist mehr­fach wie bei einem kollos­sa­len System­feh­ler das gan­ze Den­ken zusam­men­ge­bro­chen. Rat­sam wäre es, wenig­stens nicht auch noch an den Ästen sägen, auf denen man gera­de sitzt.

Nun macht das Ver­schwö­rungs­den­ken ja des­we­gen so gro­ße Pro­ble­me, weil man es „nach­woll­zie­hen“ will, um es aus sei­ner Per­spek­ti­ve zu ver­ste­hen, weil aber immer­zu behaup­tet wird, das alles sei wirk­lich wirk­lich wirk­lich. Also das mit der Piz­ze­ria, in deren Kel­ler klei­ne Kin­der ver­kauft wer­den, das mit der Schup­pen­haut von “Bill Gates”, den ich in sei­ner Rol­le als ange­maß­ter Welt­ge­sund­heits­mi­ni­ster völ­lig inak­zep­ta­bel fin­de, das mit dem “Deep Sta­te” oder auch das mit dem “Gre­at Reset”, also dem „Men­schen­aus­tausch“. 

Alle die­se Theo­re­me brin­gen den­ke­risch ganz erheb­li­che Bela­stun­gen mit sich, es sind Attacken, die schnell zur System­über­la­stung füh­ren, so daß zusam­men­bre­chen muß, was eigent­lich obli­ga­to­risch wäre. Das macht die Gesprä­che mit akti­ven Verschwörungstheorie–Anhängern so schwie­rig, weil man schnell kon­fus wird dar­über, daß sie von eins aufs ande­re kom­men. Alles hängt mit allem zusam­men, gewiß, nur sieht man es auch beim besten Wil­len nicht. 

Mein Lieb­lings­satz aus der Etho­lo­gie lau­tet fol­gen­der­ma­ßen: Der Scha­ma­ne Kat­ka sieht auf einem Baum eine Hexe. Ich sehe, wie Kat­ka die Hexe sieht, sehe aber selbst die Hexe nicht. Nun damit soll­te man schon klar­kom­men, als Eth­no­lo­ge und auch als Philosoph.

Mit dem hypo­the­ti­schen Für-Wahr-Hal­ten ist das so eine Sache. Da irren die Stein­gar­ten-Besit­zer nicht. Und die Denk­pest von Sacha Lobo for­dert tat­säch­lich ihre Opfer, wenn man denn kei­ne Metho­den hat und noch dazu die Hosen voll. Es könn­te sich ja irgend­was Unge­heu­er­li­ches als wahr her­aus­stel­len und was dann? Daher die Stein­gär­ten, in denen gleich gar nichts wächst. 

Aber ich habe mich nie damit zufrie­den­ge­ge­ben, nur über Ver­schwö­rungs­theo­rie zu reden und mich dar­über bil­lig zu amü­sie­ren. Ich habe es mehr­fach und immer wie­der anders ver­sucht, obwohl so ein Break­down ziem­lich viel kostet. Es dau­ert, bis man danach eini­ger­ma­ßen auf der Höhe ist und sich wie­der selbst über den Weg trau­en kann, von wegen: All Systems Running.

Ich hat­te bereits bei vor­an­ge­gan­ge­nen Unter­su­chun­gen fest­stel­len kön­nen, daß man­che der Ereig­nis­se, von denen in den Verschwörungs–Theoremen gespro­chen wird, tat­säch­lich in der Mensch­heits­ge­schich­te vor­ge­kom­men sind, wie etwas der “Menschen–Austausch”, etwa mehr­fach durch die Pest oder auch durch die Sint­flut, also den Ein­bruch des Schwar­zen Mee­res, was inzwi­schen nach­weis­bar gewor­den ist. 

Mit der Hypo­the­se, daß wir das alles prä­sent haben im kol­lek­ti­ven Unbe­wuß­ten, läßt sich dann auch nach­voll­zie­hen, war­um die­se Hor­ror­vor­stel­lun­gen prä­sen­ter erschei­nen als sie es sind. Das ist dann auch der ent­schei­den­de Aspekt, daß so etwas statt­fin­den kann und auch bereits gesche­hen ist, daß man aber  jetzt kommt Ock­hams Rasier­mes­ser doch zum Ein­satz nicht ohne wei­te­res behaup­ten darf, daß bei­spiels­wei­se jetzt der “Gre­at Reset” wie­der unmit­tel­bar bevorstünde.

Man macht die­se Behaup­tung gern fest anhand eines Appells von Klaus Schwab, dem Lei­ter des Bon­zen­fe­sti­vals in Davos, genannt Welt­wirt­schafts­fo­rum. Auch da läßt sich die Per­spek­ti­ve durch­aus über­neh­men. Es ist vom „Gre­at Reset“ die Rede, weil es um die men­schen­ge­mach­te Welt öko­lo­gisch, öko­no­misch und poli­tisch über­haupt nicht gut­steht. Es braucht in der Tat einen Kurs­wech­sel, ein Update, einen Reboot, um die Meta­pher voll zur Gel­tung zu brin­gen. Aber nun anzu­neh­men, es käme dabei auf einen Gen–Austausch etc. an, ist reich­lich bei den Haa­ren her­bei­ge­zo­gen und bedürf­te daher eigens einer hin­rei­chen­den Begrün­dung, war­um das denn doch gel­ten soll, war­um die­se Behaup­tung glaub­haft sein soll.

So weit so gut. Das genügt mir aber noch nicht, denn es ist noch nicht hin­rei­chend für das Ver­ste­hen. Bis ich heu­te dar­auf kam, wie man auch und ganz bewußt mit Ver­schwö­rungs­theo­rien umge­hen könnte.

Es sind Träu­me. Daher haben sie alle Rech­te von Träu­men und so gut wie kei­ne Pflich­ten. Denn Träu­me machen ja nun wirk­lich, was sie wol­len. Und dabei regen wir uns auch nicht dar­über auf, daß sie wirr sind, unrea­li­stisch, blöd­sin­nig und sonst­wie für den hemds­är­me­li­gen Intel­lekt ein­fach ein Ärger­nis, weil er nicht weiß, wie und wo er anpacken soll.

Anders geht damit jedoch unser Geist um, über den wir auch ver­fü­gen soll­ten, falls wir kei­ne stol­zen Steingarten–Besitzer sind und auch nicht Sacha Lobo hei­ßen. Der Geist kann mit­un­ter Träu­me deu­ten, und das ist die Lösung des Pro­blems. Es sind „Träu­me“, zumeist Hor­ror­träu­me, oft ohne Sinn und Bot­schaft aber auch das ist ja nun etwas, das wir den Träu­men zuge­ste­hen müs­sen. Wir soll­ten die Zei­chen dar­in sehen und erken­nen, um ihnen die Bedeu­tung zuzu­ge­ste­hen, wie wir sie manch­mal auch Träu­men geben, wenn sie uns etwas zu Ver­ste­hen geben, zumeist auf sym­bo­li­scher Ebene. 

Am Ende kommt es dar­auf an, was der Zuschau­er im Rücken des Zuschau­ers sieht. Was er glaubt, ganz all­mäh­lich ver­ste­hen und dann sogar auch in eige­nen Wor­ten ver­tre­ten zu kön­nen. Das ist dann wie­der­um der Abstieg aus den mas­si­ven Gebir­gen unse­rer Phan­ta­sien, die wer weiß wo in den unend­li­chen Wei­ten unse­res Unbe­wuß­ten zu besu­chen sind, denn dort sind sie in der Tat „real“. 

Es liegt an den Gren­zen der Spra­che, denn zumeist feh­len ein­fach die Wor­te. Und im übri­gen regelt die Gram­ma­tik das Pri­vi­leg der Phä­no­me­ne gene­rell, ob sie für die Wirk­lich­keit über­haupt in Fra­ge kom­men. Wir kön­nen aber nun unser Den­ken nicht erwei­tern, wenn wir uns von der Gram­ma­tik das Denk­mög­li­che vor­be­ten las­sen. Die deut­sche Spra­che hat eini­ge Ent­wick­lun­gen noch nicht genom­men. Sie ver­fügt über kei­nen Irrea­lis als eigen­stän­di­gen Modus, jedoch über das Konzept. 

Der Kon­junk­tiv II kann dazu benutzt wer­den, einen Irrea­lis der Gegen­wart und einen Irrea­lis der Ver­gan­gen­heit zu bil­den, der als irrea­les bzw. uner­füll­ba­res Kon­di­tio­nal­ge­fü­ge erscheint:

Wenn ich gedank­lich reich wäre, also kei­nen Stein­gar­ten des Den­kens hät­te und auch nicht Sacha Lobo hie­ße, böten sich mir mehr Mög­lich­kei­ten des Ver­ste­hens. (Irrea­lis der Gegen­wart, mit Kon­junk­tiv II)


Querkopf II

Wor­um es geht? Dar­um, daß wir alle selbst denken

Als das Ora­kel von Del­phi mit dem Spruch her­aus­kam, Sokra­tes sei der Wei­se­ste unter den Athe­nern, hat­te er nichts Bes­se­res zu tun, als dar­an zu zwei­feln.  Jetzt müß­te der Chor des Main­streams ener­gisch aus­ru­fen: Das ist Got­tes­lä­ste­rung gegen­über Apol­lon, dem Herrn des Ora­kels zu Delphi!

War es das? Viel­leicht ja, viel­leicht nein. Wir wis­sen nicht, was Apol­lon gesagt hätte.

Aber Sokra­tes hat­te nun ein­mal nicht den Ein­druck von sich, wirk­lich wei­se zu sein. Also „teste­te“ er alle ande­ren, von denen er anneh­men muß­te, sie ver­stün­den wenig­stens was von ihrer Sache und da er nun mal von gar nichts was wuß­te, muß­ten sie ja nun nach­voll­zieh­bar auch als wei­ser erschei­nen. Er hat dann ganz Athen gegen sich auf­ge­bracht, aber das ist eine län­ge­re Geschichte…

Das bei der­ar­ti­gen Unter­su­chun­gen etwas Über­ra­schen­des her­aus­kommt und eben kei­ne Peti­tio Prin­ci­pii, ist ja der Grund, war­um man sich über­haupt sol­cher Mühen unter­zieht, an allem zu Zwei­feln. Und Des­car­tes als Vater der Metho­de des syste­ma­ti­schen Zwei­fels hat­te zeit­le­bens Angst vor der Inquisition.

Man wird aber auch immer mal wie­der belohnt dafür, sich mit Zwei­feln abzugeben.

Erst so kommt man zur eige­nen Sicht, zu Inspi­ra­tio­nen, zu Vor­stel­lun­gen, daß irgend etwas auch ganz anders gese­hen, gewe­sen oder sein könn­te. Das ist der Moment, wo im Kri­mi der Kom­mis­sar nach der ver­meint­li­chen Lösung des Fal­les einem ent­setz­ten Kol­le­gen sagt: Das war zu ein­fach, wir fan­gen jetzt noch ein­mal von vor­ne an!

Mir ist nun der­weil tat­säch­lich etwas Über­ra­schen­des unter­ge­kom­men, als ich ver­sucht habe, dahin­ter­zu­kom­men, was denn wohl die Moti­ve der Impf­ver­wei­ge­rer sein könn­ten. So arbei­te ich und das ist mei­ne Metho­de: Man glaubt ein­fach alles, tritt gut­wil­lig wie ein Kind vol­ler Ver­trau­en her­an und ver­sucht alles nach­zu­emp­fin­den, um aus der Per­spek­ti­ve des Ande­ren ein­fach nur zu ver­ste­hen. Dabei muß man die Ein­stel­lung nicht wirk­lich über­neh­men oder gar tei­len. Es genügt bereits, die Beweg­grün­de nur nach­voll­zo­gen zu haben.

Als Phi­lo­soph weiß ich nun wie­der­um aus Erfah­rung, daß die mei­sten The­sen schon bei der Vor­stel­lung in sich zusam­men­bre­chen, sie kön­nen sich ein­fach nicht hal­ten aus vie­ler­lei Grün­den. Oft haben sie gar kein Fun­da­ment. Sobald sie sta­bil erschei­nen, mache ich Bela­stungs­tests wie die Brücken­bau­er es tun. Ich will genau­er wis­sen, wie belast­bar eine The­se ist und wann sie, unter wel­chen Umstän­den, wie schnell kollabiert.

Das Beson­de­re an den all­seits ver­teu­fel­ten Unge­impf­ten scheint mir zu sein, daß sie es sich nicht leicht­ge­macht haben, zu ihrer Ent­schei­dung zu kom­men und dann auch dazu zu ste­hen. Mich reizt immer die Qua­li­tät von Begrün­dun­gen, daher teste ich mög­lichst vie­les tag­täg­lich auf phi­lo­so­phi­sche Digni­tät. Ich teste nicht auf Kom­pa­ti­bi­li­tät zu den Glau­bens­be­kennt­nis­sen des Main­streams. Da inter­es­siert mich vie­les ande­re, etwa, woher die­se Kir­chen­gläu­big­keit kommt, die jetzt „die“ Wis­sen­schaft zum ein­zig wah­ren Glau­ben erklärt und in allen Zweif­lern nur gemein­ge­fähr­li­che Ket­zer sieht.

Es geht um sehr viel mehr in der Coro­na-Kris. Und auch beim Phi­lo­so­phie­ren geht es um alles. Das Gan­ze ist immer das, was man mit Spe­ku­la­tio­nen andau­ernd in Erfah­rung zu brin­gen ver­sucht, das Gan­ze ist die Ver­nunft. Die viel­be­schwo­re­nen Ratio­na­li­tä­ten, im Plu­ral, ste­hen immer nur für einen Teil des Ganzen.

Mei­nen vie­len Unter­su­chun­gen zufol­ge ist es die Auf­ga­be der Ver­nunft, Modell–Vorstellungen vom gro­ßen Gan­zen zu ent­wickeln. Also wann wäre etwa eine Exper­ten­run­de voll­stän­dig, wel­che Posi­tio­nen müs­sen ein­fach ver­tre­ten wer­den? Das war mein Job in der Tech­nik­fol­gen­ab­schät­zung über vie­le Jah­re, so etwas zu orga­ni­sie­ren, zu mode­rie­ren und den Dis­kurs dar­über zu initi­ie­ren. Wenn ich dage­gen heu­te sehe, wie eng­stir­nig, ja hoch­not­pein­lich ein­sei­tig die öffent­li­chen Debat­ten ver­lau­fen, dann bin ich auf der fal­schen Party.

Wir haben es, so mei­ne Dia­gno­se, mit mul­ti­plen System­ver­sa­gen zu tun, was nicht hät­te müs­sen sein. Die Haupt­last der Ver­ant­wor­tung liegt beim Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt und dann bei den Medi­en, weil sie von Anfang an in Kon­kur­renz zum Inter­net auf Eska­la­ti­on gesetzt haben. Die Poli­tik hat sich ver­füh­ren las­sen, den gro­ßen Zam­pa­no zu geben.

Genau davor hat der hei­li­ge Niklas (Luh­mann) immer gewarnt, zu glau­ben, man könn­te den Auto­pi­lo­ten der Syste­me mal abschal­ten und auf Hand­steue­rung gehen. Sor­ry, die Pilo­ten­kan­zel ist unbe­setzt! Ja es gibt sie nicht ein­mal, die Hebel der Macht. Da irren vie­le derer, die wirk­lich was dafür geben wür­den, wenn es die eine Geschich­te von dem einen Bösen, also vom Haupt der Ver­schwö­rung wirk­lich gäbe, so wie bei James Bond, den ich des­we­gen mit Eifer schaue, weil er so rein gar nichts mit der Wirk­lich­keit zu tun hat.

Phi­lo­so­phie ist die Mut­ter aller Wis­sen­schaf­ten, daher haben wir auch einen Zugang zu allen Dis­zi­pli­nen. Als sie sich eman­zi­piert haben, um selb­stän­di­ge Wis­sen­schaft zu wer­den, haben sie die radi­kal­sten Fra­gen in der Phi­lo­so­phie zurück­ge­las­sen. Daher und dar­an läßt sich zu jeder Zeit sehr leicht anknüp­fen. Wir haben jeder Zeit jeden Zugang. 

Aber Phi­lo­so­phie ist auch eine Wis­sen­schaft, was mich damals, als ich anfing, schwer begei­stert hat, daß sogar die Denk­feh­ler einen Namen haben, wie gute alte Bekann­te.  Aber Phi­lo­so­phie ist auch Lite­ra­tur, also arbei­tet sie mit Meta­phern, Mythen, mit allen erdenk­li­chen Moti­ven für Ide­al­vor­stel­lun­gen, wie es die Göt­ter für uns sind.

Wor­um es geht? Dar­um, daß wir alle selbst den­ken, auch auf die Gefahr hin, schief ange­se­hen zu wer­den, was man sich denn wohl ein­bil­det. Das ist nun mal der Preis. Und im übri­gen besteht die Gefahr, ganz enorm dane­ben zu liegen.

Vie­les ist eine Fra­ge der Metho­de, und es gibt ein paar ziem­lich gute Metho­den. Ich bezeich­ne eine davon als die „Kunst des Zuschau­ers“, die ande­re als „Phi­lo­so­phie in Echt­zeit“. Und über allem hängt als Damo­kles­schwert der Leit­spruch mei­ner Phi­lo­so­phie: Und hät­test Du geschwie­gen, wärst Du Phi­lo­soph geblieben!