• Anthropologie,  Ausnahmezustand,  Corona,  Corona-Diskurs,  Corona-Politik,  Diskurs,  Ethik,  Götter und Gefühle,  Identität und Individualismus,  Moderne,  Moral,  Motive der Mythen,  Religion,  Theorien der Kultur,  Zeitgeist

    Geimpfte und Ungeimpfte, das gute und das böse Kind

    Eugenio Lucas Velázquez: English: Autodafé (1853).

    Ketzereien über Ketzerverfolgungswahn

    Bei Alice Miller, einer begnadeten Kinderpsychologin, gibt es den inneren Kampf zwischen dem guten und dem bösen Kind. Das eine ist ebenso desorientiert wie das andere. Während sich das eine fügt, rebelliert das andere und beide fühlen sich selbst dabei irgendwie „gehalten“.

    Aber was ist denn gut an den guten Kindern? Man könnte konstatieren, daß alle, die sich haben impfen lassen, es in Erwartung einer damit aufkommenden Normalität getan haben aber doch weit weniger aus Gründen der Solidarität.

    Wer sich hat impfen lassen, wird sehr viel weniger Achtsamkeit an den Tag legen. Aber inzwischen ist es ein offenes Geheimnis, das der Unterschied zwischen geimpft und ungeimpft allmählich schwindet…

    Reaktionen darauf, daß Corona eine globale Naturkatastrophe ist und ebensowenig zu beherrschen ist wie eine Flut, besteht darin, daß ganze Gesellschaften retardieren. Gesucht werden Sündenböcke und man glaubt, sie unter Andersdenkenden und Ungeimpften gefunden zu haben. – Allen wird letztlich so etwas wie ein Glaubensbekenntnis abverlangt, das Spektrum des Sagbaren ist denkbar eng. So entsteht eine Schweigespirale, die Hälfte aller Deutschen geben zu Protokoll, sich nicht mehr freimütig öffentlich zu äußern. 

    Dabei war von Anfang an klar, daß alle unter Dreißig kaum gefährdet sind. Aber, man wollte ja energisch etwas tun. — Aber warum hat man nicht die vulnerablen Gruppen geschützt und der Jugend die Freiheit gelassen. Warum läßt man es zu, daß die Zahl der Pflegekräfte ständig abgenommen hat?

    Es ist ungeheuer viel Geld verbrannt worden, warum hat es nicht dazu gereicht, die Verhältnisse in den Kliniken durch einem Quantensprung zu heben? – Warum ist man nach allen Maßnahmen, Hoffnungen, Aussichten, Versprechungen und Opfern immer wieder genau da, wo man angefangen hat?

    Die Verhältnisse in dieser Krise sind hyperkomplex. Es ist Hybris zu meinen, eine solche Katastrophe ließe sich beherrschen. Man kann gezielte Schutzmaßnahmen ergreifen, vor allem Klugheit wäre angeraten aber kein Aktionismus. 

    Das Muster ist nur zu bekannt: “So tu doch etwas! — Ja was denn tun? — Tu’ irgendwas!”. Das ist jedoch ein Armutszeugnis für alle, die sich in den Glauben flüchten wie bei der Ketzerverfolgung im Mittelalter. Die ganze Stimmung ist seit Monaten mittelalterlich.

    Ich schreibe seit Februar 2020 an einer philosophischen Studie über diese Sinnkrise, über das Versagen sämtlicher Systeme von Recht, Politik, Medien und Wissenschaft. Es hat sich wieder einmal zeigt, was ich immer wieder zu meinem Entsetzen beobachten mußte: Ausgerechnet dann, wenn es wirklich darauf ankäme, gelassen, cool, fast kaltblütig und vor allem mit sehr viel Sinn und Verstand daran zu gehen, die Perspektive der Vernunft in der Vielfalt ihrer Stimmen zur Kenntnis zu nehmen, durch Diskurse, die frei sein müssen und offen, immer dann verlieren die meisten den Kopf und die guten, ach so lieben Kinder sind immer ganz vorne. Das hilft nicht.

    Alles was da so tagtäglich verhandelt wird, hat gar nicht die Kapazität, auf den Boden der Tatsachen zu kommen, die man zur Kenntnis nehmen müßte, wollte man wirklich verstehen, was da gerade vonstatten geht. Es ist eine ungeheure Komplexität, die aber stets auf eines hinausläuft, sie erwischt unsere ach so rechtsstaatlichen, wissenschaftlichen, freiheitlichen, diskursiven und fürsorglichen Ambitionen brachial. Die Moral von der Geschicht‘?

    Mehr Bescheidenheit bitte, nicht behaupten zu wissen, was man nicht wissen kann. Mit dem Nichtwissen arbeiten, also nicht den großen Zampano machen. – Geschaffen wird stattdessen eine fast bürgerkriegsähnliche Atmosphäre, ein Autodafé. Ich habe einen geschätzten Kollegen am Institut, einen Kettenraucher. Und wenn mir das mit der Suche nach den Sündenböcken in den Seminaren zu viel wurde, bei alledem schmierigen Moralin, dann habe ich im Brustton der Überzeugung verkündet: Alle Probleme der Menschheit könnten gelöst sein, wenn nur die Raucher nicht wären. – Nun ja, sie spürten die Ironie dann doch und ahnten, wen ich meinte und sie sahen dann auch in die Hintergründe dieser Bemerkung.

    Die Welt ist zu schwierig für gute Kinder, die doch nur spielen wollen. Wann sollte man den ausscheren, wenn nicht jetzt, wo fast alle den Verstand verlieren? Man merkt es an den Wettervorhersagen, die Lust am Untergang bringt täglich neue Episoden. Neulich hat sich angeblich ein Polarwirbel geteilt, warum hier sibirische Kälte zu erwarten sei. Als ich sah, daß die Meldung vom Potsdam-Institut lanciert worden war, kurz vor der Klimakonferenz, dachte ich über die Berechenbarkeit von Akteuren, die Kampagnen und Wissenschaft seit Jahrzehnten nicht mehr auseinanderhalten.

    Es ist perfide, den Leuten mit großer Kälte zu kommen, das Anschwellen der Küstenlinien verbinden viele ja doch mit Südseefeelings. – Dann wurde ich auch noch auf diese Meldung aufmerksam gemacht, weil bad News nunmal good News sind. Bis mir die Hutschnur riß, ich habe dann einfach nachgeschaut, was denn Jörg Kachelmann, der sich immer so schön aufregen kann über diesen Bockmist sagen würde. – Und richtig! Er schlug auf den “Spiegel” ein und konstatiert, man wüßte überhaupt nichts von diesem Polarwirbel und daß es wohl nur um die Meldung ginge.

    Nicht, daß es nicht noch eine Steigerung gäbe:

    „Der Ablauf eines Inquisitionsprozesses war weder für den Angeklagten noch für seine Angehörigen durchschaubar. Während der Vernehmungen wurden den Verdächtigen einzelne Verhaltensweisen vorgeworfen, die u.U. für sich allein gesehen keine Abweichungen von der kirchlichen Lehre darstellen mußten.

    Diese Taten konnten dann von den Angeklagten entweder zurückgewiesen oder zugegeben und bereut werden. Welche Schlüsse von Seiten des Gerichtes daraus gezogen wurden, war nicht ersichtlich. Der Prozeß fand nicht als zusammenhängende Verhandlung mit der Anwesenheit der Beteiligten oder wenigstens der mit der Urteilsfindung Betrauten statt. Die Dauer des Verfahrens gab keinen Hinweis auf die Bedeutung der Angelegenheit. Das alles führte dazu, daß die Angeklagten bis zum Tag des Autodafés keinerlei Schlüsse auf den Ausgang des Verfahrens ziehen konnten. …

    Die mildeste Art der Sanktion des Verhaltens der Angeklagten durch das Inquisitionsgericht war das Abschwören. Bei einfacheren Vergehen mußte dies nicht in der Öffentlichkeit geschehen, sondern konnte im Gerichtssaal vor dem Tribunal durchgeführt werden. Bei schwerwiegenden Fällen fand auch das Abschwören während einer öffentlichen Urteilsverkündung statt.

    Das Abschwören war gewöhnlich mit Nebenstrafen verbunden. Dies waren Geldbußen, die Verpflichtung, den Sanbenito in der Öffentlichkeit zu tragen, oder die Verbannung.“ („Autodafé“, Wikipedia)

     
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    EPG II a (Online)

    Oberseminar

    EPG II a

    Ethisch–Philosophisches Grundlagenstudium II

    WS 2021 | freitags | 14:00-15:30 Uhr | online 

    Beginn: 22. Oktober 2021 | Ende: 10. Februar 2022

    Zum Kommentar als PDF

    Universe333: YogaBeyond Honza & Claudine Bondi; Beach, Australia 2013. — Quelle: Public Domain via Wikimedia Commons.

    Zwischen den Stühlen

    Eine Rolle zu übernehmen bedeutet, sie nicht nur zu spielen, sondern zu sein. Wer den Lehrerberuf ergreift, steht gewissermaßen zwischen vielen Stühlen, einerseits werden höchste Erwartungen gehegt, andererseits gefällt sich die Gesellschaft in abfälligen Reden. — Das mag damit zusammenhängen, daß jede(r) von uns eine mehr oder minder glückliche, gelungene, vielleicht aber eben auch traumatisierende Schulerfahrung hinter sich gebracht hat.

    Es sind viele potentielle Konfliktfelder, die aufkommen können im beruflichen Alltag von Lehrern. Daß es dabei Ermessenspielräume, Handlungsalternativen und vor allem auch Raum gibt, sich selbst und die eigenen Ideale mit ins Spiel zu bringen, soll in diesem Seminar nicht nur thematisiert, sondern erfahrbar gemacht werden.

    Das Selbstverständnis und die Professionalität sind gerade bei Lehrern ganz entscheidend dafür, ob die vielen unterschiedlichen und mitunter paradoxen Anforderungen erfolgreich gemeistert werden: Es gilt, bei Schülern Interesse zu wecken, aber deren Leistungen auch zu bewerten. Dabei spielen immer wieder psychologische, soziale und pädagogische Aspekte mit hinein, etwa wenn man nur an Sexualität und Pubertät denkt. — Mitunter ist es besser, wenn möglich, lieber Projekt–Unterricht anzuregen, wenn kaum mehr was geht.

    Es gibt klassische Konfliktlinien, etwa Eltern–Lehrer–Gespräche, in denen nicht selten die eigenen, oft nicht eben guten Schul–Erfahrungen der Eltern mit hineinspielen. Aber auch interkulturelle Konflikte können aufkommen. Das alles macht nebenher auch Kompetenzen in der Mediation erforderlich. — Einerseits wird individuelle Förderung, Engagement, ja sogar Empathie erwartet, andererseits muß und soll gerecht bewertet werden. Das alles spielt sich ab vor dem Hintergrund, daß dabei Lebenschancen zugeteilt werden.

    Gerade in letzter Zeit sind gestiegene Anforderungen bei Inklusion und Integration hinzugekommen. Auch Straf– und Disziplinarmaßnahmen zählen zu den nicht eben einfachen Aufgaben, die allerdings wahrgenommen werden müssen. — Ein weiterer, immer wieder akuter und fordernder Bereich ist das Mobbing, das sich gut ›durchspielen‹ läßt anhand von Inszenierungen.

    Es gibt nicht das einzig richtige professionelle Verhalten, sondern viele verschiedene Beweggründe, die sich erörtern lassen, was denn nun in einem konkreten Fall möglich, angemessen oder aber kontraproduktiv sein könnte. Pädagogik kann viel aber nicht alles. Bei manchen Problemen sind andere Disziplinen sehr viel erfahrener und auch zuständig. — Unangebrachtes Engagement kann selbst zum Problem werden.

    Wichtig ist ein professionelles Selbstverständnis, wichtig ist es, die eigenen Grenzen zu kennen, und mitunter auch einfach mehr Langmut an den Tag zu legen. Zudem werden die Klassen immer heterogener, so daß der klassische Unterricht immer seltener wird. — Inklusion, Integration oder eben Multikulturalität gehören inzwischen zum Alltag, machen aber Schule, Unterricht und Lehrersein nicht eben einfacher.

    Gesellschaft, Politik, Wirtschaft und Öffentlichkeit setzen zwar hohe Erwartungen in Schule und Lehrer, gefallen sich aber zugleich darin, den ganzen Berufstand immer wieder in ein unvorteilhaftes Licht zu rücken. — Unvergessen bleibt die Bemerkung des ehemaligen Kanzlers Gehard Schröder, der ganz generell die Lehrer als faule Säcke bezeichnet hat.

    „Ihr wißt doch ganz genau, was das für faule Säcke sind.“

    Dieses Bashing hat allerdings Hintergründe, die eben darin liegen dürften, daß viel zu viele Schüler*innen ganz offenbar keine guten Schulerfahrungen gemacht haben, wenn sie später als Eltern ihrer Kinder wieder die Schule aufsuchen.

    Ausbildung oder Bildung?

    Seit 2001 ist das Ethisch–Philosophische Grundlagenstudium (EPG) obligatorischer Bestandteil des Lehramtsstudiums in Baden–Württemberg. Es besteht aus zwei Modulen, EPG I und EPG II. — Ziel des EPG ist es, zukünftige LehrerInnen für wissenschafts– und berufsethische Fragen zu sensibilisieren und sie dazu zu befähigen, solche Fragen selbständig behandeln zu können. Thematisiert werden diese Fragen im Modul EPG II.

    Um in allen diesen Konfliktfeldern nicht nur zu bestehen, sondern tatsächlich angemessen, problembewußt und mehr oder minder geschickt zu agieren, braucht es zunächst einmal die Gewißheit, daß immer auch Ermessens– und Gestaltungsspielräume zur Verfügung stehen. Im Hintergrund stehen Ideale wie Bildung, Entfaltung der Persönlichkeit, die Erfahrung erfüllender Arbeit und Erziehungsziele, die einer humanistischen Pädagogik entsprechen, bei der es eigentlich darauf ankäme, die Schüler besser gegen eine Gesellschaft in Schutz zu nehmen, die immer fordernder auftritt. In diesem Sinne steht auch nicht einfach nur Ausbildung, sondern eben Bildung auf dem Programm.

    Auf ein– und dasselbe Problem läßt sich unterschiedlich reagieren, je nach persönlicher Einschätzung lassen sich verschiedene Lösungsansätze vertreten. Es ist daher hilfreich, möglichst viele verschiedene Stellungnahmen, Maßnahmen und Verhaltensweisen systematisch durchzuspielen und zu erörtern. Dann läßt sich besser einschätzen, welche davon den pädagogischen Idealen noch am ehesten gerecht werden.

    So entsteht allmählich das Bewußtsein, nicht einfach nur agieren und reagieren zu müssen, sondern bewußt gestalten zu können. Nichts ist hilfreicher als die nötige Zuversicht, in diesen doch sehr anspruchsvollen Beruf nicht nur mit Selbstvertrauen einzutreten, sondern auch zuversichtlich bleiben zu können. Dabei ist es ganz besonders wichtig, die Grenzen der eigenen Rolle nicht nur zu sehen, sondern auch zu wahren.

    Stichworte für Themen

    #„ADHS“ #Aufmerksamkeit #Bewertung in der Schule #Cybermobbing #Digitalisierung #Disziplinarmaßnahmen #Elterngespräche #Erziehung und Bildung #Genderdiversity #Heldenreise und Persönlichkeit in der Schule #Inklusion #Interesse–Lernen–Leistung #Interkulturelle Inklusion #Islamismus #Konflikte mit dem Islam in der Schule #Konfliktintervention durch Lehrpersonen #LehrerIn sein #Lehrergesundheit #Medieneinsatz #Medienkompetenz #Mitbestimmung in der Schule #Mobbing #Online-Unterricht #Political Correctness #Professionelles Selbstverständnis #Projektunterricht #Pubertät #Referendariat #Respekt #Schule und Universität #Schulfahrten #Schulverweigerung #Sexualität und Schule #Strafen und Disziplinarmaßnahmen #Ziviler Ungehorsam

    Studienleistung

    Eine regelmäßige und aktive Teilnahme am Diskurs ist wesentlich für das Seminargeschehen und daher obligatorisch. — Studienleistung: Gruppenarbeit, Präsentation und Hausarbeit.

  • Anthropologie,  Lehramt,  Lehre,  Moderne,  Moral,  Professionalität,  Theorien der Kultur,  Urbanisierung der Seele,  Utopie,  Wissenschaftlichkeit,  Zeitgeist,  Zivilisation

    EPG II b (Online)

    Oberseminar

    EPG II b (Online)

    Ethisch–Philosophisches Grundlagenstudium II

    WS 2021 | Beginn: 13. Januar 2022 | Ende: 27. Februar 2022 | Online und Block
    Ab 13. Januar 2022: 5 Seminare online | samstags: 12:00–13:30 Uhr, sowie
    3 Workshops im Block: 25., 26., 27. Februar 2022 | 14–19 Uhr | Raum: 30.91-110
     
     
     

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    Universe333: YogaBeyond Honza & Claudine Bondi; Beach, Australia 2013. — Quelle: Public Domain via Wikimedia Commons.

    Zwischen den Stühlen

    Eine Rolle zu übernehmen bedeutet, sie nicht nur zu spielen, sondern zu sein. Wer den Lehrerberuf ergreift, steht gewissermaßen zwischen vielen Stühlen, einerseits werden höchste Erwartungen gehegt, andererseits gefällt sich die Gesellschaft in abfälligen Reden. — Das mag damit zusammenhängen, daß jede(r) von uns eine mehr oder minder glückliche, gelungene, vielleicht aber eben auch traumatisierende Schulerfahrung hinter sich gebracht hat.

    Es sind viele potentielle Konfliktfelder, die aufkommen können im beruflichen Alltag von Lehrern. Daß es dabei Ermessenspielräume, Handlungsalternativen und vor allem auch Raum gibt, sich selbst und die eigenen Ideale mit ins Spiel zu bringen, soll in diesem Seminar nicht nur thematisiert, sondern erfahrbar gemacht werden.

    Das Selbstverständnis und die Professionalität sind gerade bei Lehrern ganz entscheidend dafür, ob die vielen unterschiedlichen und mitunter paradoxen Anforderungen erfolgreich gemeistert werden: Es gilt, bei Schülern Interesse zu wecken, aber deren Leistungen auch zu bewerten. Dabei spielen immer wieder psychologische, soziale und pädagogische Aspekte mit hinein, etwa wenn man nur an Sexualität und Pubertät denkt. — Mitunter ist es besser, wenn möglich, lieber Projekt–Unterricht anzuregen, wenn kaum mehr was geht.

    Es gibt klassische Konfliktlinien, etwa Eltern–Lehrer–Gespräche, in denen nicht selten die eigenen, oft nicht eben guten Schul–Erfahrungen der Eltern mit hineinspielen. Aber auch interkulturelle Konflikte können aufkommen. Das alles macht nebenher auch Kompetenzen in der Mediation erforderlich. — Einerseits wird individuelle Förderung, Engagement, ja sogar Empathie erwartet, andererseits muß und soll gerecht bewertet werden. Das alles spielt sich ab vor dem Hintergrund, daß dabei Lebenschancen zugeteilt werden.

    Gerade in letzter Zeit sind gestiegene Anforderungen bei Inklusion und Integration hinzugekommen. Auch Straf– und Disziplinarmaßnahmen zählen zu den nicht eben einfachen Aufgaben, die allerdings wahrgenommen werden müssen. — Ein weiterer, immer wieder akuter und fordernder Bereich ist das Mobbing, das sich gut ›durchspielen‹ läßt anhand von Inszenierungen.

    Es gibt nicht das einzig richtige professionelle Verhalten, sondern viele verschiedene Beweggründe, die sich erörtern lassen, was denn nun in einem konkreten Fall möglich, angemessen oder aber kontraproduktiv sein könnte. Pädagogik kann viel aber nicht alles. Bei manchen Problemen sind andere Disziplinen sehr viel erfahrener und auch zuständig. — Unangebrachtes Engagement kann selbst zum Problem werden.

    Wichtig ist ein professionelles Selbstverständnis, wichtig ist es, die eigenen Grenzen zu kennen, und mitunter auch einfach mehr Langmut an den Tag zu legen. Zudem werden die Klassen immer heterogener, so daß der klassische Unterricht immer seltener wird. — Inklusion, Integration oder eben Multikulturalität gehören inzwischen zum Alltag, machen aber Schule, Unterricht und Lehrersein nicht eben einfacher.

    Gesellschaft, Politik, Wirtschaft und Öffentlichkeit setzen zwar hohe Erwartungen in Schule und Lehrer, gefallen sich aber zugleich darin, den ganzen Berufstand immer wieder in ein unvorteilhaftes Licht zu rücken. — Unvergessen bleibt die Bemerkung des ehemaligen Kanzlers Gehard Schröder, der ganz generell die Lehrer als faule Säcke bezeichnet hat.

    „Ihr wißt doch ganz genau, was das für faule Säcke sind.“

    Dieses Bashing hat allerdings Hintergründe, die eben darin liegen dürften, daß viel zu viele Schüler*innen ganz offenbar keine guten Schulerfahrungen gemacht haben, wenn sie später als Eltern ihrer Kinder wieder die Schule aufsuchen.

    Ausbildung oder Bildung?

    Seit 2001 ist das Ethisch–Philosophische Grundlagenstudium (EPG) obligatorischer Bestandteil des Lehramtsstudiums in Baden–Württemberg. Es besteht aus zwei Modulen, EPG I und EPG II. — Ziel des EPG ist es, zukünftige LehrerInnen für wissenschafts– und berufsethische Fragen zu sensibilisieren und sie dazu zu befähigen, solche Fragen selbständig behandeln zu können. Thematisiert werden diese Fragen im Modul EPG II.

    Um in allen diesen Konfliktfeldern nicht nur zu bestehen, sondern tatsächlich angemessen, problembewußt und mehr oder minder geschickt zu agieren, braucht es zunächst einmal die Gewißheit, daß immer auch Ermessens– und Gestaltungsspielräume zur Verfügung stehen. Im Hintergrund stehen Ideale wie Bildung, Entfaltung der Persönlichkeit, die Erfahrung erfüllender Arbeit und Erziehungsziele, die einer humanistischen Pädagogik entsprechen, bei der es eigentlich darauf ankäme, die Schüler besser gegen eine Gesellschaft in Schutz zu nehmen, die immer fordernder auftritt. In diesem Sinne steht auch nicht einfach nur Ausbildung, sondern eben Bildung auf dem Programm.

    Auf ein– und dasselbe Problem läßt sich unterschiedlich reagieren, je nach persönlicher Einschätzung lassen sich verschiedene Lösungsansätze vertreten. Es ist daher hilfreich, möglichst viele verschiedene Stellungnahmen, Maßnahmen und Verhaltensweisen systematisch durchzuspielen und zu erörtern. Dann läßt sich besser einschätzen, welche davon den pädagogischen Idealen noch am ehesten gerecht werden.

    So entsteht allmählich das Bewußtsein, nicht einfach nur agieren und reagieren zu müssen, sondern bewußt gestalten zu können. Nichts ist hilfreicher als die nötige Zuversicht, in diesen doch sehr anspruchsvollen Beruf nicht nur mit Selbstvertrauen einzutreten, sondern auch zuversichtlich bleiben zu können. Dabei ist es ganz besonders wichtig, die Grenzen der eigenen Rolle nicht nur zu sehen, sondern auch zu wahren.

    Stichworte für Themen

    #„ADHS“ #Aufmerksamkeit #Bewertung in der Schule #Cybermobbing #Digitalisierung #Disziplinarmaßnahmen #Elterngespräche #Erziehung und Bildung #Genderdiversity #Heldenreise und Persönlichkeit in der Schule #Inklusion #Interesse–Lernen–Leistung #Interkulturelle Inklusion #Islamismus #Konflikte mit dem Islam in der Schule #Konfliktintervention durch Lehrpersonen #LehrerIn sein #Lehrergesundheit #Medieneinsatz #Medienkompetenz #Mitbestimmung in der Schule #Mobbing #Online-Unterricht #Political Correctness #Professionelles Selbstverständnis #Projektunterricht #Pubertät #Referendariat #Respekt #Schule und Universität #Schulfahrten #Schulverweigerung #Sexualität und Schule #Strafen und Disziplinarmaßnahmen #Ziviler Ungehorsam

    Studienleistung

    Eine regelmäßige und aktive Teilnahme am Diskurs ist wesentlich für das Seminargeschehen und daher obligatorisch. — Studienleistung: Gruppenarbeit, Präsentation und Hausarbeit.

  • Anthropologie,  Ausnahmezustand,  Diskurs,  Ethik,  Moderne,  Moral,  Technikethik,  Utopie,  Wissenschaftlichkeit,  Zeitgeist,  Zivilisation

    Technikethik

    Technikethik:

    Technische Entwicklungen kontrovers reflektieren

    Kolloquium 

    WS 2021 | donnerstags | 14:00–15:30 | Online
    Beginn: 28. Okt. 2021 | Ende: 10. Febr. 2022

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    Von Verantwortung ist immer wieder die Rede. Ja, sie ist vakant und der Lauf der Welt ist alles andere als vertrauenserweckend. Der gute Wille allein genügt nicht. Zu unterscheiden sind mindestens das Subjekt der Verantwortung, der Verantwortungsbereich und die Verantwortungsinstanz, (ehedem Gott und jetzt?).

    Es gilt näher hinzusehen, wenn wir Fragen der Verantwortung angehen wollen, denn der Begriff ist mehrdimensional. Der Karlsruher Technikphilosoph Günter Ropohl hat das Ganze auf eine Formel mit sieben Variablen gebracht: Wer verantwortet was, wofür, weswegen, wovor, wann, wie? Wir müssen doch nicht alles machen, was wir können. Wie weit geht ihre (persönliche) Verantwortung wirklich?

    Dieses Kolloquium soll Fragen der Technikethik praktisch erfahrbar machen. Das wird anhand von Fallstudien aus ihren eigenen zukünftigen Berufsfeldern geschehen, die sich aus unterschiedlichen Perspektiven diskutieren lassen. Dabei kommt es weniger auf das Ergebnis an, sondern auf die Qualität und den Austausch der vorgebrachten Argumente.

    Betreiben wir also Technikethik ganz konkret. Nehmen wir uns reale Situationen vor: seien es der Abgasskandal, Stellungnahmen zum Einsatz von Genmanipulation, der Einsturz der Brücke in Genua, Unfälle im Rahmen von Fahrten mit autonomen Pkw — oder was immer Sie umtreibt. Tun wir so, als wären wir unmittelbar dabei und hätten etwas zu sagen. Inszenieren wir die Kontroversen, in denen Techniklinien gestaltet werden, um sie am eigenen Leib zu
    erfahren. Die Veranstaltung soll Ihnen dazu dienen, Erfahrungen zu machen, die später womöglich auf Sie zukommen. Es ist dann fast wie ein Privileg, sich später daran zurückerinnern zu können, so etwas Ähnliches schon einmal durchgespielt zu haben.

    Nein, wir müssen es nicht.
    Aber?
    Aber wir werden es machen.
    Und weshalb?
    Weil wir nicht ertragen, wenn der kleinste Zweifel bleibt,
    ob wir es wirklich können.

    (Hans Blumenberg)

    Dirck van Baburen: Prometheus wird von Vulkan angekettet (1623). — Quelle: Public Domain via Wikimedia. — Prometheus, der Gott des Fortschritts, wird auf Geheiß des Zeus, unter Aufsicht des Götterboten Hermes, vom Gott der Technik Vulkan an einen Felsen im Kaukasus geschmiedet. Sein Vergehen: Er hat aus Menschenliebe die Technik zu den Menschen gebracht. Diese sollten darauf den Fortschritt einige Jahrtausende nicht mehr zu Gesicht bekommen.

    Die Zeiten sind vorbei, als Ingenieure und Ingenieurinnen fast jede weitere Verantwortung noch zurückwiesen mit den Worten, sie würden die Technik nur herstellen, seien aber nicht verantwortlich dafür, was daraus würde. — Aber machen wir uns nichts vor, Versuche, den technischen Fortschritt auf ›bessere‹ Bahnen zu lenken, gab es viele. Unvergessen ist das Wort von Ulrich Beck: Die Ethik spielt im Modell der verselbständigten Wissenschaften die Rolle einer Fahrradbremse am Intercontinental Flugzeug. 

    Forderungen nach Ethik, Verantwortung, Technikfolgenabschätzung, nachhaltigem Wachstum und Kilmaschutz werden tagtäglich erhoben und sind nicht unproblematisch, denn es ist auch Überforderung im Spiel. Wofür sind wir als Einzelne verantwortlich und wie soll denn die Gesamtverantwortung wahrgenommen werden? Allmählich wird es Zeit. Wer gibt die Technikziele vor oder generieren sie sich selbst?

    Was viele Verschwörungstheorien noch unterstellen: Es gibt sie nicht, die Schaltzentralen der Macht, in denen die Ziele des Fortschritts vorgegeben, der Kurs eingestellt und die Entwicklungen koordiniert werden. Zweifelsohne spielen Technik und Wirtschaft eine große Rolle, aber auch Politik und Kultur.

    Der blaue Planet ist zur Anthroposphäre geworden. Inzwischen wurde bereits ein neues Erdzeitalter ausgerufen, das Anthropozän. Die Zivilisation ist nunmehr alles entscheidend für das Schicksal des ganzen Planeten und die Zukunft der Menschheit. Die Erde ist zum Raumschiff geworden. Wir rasen durch einen lebensfeindlichen Raum, hinter uns eine erst kurze Episode der Zivilisation und vor uns eine Zukunft, die mit sich selbst auf Kollisionskurs geht.

    Wenn es sie denn gäbe, die Kommando–Brücke, in der die Navigation vorgenommen wird, wenn wir dorthinein gelangen könnten, es wäre der Schock unseres Lebens. Denn die Pilotenkanzel ist leer, alles steht auf Autopilot und niemand wäre in der Lage, den Flug ›von Hand‹ zu steuern. Dabei ist das Ganze keineswegs nur eine Frage der Technik, sondern auch eine von Politik, Wirtschaft, Recht, Kultur, Wissenschaft und vielem anderen mehr.

    Jan Cossiers: Carrying Fire (ca. 1630). Prometheus stiehlt das Feuer aus der Werkstatt des Vulkan. Es ist nicht das Herdfeuer, das hatten die Menschen schon sehr lang. Es ist das Metallurgenfeuer, womit die Bronzezeit begann und
    dann auch die Zivilisation. — Quelle: Public Domain via Wikimedia.

    Daher genügt es längst nicht mehr, einfach nur ›gute‹ Technik zu machen, Probleme pragmatisch zu lösen, im Sinne des ›state of the art‹ zu entwickeln, Normen und Vorschriften einzuhalten usw. usf. — Darüber hinaus stellt sich vor allem auch die Frage, wie weit denn die persönliche Verantwortung reichen soll. Es ist nicht allein die Technik, die den Fortschritt bestimmt, es sind viele verschiedenen Faktoren, die eine Rolle spielen. — Die Rollen im Mythos vom Prometheus, der den technischen Fortschritt zur Darstellung bringt, lassen die Zusammenhänge erahnen.

    Da ist der Menschenfreund Prometheus, der mit besten Absichten die Entwicklung anfacht, aber eigentlich nicht sehr glücklich agiert. Da ist Vulkan, der Techniker, der alles tut, was ihm aufgetragen wird. Er murrt zwar, als er den geschätzten Kollegen anketten soll, aber er tut es. Da ist Zeus, der ein ambivalentes Verhältnis zur Menschheit hat und daher hin und hergerissen ist über das Prometheus–Projekt. Da ist Athene, die Göttin der Weisheit, die den neuen Zivilisationsmenschen eine Seele einhaucht. Sie spendet auch die Wissenschaft und die Vernunft. Außerdem ist da noch Pandora, die mit allen Gaben Beschenkte, die die Gaben der abdankenden Götter zu den Menschen bringt, aber eben auch die damit verbundenen Übel. Und da ist noch Epimetheus, ein Melancholiker, der sich in Pandora verliebt. — Das dürfte genügen, die verschiedenen Seiten und Interessen zu charakterisieren, die dafür sorgen, daß der Fortschritt eben einen bestimmten Gang nimmt.

    Als der Münchener Soziologie Ulrich Beck im Jahre 1958 den Eintritt in die Risikogesellschaft diagnostizierte, sah er den technisch–ökonomischen Fortschritt überlagert von immer größeren, ungeplanten Nebenfolgen, grenzüberschreitenden Umweltproblemen und globalen Folgen Es gibt inzwischen einen Grad an Komplexität, der sich nicht mehr steuern oder gar beherrschen läßt. Eigentlich müßten alle unsere Innovationen unterhalb dieser Schwelle bleiben, aber das Gegenteil ist der Fall. Also wofür sind Techniker, Ingenieure und Ingenieurinnen wirklich verantwortlich? Welcher Teil der Verantwortung fällt anderen zu?

    Harry Bates: Akt (1891). Auf Geheiß des Zeus wurde von Vulkan eine Frau erschaffen, mit allen Gaben der Götter ausgestattet und von Hermes zu den Menschen gebracht. Sie brachte jedoch nicht nur die Fähigkeiten der Götter, sondern auch die damit verbundenen Übel auf die Erde. — Quelle: Public Domain via Wikimedia.

    Es ist keine unproblematische Entwicklung, daß in den letzten Jahrzehnten immer mehr Verantwortung auf Einzelne übertragen wurde, während die Gesamtverantwortung sich immer weiter verflüchtigt. Wer verantwortlich sein soll, muß gestalten, muß auch anders entscheiden können, erst dann kann Verantwortung zugeschrieben werden. — Insofern ist der Anspruch auf Ethik und Moral das eine, wie damit ganz praktisch umgegangen werden kann, ist das andere. Sich verantwortlich zu fühlen für Verhältnisse, die nicht in der eigenen Macht stehen, ist daher nicht unproblematisch. Wer Verantwortung übernimmt, muß ›Nein sagen‹ können oder ›So nicht!‹.

    In diesem Seminar sollen solche Konflikte in Wertfragen, Zielkonflikten und der moralischen Integrität durchgespielt werden. Das geschieht anhand von Beispielen einschlägiger Dilemma–Situationen. Mitunter sind die Rahmenbedingungen schon problematisch, etwa wenn es gilt, unter den Bedingungen schlechter Kommunikationsverhältnisse und aus Sorge um die eigene Reputation fachlich kompetent und moralisch integer zu handeln. Dazu bedarf es einiger Erfahrungen, die genauso wichtig sind wie das ganze technische Know–how.

    Dazu hat der Konstanzer Philosoph und Wissenschaftstheoretiker Jürgen Mittelstraß eine hilfreiche Unterscheidung geprägt: Zum technischen Verfügungswissen gehört auch ein ebenso wichtiges Orientierungswissen. Das eine sagt uns wie, das andere aber wozu.  — Mitunter geraten aber das Wie und das Wozu in Widersprüche. Die Technikgeschichte ist voll solcher Beispiele, wo erst sehr viel später sich Nebenfolgen mit kolossalen Wirkungen zeigen, bis sie endlich wahrgenommen und thematisiert werden.

    Und natürlich stellt sich immer wieder die Frage, ob es nicht doch eine ›bessere‹ Technik gibt, eine, die von vornherein weniger Nebenfolgen hat. Technikutopien sind daher eine wichtige Orientierungshilfe, vor allem dann, wenn kritisch damit umgegangen wird. Wesentlich ist es, die verschiedenen Aspekte erörtern zu können und nicht zuletzt, andere zu überzeugen. Dazu ist kritisches Denken erforderlich. Daher geht es um die ethische, politische, ökonomische und ökologische Verantwortung im Ingenieurwesen. Erst das macht ›gute‹ Technik möglich, ein ›gutes‹ Gewissen und nicht zuletzt gute Professionalität. 

    Bandicoot Robot: Converting manhole to robohole (2018). — Quelle: Public Domain via Wikimedia.

  • Anthropologie,  Ausnahmezustand,  Diskurs,  Ethik,  Götter und Gefühle,  Identität und Individualismus,  Moderne,  Moral,  Motive der Mythen,  Religion,  Theorien der Kultur,  Urbanisierung der Seele,  Utopie,  Zeitgeist,  Zivilisation

    Staat, Gesellschaft, Gemeinschaft, Identität

    Staat, Gesellschaft, Gemeinschaft, Identität

    Vom Clan zum globalen Dorf: Emanzipation ist Selbstorientierung

    Philosophie motiviert den Mut, durch Selbstorientierung über sich selbst hinauszuwachsen, sich immer weiter zu emanzipieren von jeder Fremdbestimmung durch Natur, Clangeist, Gemeinschaft oder Gesellschaft, bis hin zum Staat, der auch nicht unbedingten Gehorsam verdient, allzumal, wenn dieser notwendigen Entwicklungen im Wege steht. Philosophie ist wie ein guter Geist in finsteren Zeiten, der Zuversicht vermittelt, in der Emanzipation, der Individuation, der Selbstorientierung und im Wunsch nach einer Glückseligkeit, die es mit der der Götter aufnehmen kann.

    Flammarion. Holzstich eines unbekannten Künstlers. In: Camille Flammarion: Die Atmosphäre. Populäre Meteorologie; Paris 1888. S. 163. — Quelle: Public Domain via Wikimedia.

    Philosophie muß nachvollziehbar sein, sie sollte sich daher in aller Offenheit entwickeln. Wir können Vernunft nicht besitzen, wir können uns nur bemühen, ‘vernünftig zu werden’, indem wir uns auf Dialoge und Diskurse einlassen, in denen die Ratschlüsse der Vernunft erst zustande gebracht werden müssen. Es geht um das entscheidende Orientierungswissen, und wo das nicht hinreichend ist, sind Diskurse über Orientierungsorientierung erforderlich.

    Selbstwerdung, Selbstorientierung steht auf dem Programm. Das kann nicht nur, das muß stets individuell vonstatten gehen. Nicht von ungefähr wird jede Philosophie argwöhnisch betrachtet, vor allem, wenn sie sich anschickt, ihren Kopf durch die Wolkendecke der vorgegebenen Weltordnung zu stecken.

    Im Verlauf der Anthropogenese, der Kultur– und der Zivilisationsgeschichte, läßt sich eine Tendenz von der Heteronomie zur Autonomie beobachten. Mit neuen Techniken kommen neue Lebensweisen auf und mit ihnen neue Götter und neue Anschauungsformen. Was zuvor ausgeschlossen schien, wird möglich, was zuvor üblich war, kann schnell obsolet werden.

    Es versteht sich, daß jeder Wandlungsprozeß immer Verlierer und Gewinner erzeugt. Etablierte Autoritäten können fast über Nacht eine zuvor noch unumstrittene Anerkennung einbüßen. Neue Leitbilder entstehen, die stets an den Bruchlinien zwischen Gemeinschaft und Gesellschaft verlaufen, aber auch an denen zwischen Individuum und Gesellschaft. Gerade mit dem Individualismus, der allmählich in den Städten aufkommt, gehen immense subjektive und intersubjektive Belastungen einher.

    Mit jeder neuen Zeit betreten neue Götter und Priesterschaften die Bühne der Kulturgeschichte: Das war so, als die Schrift erfunden wurde und neue Götter aufkamen, die im Buch des Lebens lesen und zu Gericht sitzen sollten, doch vor allem, um die Verhältnisse in den neuen urbanen Welten zu stabilisieren.

    Im Verhältnis zur tierischen Herkunft liegt das Geheimnis des Menschseins darin, daß wir mithilfe von Sprache und Kultur allmählich alle erdenklichen Erfahrungen, die einzelne Menschen jemals gemacht haben, miteinander teilen, nachvollziehen und uns leibhaftig aneignen können. Zivilisation steigert die Prozesse der Erfahrung von Erfahrungen um ein Vielfaches. Das verschafft sehr viel mehr Lebens- und Ausdrucksmöglichkeiten, es erzeugt zugleich aber auch sehr viel mehr Unsicherheit. Insofern ist Zivilisation wie ein Joker, alles Lernen, jede Erfahrung, Einsichten, Erkenntnisse und Impressionen zählt plötzlich sehr viel mehr, weil, wenn und sobald wir sie mitteilen, also mit anderen teilen können.

    Thomas Cole: The Course of Empire. Third Episode: The Consummation of Empire. 1835/6, New–York, Historical Society. — Quelle: Public Domain via Wikimedia.

    Der Staat muß alle diese Koexistenzen gewährleisten, und er wird kollabieren, wenn es ihm nicht gelingt, eine Vielfalt von Gemeinschaften in und mit ihren Interessen dauerhaft miteinander zu vergesellschaften. Der Staat kann zwar nicht wissen, was die Gesellschaft umtreibt, aber es ist seine Aufgabe, ihr zu dienen und nicht über sie zu herrschen. Ihm fehlt schlichtweg die Phantasie, auch nur annähernd beurteilen zu können, was gerade gesellschaftlich von Bedeutung ist, warum und wozu.

    In diesem Kontext spielen neue Überwachungs– und Spionagemöglichkeiten, insbesondere der Einsatz von Künstlicher Intelligenz eine wegweisende Rolle. Auf der Agenda der Weltgeschichte steht die Alternative: Entweder Totalitarismus oder Demokratie, entweder Misanthropismus oder Humanismus.

    Derzeit schlittern nicht wenige auch westliche Staaten auf den Weg in die umfassende Überwachung des Öffentlichen Raums und aller sozialen Netze. Nie war die Gelegenheit so greifbar, göttergleich alles zu sehen, zu wissen und zu deuten, um damit zu machen, was auch immer irgendwelchen Machthabern gefällt, wenn, wo und solange sie nicht durch rechtsstaatliche Sicherungen, Verfassungen und Gerichte davon abgehalten werden.

    Manche denken auch daran, den Prozeß der Zivilisation zu stoppen und die ganze Entwicklung mehr oder minder wieder umzukehren oder sie einzufrieren wie die Amischen, eine täuferisch–protestantische Glaubensgemeinschaft, die den Fortschritt stillgestellt haben kurz vor Einführung von Auto und Elektromotor.

    Thomas Cole: The Course of Empire. Fourth Episode: Destruction (1836). New–York, Historical Society. — Quelle: Public Domain via Wikimedia.

    Tatsächlich sind Verluste zu verzeichnen, die im Prozeß der Zivilisation mit aufgekommen sind, wovon einige äußerst schmerzhaft sind. Eigentlich entspricht es dem Wesen jener Kulturen, die vor jeder Zivilisation ihren Bestand hatten, Geschichte als solche erst gar nicht aufkommen zu lassen. – Also wurde jede Dynamik verhindert, kein Ungleichgewicht sollte aufkommen und wo doch, dort wurde alles unmittelbar wieder ausgeglichen durch Opfer, die das Errungene gleich wieder neutralisierten, auf daß keine ‘Geschichte’ in Gang kommen kann.

    Nach dem Bruch mit dem Geist geschichtsloser Kultur sind immer wieder Versuche dazu gemacht worden und ebenso oft sind sie gescheitert. Offenbar gelingt es später nicht mehr, aus der Dynamik auszusteigen, um wieder ein alles umgreifendes geistiges umgreifendes Gleichgewicht zu schaffen und in einer Kultur als gelebtes Leben zu etablieren.

    Utopien spielen mit diesen Visionen, sie spekulieren wie Sisyphus darauf, daß es >einmal< doch gelingen kann. – Sobald es aber wirklich ernsthaft versucht worden ist, Utopien in die Tat umzusetzen, bleibt davon oft nur schlechter Utopismus.

    Aus der Zivilisationsgeschichte zu lernen bedeutet viel, u.a. zu wissen, daß es nicht gelingen kann, nach mittelalterlichem Muster die Gesellschaft in eine Zwangsgemeinschaft zu verwandeln. Differenzen lassen sich weder religiös noch ideologisch einfach verbieten. Die einzige Möglichkeit den Geist einer alles umgreifenden humanen Kultur aufkommen zu lassen, wäre die einer humanen Demokratie, in der Partizipation gelebt wird.

    Conchita Wurst für Österreich mit dem Lied „Rise Like a Phoenix“ bei der er- sten Kostümprobe für das Finale des Eurovision Song Contest 2014 Kopen- hagen. — Quelle: Albin Olsson, Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, Public Domain via Wikimedia.

    Im Prozeß der Psychogenese kommt ganz allmählich immer mehr Individualität auf. Zunächst langsam, dann immer schneller wird eine historische Dynamik entfacht, die sich inzwischen selbst perpetuiert. — Von Epoche zu Epoche werden immer neue Ansprüche auf persönlichen Ausdruck immer radikaler geltend gemacht, gegen Staat, Gesellschaft und Gemeinschaft. Erst diese Differenzen bringen die Zivilisationsgeschichte in Gang. Sie generieren die Dynamik der Zivilisationsgeschichte und beschleunigen die Wandlungsprozesse inzwischen immer mehr.

    Gegenwärtig bringen Debatten über individualistische, singuläre Identitäten zusätzliche Irritationen mit sich und lösen einen weiteren Schub der Individualisierung aus. — Nachdem die binäre Differenzierung, entweder weiblich oder aber männlich ›sein‹ zu müssen, immer weiter dekonstruiert wurde, werden verschiedene Aspekte des Männlichen und Weiblichen beliebig miteinander kombinierbar. Zugleich steigt damit aber auch die allgemeine Verunsicherung.

    Es geht inzwischen nicht mehr nur um Individualität, sondern immer mehr auch um die Selbstinszenierung der eigenen Singularität und darum, gegen Staat, Gesellschaft und Gemeinschaft ganz neu motivierte Forderungen auf Achtung, Anerkennung und Schutz geltend zu machen. — Auch die Individualisierung kommt im Prozeß der Zivilisation auf, sie ist das eigentliche Movens. Die Lebensverhältnisse wandeln sich, also läßt sich auch die ganze Selbstorientierung verändern. Nach diesem Metaprinzip bricht jede Individuation mit ›altehrwürdigen‹ Traditionen.

    Zugleich kommt allgemeine Verunsicherung auf, weil immer auch Erwartungssicherheiten darüber verloren gehen und immer mehr Ambivalenzen und Ambiguitäten spürbar werden. Gerade die ganz neuen Freiheiten, Individualisierungen und Singularitäten haben einen besonders hohen Preis, weil zusätzliche psychische aber auch soziale Belastungen damit aufkommen.

    Jede neue Freiheit geht mit Freiheitsschmerzen einher. Sich etwas davon ›herauszunehmen‹, damit Irritationen auszulösen und womöglich auch Zorn auf sich zu ziehen, ist das eine. Neue und andere Maßstäbe aber auf Dauer zu leben, ist etwas ganz anderes. — Individuation ist das treibende Moment, das den Prozeß der Zivilisation zunächst überhaupt erst in Gang gebracht hat und ihn seither durch immer neue Spannungen und Widersprüche immer schneller über sich hinaustreibt.

     

  • Ausnahmezustand,  Corona,  Corona-Diskurs,  Corona-Politik,  Diskurs,  Ethik,  Identität und Individualismus,  Moral,  Motive der Mythen,  Urbanisierung der Seele,  Zeitgeist

    Welche Werte zählen nach Corona

    Unter Corona wurde „Nähe“ paradox:  Zuvor hieß es immerzu, man solle sich berühren lassen, Nähe zulassen und dann kamen die Masken und das Abstandhalten.

    Das hat viel ausgelöst: Alte Werte gehen unter, andere treten auf.  Innere Werte werden wichtiger, Äußerlichkeiten geraten ins Hintertreffen. Es fehlten echte und tiefe Begegnungen, in denen Gefühle tatsächlich mitgeteilt werden. Die Corona-Krise hat viele Ängste, Zweifel, Sorgen und Nöte bewußt gemacht, die bislang verdrängt wurden.

    Die Corona-Krise hat eine innere Einkehr erzwungen, die selbst zum Problem wurde. Viele möchten, wollen und können sich mit dem eigenen Selbst aber nicht auseinandersetzen. Dann kämen Fragen auf, die bodenlos scheinen, obwohl sie es eigentlich nicht sind. – Albert Camus spricht von „Selbstmord“, ohne sich tatsächlich umzubringen. Das Aufgehen in permanenter Sorge ist ein solcher Fall, sich durch Selbstüberforderung permanent abzulenken vom eigenen Selbst.

    Viele Meistererzählungen schildern dieses Wagnis, sich tatsächlich auf die imaginäre Reise zu begeben, um dem eigenen Selbst zu begegnen. Es gilt, sich wirklich mit dem dunklen Selbst auseinanderzusetzen und sich nicht abzulenken von dem, was unsere eigentliche Aufgabe wäre, unsere inneren Werte zu suchen, zu finden und zu entfalten.

    Woher stammen eigentlich die eigenen Werte? Wir glauben zu wissen, wie eine romantische Begegnung auszusehen hat und inszenieren sie nur. Wir glauben zu wissen, wie ein Kuß ausschauen muß, um als Ausdruck von Zuneigung, Liebe oder Begehren zu gelten. Immerzu geht es nur um die Inszenierung von etwas, das erstrebenswert scheint.

    Das zur Sprache zu bringen, habe ich mir theoretisch und praktisch zur Aufgabe gemacht in einer Kombination, die ich als philosophische Psychologie betreibe.

     

  • Anthropologie,  Ausnahmezustand,  Corona,  Corona-Diskurs,  Corona-Politik,  Diskurs,  Ethik,  Identität und Individualismus,  Moderne,  Motive der Mythen,  Utopie,  Zeitgeist,  Zivilisation

    Worauf es wirklich ankommt.

    Vortrag: Bildungshaus Batschuns, Österreich, 11.06.2021

    In einer Krise zeigt sich, wer wir sind und worauf wir uns wirklich verlassen können und wie stabil die Verhältnisse wirklich sind.  Ob wir es wollen oder nicht:  Krisen sind Bewährungsproben, dann zeigt sich, ob wir uns anpassen, verändern oder vielleicht sogar über uns hinauswachsen können.

    Reden stärkt, vor allem Verstehen.  Angst schwächt, ebenso wie Hetzkampagnen, das alles verwirrt und schmälert die Kräfte.  – Neue Stärken entstehen, sobald wir lähmende Ängste behutsam überwinden.

    Eine Krise kann vorübergehend sein, im psychologischen Sinne sind Krisen jedoch nur der Anfang umfassender Wandlungsprozesse. – In Märchen und Mythen macht die Krise den Anfang, dann folgt zunächst die Katharsis und darauf die Transformation.

    Vor allem für die Pädagogik zeigen die Erfahrungen der letzten 15 Monate, daß die Welt von Menschen gemacht und zu verantworten ist. Auch die Menschenbilder, die Unkultur öffentlicher Debatten, der Rückfall in fast religiöse Ängste, das alles gibt zu denken.

    Diese Welt, so wie sie ist, hat keine Zukunft. Dabei ist die Klimafrage nur wie die Spitze eines Eisbergs. Wichtig wäre es, endlich auch in der Politik ein positives Menschenbild an den Tag zu legen, wie es in Pädagogik und Psychologie schon seit den 70er Jahren üblich ist. Staat, Politik und Behörden gehen aber immer noch vom Obrigkeitsstaat aus, wenn sie meinen, mündige Menschen vor sich selbst schützen zu müssen.

    Das Bild vom Guten Hirten und seiner Herde ist obsolet, es sollte den vielen Autokraten überlassen werden. Der in der Corona-Krise erstarkte Staat wird bleiben. Daher müssen die Gegengewichte gestärkt werden, also brauchen wir mehr Demokratie und mehr Gerichtshöfe, an denen sich Staat und Politik rechtfertigen müssen.

    Das wird aber alles nicht reichen, wenn man bedenkt, was eigentlich alles inzwischen zur Neige geht. Allerdings war die Zivilisation, seit sie vor 12.000 Jahren entstand, immer schon eine instabile Angelegenheit.

    Vor allem jene Entwicklungen, auf die Pädagogik, Psychologie und Philosophie besonders Wert legen, sind überhaupt nicht mitgekommen. –  Das Fehlende nachzuholen ist und bleibt eine Aufgabe, in der es vor allem sehr viel sehr professionelle Pädagogik braucht. Schließlich ist jeder Mensch einzigartig, darin liegen Hoffnungen, nur niemanden zu verlieren.

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    LIVE! music, life et cetera…

    Hemingway Lounge | Uhlandstr. 26 | 76135 Karlsruhe

    LIVE! . music, life et cetera . 

    Talk mit Prof. Dr. Heinz–Ulrich Nennen: “Von Freiheitsliebe und der Sehnsucht nach Kontrolle” .

     
    Ullrich Eidenmüller im Talk mit Prof. Dr. Heinz–Ulrich Nennen

     

    Was hat das Corona–Virus mit uns gemacht? Wie weit hat es die Welt verändert und wird sie noch verändern? Welche Tiefen hat das Virus in der Gesellschaft bloßgelegt? — Könnte es zu solchen Fragen am Beginn der „Rückkehr der Freiheit“ einen kompetenteren Gesprächspartner geben als ein Professor für Philosophie an der Fakultät für Geistes- und Sozialwissenschaften am Karlsruher Institut für Technologie (KIT)?

    Prof. Dr. Heinz-Ulrich Nennen Gesprächspartner von Ullrich Eidenmüller beim traditionellen Talk in der Hemingway Lounge sein. Der Philosoph, der seine Zeitgeist–Analysen seit Jahren aus seinem Wohnmobil am Kanal in Münster schreibt, analysiert die Auswirkungen auf das tägliche Leben, den „Verlust an Nähe, den wir zu verkraften haben, die Unkultur der Verunglimpfung Andersdenkender, das frühe Schließen der gesellschaftlichen Diskurse schon im März 2020“.

    Freuen Sie sich auf ein spritziges und tiefgehendes Gespräch in der wiedereröffneten Lounge, untermalt wie immer von der Musik, die Prof. Dr. Heinz–Ulrich Nennen mitbringt.

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    Heilsame Phase innerer Einkehr

    Die Pandemie zwischen kritischer und positive Betrachtung

    Interview, Vorarlberger Nachrichten,  5. Juni 2021

    Die Pandemie zwischen kritischer und positiver Betrachtung.

    Es ist sehr viel die Rede von einer verlorenen Generation. Ist es wirklich so schlimm? 

    NENNEN Wer von einer „verlorenen Generation“ spricht, stellt einen Vergleich her, der nicht angemessen sein kann. Bezeichnet wurden damit die Kriegsteilnehmer des Ersten Weltkriegs. Erst allmählich verstehen wir, was das bewirkt hat an Leiden. Da sind nicht physische, sondern psychische Existenzen auf Dauer vernichtet worden. Wir können heute erst allmählich nachvollziehen, was Traumatisierung eigentlich bedeutet. Erschreckend ist vor allem eines: dass so etwas weitergegeben wird, weil eine Generation überfordert ist mi der Aufarbeitung solcher Erlebnisse.

    Oft verwehren sich Jugendliche gegen eine solche Bezeichnung. Ist die Jugend doch stärker, als wir es ihr zutrauen?

    NENNEN Es kommt immer auf die Relation an. Corona hat die üblichen Erwartbarkeiten erheblich verunsichert, gerade das würde ich nicht als schlimm betrachten, sondern eher als Chance. Unsichere Zeiten bieten immer auch neue Möglichkeiten. Wir leben ohnehin in einer Zeit, in der die Jugend im Aufwind begriffen ist. Corona war nur eine Verzögerung des anstehenden Generationenwechsels.

    Insofern ist es ein solider Selbstbezug, sich nicht in die Opferrolle drängen zu lassen. Es ist keine verlorene, es ist eine kommende Generation. Was mir aber von Studierenden mitgeteilt wird, zeigt, dass die Belastungen gerade für die unter 30–Jährigen ganz erheblich sind.

    Können/sollten da nicht eher die Erwachsenen etwas lernen?

    NENNEN Allerdings. Es sind von Anfang an in der Coronakrise bestimmte Zeichen gesetzt worden, die ein generelles Misstrauen in die Jugend signalisiert haben. Das widerspricht den Prinzipien humaner Pädagogik und humaner Psychologie. Offenbar sind Gesellschaft und Staat noch immer nicht reif genug, vom Obrigkeitsdenken abzusehen.

    Aber dieser Paradigmenwechsel ist längst überfällig. Es ist zu erwarten, dass vieles, was bislang für unmöglich gehalten wurde, plötzlich nicht nur machbar, sondern lebbar werden kann.

    Wo spielt sich der größte Wandel ab, wenn es denn einen solchen gibt?

    NENNEN Der größte Wandel spielt sich in Machtfragen ab. Fast über Nacht sind Politik und Staat ermächtigt worden, die Geschicke der Gesellschaft nicht nur zu bestimmen, sondern auch zu formen. Das wird so bleiben. Die Krise hat uns vor Augen geführt, wie verwundbar unsere Systeme sind. Das Gleichgewicht der Gewalten ist gestört, daher müssen die Gegengewichte stärker werden. Wir brauchen mehr Partizipation, auch Basisdemokratie und vor allem auch mehr Richter und richterliche Unabhängigkeit.

    Zu Beginn der Pandemie wurde viel von neuen Tugenden gesprochen, wie Entschleunigung, bewussteres Wahrnehmen von allem usw. Was wird davon bleiben?

    NENNEN Es war eine heilsame und immer wieder verlängerte Phase der inneren Einkehr. Man konnte die Erfahrung machen, was so alles von den vielen Selbstverständlichkeiten eigentlich auch verzichtbar sein kann. Aber Corona war nicht gleich und schon gar nicht gerecht, es hat die Schwächeren sehr viel härter getroffen. Darauf muss eine Gesellschaft reagieren, und der Staat hat die Aufgabe, ihr dabei zu helfen.

    Gibt es Werte, von denen wir uns trennen sollten?

    NENNEN Einige Haltungen, die zuvor noch Anerkennung fanden, haben sich selbst ad absurdum geführt: Konsumismus ist nicht Freiheit, Neoliberalismus ist nicht Verantwortung, Misanthropismus ist nicht Sorge, Glaubenskriege sind keine Diskurse. Das alles hilft überhaupt nicht, den Weg in eine Zukunft zu finden, in der die Menschheit allmählich den Weg zur Selbstverantwortung finden und gehen sollte.

    Welche Werte sind es wert, beibehalten zu werden?

    NENNEN Die „Werte“, von denen immerzu gesprochen wird, sind oft nicht wirklich die eigenen. Wir alle glauben zu wissen, wie Familienglück, Mutterliebe, wie Jugend, Liebe oder eine romantische Situation perfekt auszusehen haben, und wir alle können uns dabei beobachten, wie wir entscheidende Situationen so inszenieren, dass sie auch tatsächlich „richtig“ aussehen. Kurzum, wir inszenieren uns und unser Leben nach Maßstäben, die nicht die eigenen sind. Ich möchte in meinem Vortrag eine elementare Kritik an der Selbstorientierung, wie sie gerade gelebt wird, vorbringen. Zugleich möchte ich Wege weisen, wie es möglich sein könnte, tatsächlich zu sich selbst zu finden. 

    Was sollte uns die Pandemie gelehrt haben?

    NENNEN Wir sollten endlich gesehen und erkannt haben, wie kostbar menschliche Verbindungen sind und wie sehr es auf Berührungen ankommt, im umfassenden Sinne des Wortes. Das ist meines Erachtens die eigentliche Lehre aus der Pandemie.

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    Grundrechte in der Corona-Krise

    Das Schweigen der Richter

    Von der Mondlandung bis zum Lockdown

    Wer die Mondlandung am Fernseher live miterlebt hat, hat vielleicht auch dieses Erweckungserlebnis. Wenn so etwas möglich war, dann schien eigentlich alles machbar. Dann kam es 1972 mit den Studien des Club of Rome zu einer Fundamentalkrise aller dieser Hoffnungen. — Auch das Grundgesetz hatte immer etwas von dieser Mondlandung, es war und ist eine überzeitliche Leistung mit Ewigkeitscharakter. Dieses Sicherheitsgefühl hat sich gehalten, wohl weil die Performance stets stimmig schien, wenn >Karlsruhe< sprach.

    Leben oder Freiheit – Ist die Corona-Politik mit dem Grundgesetz vereinbar? — SWR2-Forum,

    Thomas Ihm diskutiert mit

    Gigi Deppe, SWR-Rechtsexpertin,
    Prof. Dr. Christian Kirchberg, Rechtsanwalt
    Prof. Dr. Heinz-Ulrich Nennen, Philosoph

    Das hatte etwas von Delphi, wo die Priester in ihren Sitzungen darüber berieten, was Apollo als Herr des Hauses wohl gesagt haben würde. Allerdings ist ein Orakel wie das von Delphi auch nur ein Unternehmen mit dem Bestreben, möglichst immer wieder konsultiert zu werden. Und 1000 Jahre kamen Menschen und Staatsvertreter aus dem ganzen Mittelmeerraum mit höchst entscheidenden Fragen, es kann also kein Hokuspokus gewesen sein.

    Wenn die Richter in den roten Roben zusammentragen, dann hatte das etwas von dieser Aura: Immer wenn bewegende Urteile anstanden, fand sich mitunter auch eine Spur jener Weisheit, wie sie nun einmal einer letzten Instanz anstehen. — Auch das ist kein Hokuspokus, erforderlich ist gutes Handwerk, hohe Intelligenz, Diskursvermögen und vor allem eines, der gemeinsame Wille im Kollegium, herauszubringen, was wohl die Stimme der Vernunft gesagt haben würde.

     

    (Mein Beitrag beginnt ab: 23:30)

     

    Tiefen und Untiefen der Corona-Krise
    Online-Diskussion vom 9. Februar 2021.  Einf. u. Mod.:  Ullrich Eidenmüller,

    1. Vorsitzender des Fördervereins FORUM RECHT e. V.
    Referenten:
    Prof. Dr. Christian Kirchberg (* 1947), Rechtsanwalt in Karlsruhe und Vorsitzender des Verfassungsrechtsausschusses der Bundesrechtsanwaltskammer.

    Prof. Dr. Heinz-Ulrich Nennen (* 1955), Professor für Philosophie am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). 

    Blackout mit Notstromdiesel

    Wer am 31. Januar 2008 gegen 17:35 Uhr per Straßenbahn die Innenstadt von Karlsruhe auf dem Weg zum Hauptbahnhof passieren wollte, konnte erleben, wie ein Stromausfall sich vor Ort darstellt: Das Licht ging aus, die Bahn hielt mitten auf der Strecke, draußen war nichts mehr zu sehen. Spärliches Licht flackerte auf, die Umgebung wirkte gespenstisch. Nur schemenhaft war erkennbar, wie Personal an den Türen der Geschäfte sich postierte.

    Carl Spitzweg: Das Auge des Gesetzes (Justitia) (1857).
    Carl Spitzweg: Das Auge des Gesetzes (Justitia) (1857).

    Ich entschloß mich, die Notentriegelung der Straßenbahntür zu betätigen, auszusteigen und ein Taxi zu nehmen, um die Fahrt zum Bahnhof weiter fortzusetzen. Die Impressionen auf dieser Taxifahrt waren beeindruckend und lehrreich: Der Weg führte an der Badischen Landesbank vorbei. Sie war beleuchtet, die Notstromversorgung war also angesprungen. Dann fiel der nächste Blick auf das Bundesverfassungsgericht. Das Gebäude war hell erleuchtet, so, als wenn nichts wäre.

    Derweil lag die Universität Karlsruhe im Dunklen und nur das Rechenzentrum hatte spärliches Licht. Ein einziger Hotelflur war noch beleuchtet. — An einem Krankenhaus führte der Weg nicht vorbei. Dabei ist es wesentlich, daß gerade auch dort die störungsfreie Stromversorgung gewährleistet sein muß. Auch der Hauptbahnhof war hell erleuchtet, denn die Deutsche Bundesbahn verfügt über ein eigenes Netz und eigene Stromversorgung. Man hatte nicht einmal etwas bemerkt von der Störung.

    Es ist wichtig, sich vor Augen zu führen, wie fragil unsere soziotechnischen Welten eigentlich sind. Es braucht nur kleine Unbedachtsamkeiten, die zum Supergau führen können. – Ein warnendes Beispiel dazu sind die nicht überflutungssicher installierten Notstromaggregate der Kernkraftwerksblöcke 1–3 von Fukushima I.

    Multiples Systemversagen

    Wir erwarten von unserer Technik, daß Notfallsysteme automatisch hochfahren, das wird regelmäßig geprobt — in der Technik. Dabei sollten wir dieselben Anforderungen auch an die Sozialen Systeme stellen. Gerade in Krisen sind wir darauf angewiesen, daß schlicht und ergreifend längst Vorkehrungen getroffen worden sind.

    Immer wieder wurde die Unverbrüchlichkeit des Grundgesetzes beschworen. Planspiele und Szenarien für Ausnahmezustände wären besser gewesen als Sonntagsreden. Tatsächlich haben wir es mit einem multiplen Systemversagen zu tun. — Das Gleichgewicht der Kräfte ist in der Corona-Krise von Anfang an ins Ungleichgewicht geraten und es hat  >sich< auch nicht wieder eingependelt. Was das bedeutet, läßt sich an einem Plattenspieler erläutern, wenn auf der einen Seite der Tonarm, also die Exekutive und auf der anderen Seite das Gegengewicht, also die Judikative und vor allem auch die Legislative für den richtigen Ausgleich sorgen.

    Am 14. Mai 2020 hat das oberste Gericht zwei Verfassungsbeschwerden um Corona und Grundrechte nicht zur Entscheidung angenommen. Dabei boten gerade diese beiden, fast mustergültigen Verfassungsklagen die Gelegenheit für die Verfassungsrichter, sich generell in Sachen Corona zu äußern. Das hätte dann wiederum der Politik sehr viel mehr Orientierung gegeben.

    Durch Nichteinlassung haben die Karlsruher Richter jedoch selbst das Gleichgewicht der Kräfte zwischen Legislative, Judikative, Exekutive und auch zwischen Bund und Ländern aus dem Gleichgewicht und außer Kontrolle gebracht. — Hätten die Richter sich überwunden, den Mut und die Weitsicht gefunden, im laufenden Prozeß der Corona-Krise das Spektrum des verfassungsrechtlich Gebotenen zu skizzieren, sie hätten die Politik davor bewahrt, zum Opfer der eigenen Angstpolitik zu werden.

    Schönwetterdemokratie?

    Das Parlament als Ort öffentlicher Meinungsbildung wurde kurzerhand ersetzt durch eine verfassungsrechtlich gar nicht vorgesehene Ministerpräsidenten-Konferenz unter Leitung der Bundeskanzlerin, in der man seit einem Jahr alle entscheidenden Erwägungen unter Ausschluß der Öffentlichkeit vornimmt. — Dabei wurde immer wieder der Föderalismus schlecht geredet, der allerdings ein unverfügbares Gebot der Verfassung darstellt. Am Beispiel von Frankreich läßt sich zeigen, was es bedeutet, wenn keine effektiven kommunalen Strukturen vor Ort vorhanden sind.

    Auch die immer wieder aufgebrachte Forderung nach Gleichbehandlung, ohne Rücksicht auf die vor Ort tatsächlich vorliegenden Verhältnisse, ist stets unwidersprochen erhoben worden. Dagegen kam nur noch durch die Länderhoheit überhaupt noch so etwas wie eine Pflicht zur Verhandlung ins Spiel. Insofern wurde das Land durch den Föderalismus vor einem radikalen Zentralismus mit noch mehr Kollateralschäden bewahrt.

    Alle diese Vorkehrungen der Gewaltenteilung sind vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit der Weimarer Republik und der Möglichkeit einer >Gleichschaltung< getroffen worden. Aus guten Gründen wurde ein durchdachtes Konzept von Checks and Balances mit dem Grundgesetz etabliert. Alle diese verbrieften Sicherungen durch das systematische Ausbalancieren der Gewalten galten bislang als vertrauenswürdig, verläßlich, ja eigentlich als robust und geradezu unverwüstlich. Dabei stellte sich im Zuge derCorona-Krise heraus, daß viel davon offenbar nur >gefühlteSicherheit< war.

    Die Vertrauenswürdigkeit des Grundgesetzes und seiner Organe wurde in Sonntagsreden immer wieder gefeiert. Als es aber zum Schwur kam, da schwiegen die hohen Richter. Das Mobilé der Gewalten kam aus dem Gleichgewicht und verhakte sich endgültig. Verhältnisse kamen auf, die nicht hatten möglich sein sollen, auch und gerade in einer Krise nicht. — Für den Satz >Not kennt kein Gebot< gibt es nicht einen einzigen denkbaren Anwendungsfall, weil eine Verfassung genau dann verläßlich sein muß, wenn es darauf ankommt. Wir leben nicht in einer Schönwetterdemokratie. Ganz offenbar fehlt allerdings ein fundamentaler Diskurs über Notstand und Grundgesetz. Kevin allein zu Haus

    Nun war die Politik ganz >allein zu Hause<. Keine anderen Gewalten, keine Lobbys und auch keine Kritiker mochten sich noch zu Wort melden, denn viele von ihnen waren bereits exkommuniziert. In den vielen Talkshows sah man immer wieder die Anspannung in den Gesichtern, bloß nicht ein womöglich verräterisches Wort zu benutzen, das unmittelbar zur Exkommunikation geführt hätte.

    Dieser Zustand ist eine sozio-kulturelle Katastrophe, denn diese Konstellation entspricht genau dem, wovor der Soziologe Niklas Luhmann immer wieder gewarnt hat: Angstkommunikation und Entdifferenzierung. Das bedeutet in Analogie nichts geringeres als ein multiples Systemversagen. Es ist ein Rückfall in den Absolutismus, wenn die Gesellschaft in künstliches Koma versetzt wird. — Die Politik ist völlig überfordert, sie kann nicht leisten, was sie sich da aufbürden läßt. Daher werden die Maßnahmen immer radikaler und immer endloser.

    Das Schweigen der Richter

    Gewaltenteilung, Föderalismus, Meinungsverschiedenheit, Diskurse, der Anspruch auf Selbstverantwortung und Mündigkeit, das alles sind keine Störungen, gerade in einer Krise nicht. Aber vielen wurde weisgemacht, daß dem so wäre. Manche gaben dem nach, andere blieben beim Zweifel und durch die Gesellschaft ging ein Riß, bei dem sich die unterschiedlichen Ansichten nicht mehr miteinander ins Gespräch bringen ließen. — Dabei ist gerade die Vielfalt der Hinsichten die alles entscheidende Bedingung für die Möglichkeit einer umsichtigen Politik und einer zeitgenössischen Kultur, die dem Untertanengeist, Fremdbestimmung und der Bevormundung endgültig Valet sagen sollte.

    Die Corona–Krise bietet auch eine Chance, den Untertanengeist in Deutschland endlich zu überwinden, den autoritären Charakter und vor allem das misanthropische Menschenbild. Warum übertragen wir nicht den Geist der Reformpädagogik auch auf ein neues Verständnis einer zeitgemäßen Politik? In Psychologie und Pädagogik wird spätestens seit den 70er Jahren nicht mehr mit Bevormundung, sondern mit Einvernehmen agiert.

    Wir müssen unbedingt unterscheiden zwischen Staat, Gesellschaft und Gemeinschaft. Wer das alles zusammenbringt, führt zumeist nichts Gutes im Schilde. – Ein Staat ist keine Gemeinschaft, auch eine Gesellschaft ist er nicht. Ungehindert vergeht sich der Staat nicht selten an der Gesellschaft, denn Staat und Gesellschaft ziehen nicht unbedingt an einem Strang. Daher ist die Verfassung so entscheidend, weil sie erst die Rahmenbedingungen schafft und sicherstellt, daß alle diese Gewalten getrennter Wege gehen müssen. Sie sollen nicht eins sein, sie sollen und müssen miteinander ringen: “Auditatur et altera pars” — Man höre auch die andere Seite. Das findet wiederum im Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes seine Entsprechung: Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.”

    Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit obliegt den Verfassungs- und Verwaltungsgerichten. Seit Beginn der Corona-Krise wurde erwartet, daß enorme Unverhältnismäßigkeiten konstatiert würden. Das war aber nicht der Fall. Auch war es nicht der Fall, daß klärende Worte durch oberste Richter gesprochen worden wären. — Ein nicht unbeträchtlicher Anteil an der Protestkultur läßt sich auch auf das Schweigen der Richter zurückführen und die Unsicherheit, in der die Gesellschaft sich selbst überlassen wurde.

    Die Corona–Krise ist ein umfassender, mehr als nur politischer, sondern vielmehr soziokultureller Konflikt von höchster Brisanz. Über Wochen und Monate wurden grundsätzliche Urteile und Einlassungen des Bundesverfassungsgerichts förmlich gewartet, aber nichts geschah. — Es mutet an, als hätten die Richter in den roten Roben, wie weiland der römische Stadthalter Pontius Pilatus, sich eine Schüssel mit Wasser reichen lassen, um die Hände in Unschuld zu waschen.