Ökologie im Diskurs
Ökologie im Diskurs.
Studien zu Grundfragen der Anthropologie, Ökologie und zur Ethik der Wissenschaften
Drei mögliche Begründungsebenen lassen sich unterscheiden, auf die sich Motive für Naturschutz zurückführen lassen: naturwissenschaftliche–, ästhetische– und ethische Begründungen. Diese drei möglichen Perspektiven werden allerdings, anders als zu erwarten wäre, weder gleichberechtigt noch gleichrangig angenommen; es läßt sich ein Hang zur ersteren, der naturwissenschaftlichen Argumentation beobachten, wenn Motive fur Naturschutz begründet werden sollen. Gleichfalls ist eine gewisse Scheu vor ästhetischen oder ethischen Kriterien zu beobachten; letztere verkümmern geradezu, wenn ihnen aus Gründen, die wir prüfen wollen, allenfalls noch der Status von Hilfsargumenten eingeräumt wird.
In der Tat sind diese drei Begründungsebenen nicht gleichrangig. Die allein mit ästhetischen und ethischen Sätzen formulierbaren Kriterien qualitativer Natur sind, sofern sie tatsächlich qualitative Momente ausformuliere, immer schon dem naturwissenschaftlichen und quantifizierenden Zugriff entzogen; sie sind nicht gleichrangig, weil sie auf verschiedenen Erkenntnisebenen operieren, aber sie sind gleichberechtigt. — Begründungen, warum etwa ein Baum, eine Tierart, eine bestimmte Landschaft oder z.B. die Wälder des Amazonas zu schützen seien, lassen sich beispielhaft für alle drei Ebenen angeben: Weil der Baum z.B. Sauerstoff produziere oder weil Abholzen der Amazonas–Wälder das globale Klima gefährde, weil der Baum und seine charakteristische Landschaft dem Menschen Erlebnisse äußerer und innerer Erfahrung ermögliche, die unwiederbringlich verloren wären, und schließlich, weil es dem Menschen nicht erlaubt sei ohne Not zu töten, weil jedes Lebewesen ein allein durch seine Existenz verbrieftes Recht auf artgerechtes Leben habe und weil im Falle der Zerstörung der Amazonaswälder den dort lebenden Indianern die Existenzgrundlage genommen wäre.
Charakteristisch für die naturwissenschaftlich orientierte Begründungsebene sind Argumente, die einen bestimmten Zweck als notwendig voraussetzen (Vordersatz) und dann im Rahmen einer Wenn–dann–Folge die Gefährdung oder mögliche Zerstörung eines als zweckrational anerkannten lebensnotwendigen Zusammenhangs begründen (Schlußsatz). Ein derartiges Argumentationsmuster insistiert stets auf die zwingende Notwendigkeit unerwünschter Folgen. Weitaus schwieriger lassen sich Begründungszusammenhänge unter ästhetischen oder ethischen Gesichtspunkten gestalten, wenn erwartet wird, sie sollten ebenfalls Schlußfolgerungen ermöglichen, die zwingend notwendig sind. Es kann aber von Sinnzusammenhängen gerade nicht ohne weiteres erwartet werden, daß sie zweckrationale Schlußsätze begründen, dazu sind sie nicht prädestiniert, denn sinnhafte und sinnvolle Argumente werden mitunter gerade durch ein Relativieren von Zwecken erst möglich.
An der Notwendigkeit ökologischer Fragestellungen in den Naturwissenschaften scheint niemand mehr ernsthaft zweifeln zu wollen, es kommt nunmehr darauf an, auch die Geisteswissenschaften mit einzubeziehen. Was angesichts anthropologischer Fragestellungen gelang, muß auch in der Ökologie gelingen; notwendig ist der multidisziplinäre Diskurs der Ökologie, wobei die Zahl der hier zu beteiligenden Wissenschaften allerdings bedeutend großer wäre. Dabei muß es den einzelnen Disziplinen zunächst im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeit selbst überlassen bleiben, ihre je eigenen Kriterien zur Bestimmung des Ökologischen zu entwickeln. Im Vorfeld der Diskurse muß die Möglichkeit zur Selbstbestimmung gewährleistet sein, Übergriffe oder vorschnelle Verbindungen sind abzulehnen; eine Begrenzung dessen was Ökologie ist, kann nur in Abhängigkeit von der jeweiligen Fragestellung, also von Fall zu Fall ratsam sein, im Grunde aber ist dieser Diskurs als multidisziplinärer offener denn je. Wenn zudem noch ökologische Disziplinen den Menschen mit einbeziehen sollen, und sie werden nicht umhin können dieses zu tun, so treten neben die Kriterien der physischen Natur zusätzlich solche der psychischen–.
Zur psychischen Natur des Menschen gehört die Möglichkeit ästhetischer Erfahrung, eine Fähigkeit, die unter bestimmten Umständen auftritt, die unter den Erschwernissen entfremdeter Lebensverhältnisse die personale Integration durch das Erleben von Ganzheits–Erfahrungen gewährleisten kann. So wie das Individuum seinerseits seine Entstehung einem bestimmten historischen und topographischen Ort verdankt, so ist auch die Wahrnehmung des Naturschönen ihrerseits an Voraussetzungen gebunden, die bedingt erfüllt sein müssen, bevor eine Landschaft in Absehung vom Zweck als schön empfunden werden kann…
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