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    Berühren verboten!

    Aber Gedanken sind frei

    Der Verlust an Nähe ist das eigentliche Problem. Ein Eisberg, von man die Tiefen nur ahnen kann.

    Seit Ischgl wissen wir, es kommt auf die Viruslast an. Man infiziert sich kaum im Vorbeigehen, auf die Gefahren der Nähe kommt es an.

    Kultur ist am Feuer entstanden. Vorne wird man gut angebraten und von hinten friert es. Also rückt man noch näher aneinander und reibt sich gegenseitig den Rücken. Und dazu werden berauschende Substanzen gereicht. Man starrt wie hypnotisiert ins Feuer, öffnet sich dem Anderen, dann wird erzählt…

    So sind die ersten Geschichten der Menschheit ausgetauscht worden. Und während man da so sitzt, kreisen drumherum die Ungeheuer. Wohlige Schauer laufen über den Rücken. Das ist Geborgenheit.

    Und dann steckt man die Köpfe zusammen. Wie oft saßen wir nächtelang schwitzend beieinander. Im Nebel aller erdenklicher Körperausdünstungen.  Menschen sind Säugetiere, sie machen sehr viel mit der Nase. Auch die Wahl von Partnern und Freunden geht über den Geruch.

    Aber jetzt traut man sich nicht einmal mehr, die Nasenflügel zu blähen. Es liegt womöglich Corona in der Luft. Also besser nicht allzu tief und frei atmen. Als wäre Nähe inzwischen nur noch etwas für Lebensmüde.  

    John Collier: Circe (1885).

    Was der Verlust an Nähe mit den Menschen macht, dürfte ebenso gefährlich sein, wie die Ängste, die Kinder in den Suizid treiben. Wie soll man Kindern, Dementen und Sterbenden erklären, daß Nähe gefährlich geworden ist.

    Es ist, wie eine Umprogrammierung. Man soll Nähe zulassen, sich berühren lassen, empathisch sein, andere auch gern einfach umarmen, weil es mehr ist als eine Geste, es ist ein Bekenntnis der Mitmenschlichkeit.   Und jetzt?

    Das ist wohl der Grund, warum der Haß immer größer wird.

    Berühren verboten! Nähe ist verdächtig geworden.

    Kultur ist Nähe, also gefährlich. Denken sowieso.

    Aber Philosophie findet im Kopf statt. Die Gedanken sind frei.

     

     

     

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    Verstehen

    Über Sacha Lobos „Denkpest“

    und die Steingärten des Denkens

    Hannah Arendt stellte sich im Interview mit Günther Gaus vor mit dem Satz: „Ich will verstehen!“ Das spricht mir aus dem Herzen. Ich muß, was ich verstehen will, überhaupt nicht teilen und derselben Meinung sein. Ich muß es nur nachvollziehen können, denn Verstehen ist eine Art Mit–Sein. Nicht–Verstehen, Unverständnis, Falschverstehen, Mißverstehen, das alles ist problematisch und gewissermaßen unphilosophisch.

    Sollten wir nämlich auf falscher Grundlage zu einem Urteil oder zu einer Reaktion gelangen, ist das alles natürlich auch falsch. Wir hätten dann ja rein gar nichts verstanden, glaubten aber dennoch, darüber auch noch abschließend urteilen zu können.  Die Kunst des Zuschauers verlangt daher, ohne Ansicht der Person, der Partei und auch ohne Ansehen der eigenen Vorurteile möglichst alles in Betracht zu ziehen.  

    In der Denkpraxis ist das binäre Kodieren, wonach alles entweder ganz wahr oder ganz falsch ist, natürlich völlig naiv. Es gibt immer irgendein Fünkchen Wahrheit und sei es noch so klein.

    Ein Wort von Sacha Lobo dieser Tage läßt tief durchblicken und erahnen, wie militant Parteilichkeit praktiziert wird. Er spricht allen Ernstes von der „Denkpest“ dieser Tage. Er meint wohl, andere sollen nicht so viel nachdenken, es sei denn, man dächte das Denken der Vorbeter, wie er einer ist. Denken ist aber nun mal kein Nachbeten.

    Ich habe mehrfach in meinem Buch ernsthafte Versuche unternommen, den Gipfel der Verschwörungstheorien zu erklimmen, den QAnon-Mythos. Der Mega–Plot hat was, denn wir leben ja angeblich darin.

    Das ist ja alles auch spannend: Also, in der Nähe des einzig wahren Präsidenten Trump soll sich ein gewisser Herr Q aufhalten, der wie ein guter Geist diesem gescheitesten aller Präsidenten dabei helfen soll, den „Deep State“, den Sumpf einer verschworenen Elite und das ganze Machtkartell ihrer Privilegien auszutrocknen. Anweisung von der Regie: Bitte nicht darauf achten, daß Trump doch selbst einer von denen ist…

    Generalanweisung der Regie: Generell bitte nicht zu sehr auf Widersprüche und vor allem nicht auf Selbstwidersprüche achten. Auch das Ockhams Rasiermesser, also das Prinzip der Denkökonomie, darf vorerst nicht zum Einsatz kommen! Es gibt eine ganze Reihe philosophischer Methoden, die bei diesem Selbstversuch nicht zum Einsatz kommen dürfen, will man den Gipfel dieser Verschwörung erklimmen.

    Die Kunst des Zuschauers macht es erforderlich, jede beliebige Perspektive einnehmen zu können, also auch solche. Es ist allerdings abenteuerlich, dort überhaupt hinzugelangen. Am besten versorgt man sich gleich zu Beginn dieses Weges mit passenden Allegorien. Zum Beispiel wirkt der Weg, um auf den Berg dieser Verschwörung zu kommen, eher märchenhaft. Es scheint, als wäre es eine verrückte Welt, besser noch, als wäre es nicht wirklich diese Welt, sondern eine mit sehr viel Phantasie und Absurditäten.

    Das fiel mir auf, als ich heute einen Artikel las über diesen QAnon–Schamanen beim Sturm auf das Kapitol. Ich habe sodann versucht, mir   aus seiner Perspektive   seine Motive zu eigenen zu machen, ohne sie zu teilen. Ich will einfach nur verstehen, wie man ticken muß, um wie er zu sein.

    Es sei kein Angriff auf dieses Land gewesen, das sei nicht sein Motiv, sagte Jake Angeli dem US-Sender CBS News in seinem ersten Interview nach seiner Verhaftung. „Ich habe ein Lied gesungen, das ist Teil des Schamanismus. Es geht darum, positive Energie in einer heiligen Kammer zu erzeugen“. Seine Absicht sei es gewesen, „Gott zurück in den Senat zu bringen“. Deswegen habe er dort „ein Gebet gesprochen.“ Nun das klingt subjektiv glaubwürdig.

    Er wußte also, daß er einen Ort mit großer Bedeutung doch eigentlich als Unberufener einfach so besetzt und damit doch vielleicht eher selbst entweiht hat. Ich hätte nicht übel Lust auf einen Disput mit ihm genau darüber.

    Übrigens kommen jetzt gewiß bei einigen Nicht–Facklern und Durchgreifern die üblichen Formulierungen auf wie: „Spielt doch keine Rolle, was er sich dabei gedacht hat. Ab ins Gefängnis und Schluß mit der Debatte!“

    Vorsicht, das Bild dieses singenden QAnon–Schamanen ist zur Ikone geworden, vielleicht auch, weil es das schlechte Gewissen bedient, den indianischen Ureinwohnern gegenüber. Diese Bildikone ist in aller Köpfe und wirkt, auch auf die stolzen Besitzer von Steingärten des Denkens, in denen garantiert nichts mehr wächst.

    Aber genau darum geht es doch eigentlich: Gedanken anzuzüchten wie in der Infektiologie, um zu sehen, was sie eigentlich für welche sind. Und natürlich treffen auch Philosophen ihre Schutzmaßnahmen.   Ich muß zugeben, daß das Verstehen-Wollen manchmal etwas zu viel wird. Mir ist mehrfach wie bei einem kollossalen Systemfehler das ganze Denken zusammengebrochen. Ratsam wäre es, wenigstens nicht auch noch an den Ästen sägen, auf denen man gerade sitzt.

    Nun macht das Verschwörungsdenken ja deswegen so große Probleme, weil man es „nachwollziehen“ will, um es aus seiner Perspektive zu verstehen, weil aber immerzu behauptet wird, das alles sei wirklich wirklich wirklich. Also das mit der Pizzeria, in deren Keller kleine Kinder verkauft werden, das mit der Schuppenhaut von “Bill Gates”, den ich in seiner Rolle als angemaßter Weltgesundheitsminister völlig inakzeptabel finde, das mit dem “Deep State” oder auch das mit dem “Great Reset”, also dem „Menschenaustausch“. 

    Alle diese Theoreme bringen denkerisch ganz erhebliche Belastungen mit sich, es sind Attacken, die schnell zur Systemüberlastung führen, so daß zusammenbrechen muß, was eigentlich obligatorisch wäre. Das macht die Gespräche mit aktiven Verschwörungstheorie–Anhängern so schwierig, weil man schnell konfus wird darüber, daß sie von eins aufs andere kommen. Alles hängt mit allem zusammen, gewiß, nur sieht man es auch beim besten Willen nicht. 

    Mein Lieblingssatz aus der Ethologie lautet folgendermaßen: Der Schamane Katka sieht auf einem Baum eine Hexe. Ich sehe, wie Katka die Hexe sieht, sehe aber selbst die Hexe nicht. Nun damit sollte man schon klarkommen, als Ethnologe und auch als Philosoph.

    Mit dem hypothetischen Für-Wahr-Halten ist das so eine Sache. Da irren die Steingarten-Besitzer nicht. Und die Denkpest von Sacha Lobo fordert tatsächlich ihre Opfer, wenn man denn keine Methoden hat und noch dazu die Hosen voll. Es könnte sich ja irgendwas Ungeheuerliches als wahr herausstellen und was dann? Daher die Steingärten, in denen gleich gar nichts wächst. 

    Aber ich habe mich nie damit zufriedengegeben, nur über Verschwörungstheorie zu reden und mich darüber billig zu amüsieren. Ich habe es mehrfach und immer wieder anders versucht, obwohl so ein Breakdown ziemlich viel kostet. Es dauert, bis man danach einigermaßen auf der Höhe ist und sich wieder selbst über den Weg trauen kann, von wegen: All Systems Running.

    Ich hatte bereits bei vorangegangenen Untersuchungen feststellen können, daß manche der Ereignisse, von denen in den Verschwörungs–Theoremen gesprochen wird, tatsächlich in der Menschheitsgeschichte vorgekommen sind, wie etwas der “Menschen–Austausch”, etwa mehrfach durch die Pest oder auch durch die Sintflut, also den Einbruch des Schwarzen Meeres, was inzwischen nachweisbar geworden ist.

    Mit der Hypothese, daß wir das alles präsent haben im kollektiven Unbewußten, läßt sich dann auch nachvollziehen, warum diese Horrorvorstellungen präsenter erscheinen als sie es sind. Das ist dann auch der entscheidende Aspekt, daß so etwas stattfinden kann und auch bereits geschehen ist, daß man aber   jetzt kommt Ockhams Rasiermesser doch zum Einsatz nicht ohne weiteres behaupten darf, daß beispielsweise jetzt der “Great Reset” wieder unmittelbar bevorstünde.

    Man macht diese Behauptung gern fest anhand eines Appells von Klaus Schwab, dem Leiter des Bonzenfestivals in Davos, genannt Weltwirtschaftsforum. Auch da läßt sich die Perspektive durchaus übernehmen. Es ist vom „Great Reset“ die Rede, weil es um die menschengemachte Welt ökologisch, ökonomisch und politisch überhaupt nicht gutsteht. Es braucht in der Tat einen Kurswechsel, ein Update, einen Reboot, um die Metapher voll zur Geltung zu bringen. Aber nun anzunehmen, es käme dabei auf einen Gen–Austausch etc. an, ist reichlich bei den Haaren herbeigezogen und bedürfte daher eigens einer hinreichenden Begründung, warum das denn doch gelten soll, warum diese Behauptung glaubhaft sein soll.

    So weit so gut. Das genügt mir aber noch nicht, denn es ist noch nicht hinreichend für das Verstehen. Bis ich heute darauf kam, wie man auch und ganz bewußt mit Verschwörungstheorien umgehen könnte.

    Es sind Träume. Daher haben sie alle Rechte von Träumen und so gut wie keine Pflichten. Denn Träume machen ja nun wirklich, was sie wollen. Und dabei regen wir uns auch nicht darüber auf, daß sie wirr sind, unrealistisch, blödsinnig und sonstwie für den hemdsärmeligen Intellekt einfach ein Ärgernis, weil er nicht weiß, wie und wo er anpacken soll.

    Anders geht damit jedoch unser Geist um, über den wir auch verfügen sollten, falls wir keine stolzen Steingarten–Besitzer sind und auch nicht Sacha Lobo heißen. Der Geist kann mitunter Träume deuten, und das ist die Lösung des Problems. Es sind „Träume“, zumeist Horrorträume, oft ohne Sinn und Botschaft aber auch das ist ja nun etwas, das wir den Träumen zugestehen müssen. Wir sollten die Zeichen darin sehen und erkennen, um ihnen die Bedeutung zuzugestehen, wie wir sie manchmal auch Träumen geben, wenn sie uns etwas zu Verstehen geben, zumeist auf symbolischer Ebene. 

    Am Ende kommt es darauf an, was der Zuschauer im Rücken des Zuschauers sieht. Was er glaubt, ganz allmählich verstehen und dann sogar auch in eigenen Worten vertreten zu können. Das ist dann wiederum der Abstieg aus den massiven Gebirgen unserer Phantasien, die wer weiß wo in den unendlichen Weiten unseres Unbewußten zu besuchen sind, denn dort sind sie in der Tat „real“.   

    Es liegt an den Grenzen der Sprache, denn zumeist fehlen einfach die Worte. Und im übrigen regelt die Grammatik das Privileg der Phänomene generell, ob sie für die Wirklichkeit überhaupt in Frage kommen. Wir können aber nun unser Denken nicht erweitern, wenn wir uns von der Grammatik das Denkmögliche vorbeten lassen. Die deutsche Sprache hat einige Entwicklungen noch nicht genommen. Sie verfügt über keinen Irrealis als eigenständigen Modus, jedoch über das Konzept.

    Der Konjunktiv II kann dazu benutzt werden, einen Irrealis der Gegenwart und einen Irrealis der Vergangenheit zu bilden, der als irreales bzw. unerfüllbares Konditionalgefüge erscheint:

    Wenn ich gedanklich reich wäre, also keinen Steingarten des Denkens hätte und auch nicht Sacha Lobo hieße, böten sich mir mehr Möglichkeiten des Verstehens. (Irrealis der Gegenwart, mit Konjunktiv II)

     

     

     

     

     

     

     

     

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    Querkopf II

    Worum es geht? Darum, daß wir alle selbst denken

    Als das Orakel von Delphi mit dem Spruch herauskam, Sokrates sei der Weiseste unter den Athenern, hatte er nichts Besseres zu tun, als daran zu zweifeln.   Jetzt müßte der Chor des Mainstreams energisch ausrufen: Das ist Gotteslästerung gegenüber Apollon, dem Herrn des Orakels zu Delphi!

    War es das? Vielleicht ja, vielleicht nein. Wir wissen nicht, was Apollon gesagt hätte.

    Aber Sokrates hatte nun einmal nicht den Eindruck von sich, wirklich weise zu sein. Also „testete“ er alle anderen, von denen er annehmen mußte, sie verstünden wenigstens was von ihrer Sache und da er nun mal von gar nichts was wußte, mußten sie ja nun nachvollziehbar auch als weiser erscheinen. Er hat dann ganz Athen gegen sich aufgebracht, aber das ist eine längere Geschichte…

    Das bei derartigen Untersuchungen etwas Überraschendes herauskommt und eben keine Petitio Principii, ist ja der Grund, warum man sich überhaupt solcher Mühen unterzieht, an allem zu Zweifeln. Und Descartes als Vater der Methode des systematischen Zweifels hatte zeitlebens Angst vor der Inquisition.

     Man wird aber auch immer mal wieder belohnt dafür, sich mit Zweifeln abzugeben.

    Erst so kommt man zur eigenen Sicht, zu Inspirationen, zu Vorstellungen, daß irgend etwas auch ganz anders gesehen, gewesen oder sein könnte. Das ist der Moment, wo im Krimi der Kommissar nach der vermeintlichen Lösung des Falles einem entsetzten Kollegen sagt: Das war zu einfach, wir fangen jetzt noch einmal von vorne an!

    Mir ist nun derweil tatsächlich etwas Überraschendes untergekommen, als ich versucht habe, dahinterzukommen, was denn wohl die Motive der Impfverweigerer sein könnten. So arbeite ich und das ist meine Methode: Man glaubt einfach alles, tritt gutwillig wie ein Kind voller Vertrauen heran und versucht alles nachzuempfinden, um aus der Perspektive des Anderen einfach nur zu verstehen. Dabei muß man die Einstellung nicht wirklich übernehmen oder gar teilen. Es genügt bereits, die Beweggründe nur nachvollzogen zu haben.

    Als Philosoph weiß ich nun wiederum aus Erfahrung, daß die meisten Thesen schon bei der Vorstellung in sich zusammenbrechen, sie können sich einfach nicht halten aus vielerlei Gründen. Oft haben sie gar kein Fundament. Sobald sie stabil erscheinen, mache ich Belastungstests wie die Brückenbauer es tun. Ich will genauer wissen, wie belastbar eine These ist und wann sie, unter welchen Umständen, wie schnell kollabiert.

    Das Besondere an den allseits verteufelten Ungeimpften scheint mir zu sein, daß sie es sich nicht leichtgemacht haben, zu ihrer Entscheidung zu kommen und dann auch dazu zu stehen. Mich reizt immer die Qualität von Begründungen, daher teste ich möglichst vieles tagtäglich auf philosophische Dignität. Ich teste nicht auf Kompatibilität zu den Glaubensbekenntnissen des Mainstreams. Da interessiert mich vieles andere, etwa, woher diese Kirchengläubigkeit kommt, die jetzt „die“ Wissenschaft zum einzig wahren Glauben erklärt und in allen Zweiflern nur gemeingefährliche Ketzer sieht.

    Es geht um sehr viel mehr in der Corona-Kris. Und auch beim Philosophieren geht es um alles. Das Ganze ist immer das, was man mit Spekulationen andauernd in Erfahrung zu bringen versucht, das Ganze ist die Vernunft. Die vielbeschworenen Rationalitäten, im Plural, stehen immer nur für einen Teil des Ganzen.

    Meinen vielen Untersuchungen zufolge ist es die Aufgabe der Vernunft, Modell–Vorstellungen vom großen Ganzen zu entwickeln. Also wann wäre etwa eine Expertenrunde vollständig, welche Positionen müssen einfach vertreten werden? Das war mein Job in der Technikfolgenabschätzung über viele Jahre, so etwas zu organisieren, zu moderieren und den Diskurs darüber zu initiieren. Wenn ich dagegen heute sehe, wie engstirnig, ja hochnotpeinlich einseitig die öffentlichen Debatten verlaufen, dann bin ich auf der falschen Party.

    Wir haben es, so meine Diagnose, mit multiplen Systemversagen zu tun, was nicht hätte müssen sein. Die Hauptlast der Verantwortung liegt beim Bundesverfassungsgericht und dann bei den Medien, weil sie von Anfang an in Konkurrenz zum Internet auf Eskalation gesetzt haben. Die Politik hat sich verführen lassen, den großen Zampano zu geben.

    Genau davor hat der heilige Niklas (Luhmann) immer gewarnt, zu glauben, man könnte den Autopiloten der Systeme mal abschalten und auf Handsteuerung gehen. Sorry, die Pilotenkanzel ist unbesetzt! Ja es gibt sie nicht einmal, die Hebel der Macht. Da irren viele derer, die wirklich was dafür geben würden, wenn es die eine Geschichte von dem einen Bösen, also vom Haupt der Verschwörung wirklich gäbe, so wie bei James Bond, den ich deswegen mit Eifer schaue, weil er so rein gar nichts mit der Wirklichkeit zu tun hat.

    Philosophie ist die Mutter aller Wissenschaften, daher haben wir auch einen Zugang zu allen Disziplinen. Als sie sich emanzipiert haben, um selbständige Wissenschaft zu werden, haben sie die radikalsten Fragen in der Philosophie zurückgelassen. Daher und daran läßt sich zu jeder Zeit sehr leicht anknüpfen. Wir haben jeder Zeit jeden Zugang.  

    Aber Philosophie ist auch eine Wissenschaft, was mich damals, als ich anfing, schwer begeistert hat, daß sogar die Denkfehler einen Namen haben, wie gute alte Bekannte.   Aber Philosophie ist auch Literatur, also arbeitet sie mit Metaphern, Mythen, mit allen erdenklichen Motiven für Idealvorstellungen, wie es die Götter für uns sind.

    Worum es geht? Darum, daß wir alle selbst denken, auch auf die Gefahr hin, schief angesehen zu werden, was man sich denn wohl einbildet. Das ist nun mal der Preis. Und im übrigen besteht die Gefahr, ganz enorm daneben zu liegen.

    Vieles ist eine Frage der Methode, und es gibt ein paar ziemlich gute Methoden. Ich bezeichne eine davon als die „Kunst des Zuschauers“, die andere als „Philosophie in Echtzeit“. Und über allem hängt als Damoklesschwert der Leitspruch meiner Philosophie: Und hättest Du geschwiegen, wärst Du Philosoph geblieben!

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

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    Querkopf

    Bekenntnisse eines Selbstdenkers

    Jacques-Louis David: Der Tod des Sokrates (1787).

    Ich bekenne nicht ohne Stolz, daß ich schon immer ein Querkopf war. Das hat mich früh in die Philosophie getrieben, der einzige Ort, wo die böse Warum–Frage ausgehalten werden muß und jeder Gedanke seine Chance bekommt. Auch Gefühle und Inspirationen gehören dazu, sogar das, wofür noch gar keine Worte vorhanden sind.  

    Querköpfe sind eher unbequeme Charaktere. Meinen Eltern war das ein Graus. Tatsächlich hat mein Vater im Zorn einmal zu mir gesagt: „Nie beugst Du Deinen Rücken!“ 

    Da war ich baß erstaunt, denn was konnte für einen angehenden Denker größer sein als dieses Lob. Und meine Mutter sagte: „Nie machst Du es so, wie alle anderen es machen. Immer machst Du alles auf Deine Weise!“  Ja, auch das stimmt. Nur nehme ich diese Kritiken als Lob der Anerkennung.  

    Neulich habe ich einen Freund besucht, ehemaliger WG–Genosse, lange Zeit mein Hausarzt, auch da habe ich immer meinen Kopf durchgesetzt. Auf dem Weg zu ihm, in Vorahnung auf die Ermahnungen dachte ich amüsiert über mich selbst nach.

    Ich nehme keine Betablocker, höre nicht wirklich auf den Rat von Ärzten, lasse mich allenfalls beraten und bilde mir mein eigenes Urteil vor dem Hintergrund meiner Kenntnisse. Ich schnalle mich im Auto nicht an, weil ich der Auffassung bin, daß der Staat nicht das Recht hat, mir das abzuverlangen. Ich bin gegen das Rauchverbot, obwohl ich selbst seit Jahrzehnten nur noch rauchen lasse. Es gibt diese Eigentümlichkeit bei Rauchern, daß sie irgendwie „wacher“ sind und für mich und meinen Geist einfach oft die besseren Gesprächspartner.

    Und noch nie habe ich eine Grippeschutzimpfung machen lassen, und wie selbstverständlich bin ich auch gegen Corona rein gar nicht geimpft. Und natürlich verwende ich auch die Alte Rechtschreibung. Da kommt also einiges zusammen: Ungeimpft, Gefährder, Wissenschaftsfeind, Covidiot, Verschwörungstheoretiker, Esoteriker.  

    Seit Februar 2020 schreibe ich an einem Buch zur Philosophie über die Krise, vor allem auch über die „Schließung der Diskurse“. Ganz früh wurden nämlich sehr viele Perspektiven einfach ausgeschlossen. Wer dann noch so etwas überhaupt ansprechen wollte, war schon draußen, exkommuniziert wie in der Kirche. Und viele Medienvertreten haben sich dann auch noch ereifert mit Verunglimpfungen jeglicher Art. Man hat die Kritiker nie ernst genommen, weil man einfach daran glaubt, den richtigen Glauben zu haben, streng wissenschaftlich natürlich.

    Alles im Namen „der“ Wissenschaft, welcher eigentlich? Seither gelten Glaubensbekenntnisse, die viele bereits im Halbschlaf herunterbeten.

    Ja, die Gesellschaft polarisiert sich, weil der Eindruck erzeugt wird, die Ungeimpfen seien verantwortlich dafür, daß die ganze Gesellschaft sich bisher noch nicht „freiimpfen“ konnte. 

    Daran sind wie üblich die Ungläubigen schuld. – Die Impfung ist zur Taufe geworden, es geht zu wie im Mittelalter. Aber der Kirchenglaube hält sich inzwischen auch noch für aufgeklärt. Man sieht kausale Zusammenhänge: Wer sich nicht impfen läßt, kommt ins Fegefeuer, das sei so sicher wie das Amen in der Kirche. Aber die Diskurse laufen weiter, wenn nicht in den üblichen Medien, dann eben im Netz. Inzwischen gibt es schon Dating-Portale für Ungeimpfte.

    Mir ist neuerdings etwas Phänomenales aufgefallen, was ich mir bislang noch nicht erklären kann. Man fragt sich ja inzwischen den Impfstatus ab: Männlich, weiblich, divers, geimpft oder ungeimpft? Dabei ist mir aufgefallen, daß mir „die“ Ungeimpften oft die sympathischeren Menschen sind.

    Nein, nicht weil sie ungeimpft sind, sondern weil sie ihre eigenen Gründe haben, nicht geimpft zu sein. Und das hat wiederum etwas mit meinem Querkopf zu tun, denn sie haben auch einen, über den sich immer zu Reden lohnst.  Man ist doch gern in guter Gesellschaft.

    Die mir lieb gewesene Bezeichnung vom „Querdenker“ ist inzwischen bereits verbrannt. Aber meinen Querkopf lasse ich mir nicht nehmen.

    Philosophen sind nun in der Höhle nicht sehr beliebt, sie stören den Normalverlauf, daher das Urteil gegen Sokrates. Früher als der Prophet der Christen ist da einer für seine Denkungsart in den Tod gegangen. Er hätte sich retten können, denn alles war arrangiert, der Wächter bestochen, die Gefängnistüre offen und dahinter standen schon die Pferde für die Flucht nach Sparta, wie sie Protagoras wohl 10 Jahre früher bereits absolviert haben soll.  Wenn man nun darüber nachdenkt, warum Sokrates geblieben ist, dann kommt man irgendwann darauf, daß er in Athen bleiben mußte, um weiterhin Sokrates zu sein. Er hätte sich selbst verraten, wäre er geflohen.

    Das ist dann auch die Geste, die dann vom Christentum gekapert worden ist. Nicht auf den christlichen Himmel, auf die göttlichen Ideen kommt es an! Ja, das wäre die allerbeste Gesellschaft.   

     

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    Über die Pflicht zum Ungehorsam gegen den Staat

    Über Menschenwürde und Impfzwang

    Viel war immer von „Würde“ die Rede, gerade in Deutschland. Dieser Begriff war wie ein Fetisch, man hob ihn sehr hoch und höher. Aber den allermeisten war das Gemeinte so faßbar wie die Begriffe Leib und Seele.

    Und da nun die „harten“ Wissenschaften keinen Zugang haben zu alledem, ist es eigentlich schlecht bestellt um das,  was gemeint sein könnte. Allenfalls wird widerwillig noch so etwas wie Psyche zugestanden aber dann auch nur mit einem Manko. Wenn etwas „psychologisch bedingt“ ist, dann ist es zugleich „nur psychologisch“.   Es ist gewissermaßen grundlos, weil es ja nun keine „kausale“ Ursache gibt, oder?

    Das ist der bornierte Materialismus einer Kultur, die inzwischen gefährlich geistlos geworden ist, wie sich an der aktuellen Debatte um den Impfzwang zeigt.

    „Würde“ ist unfaßbar für alle diejenigen, die meinen, es gäbe nur eine einzige Wahrheit, nämlich diejenige, die sich in Zahlen messen und naturwissenschaftlich thematisieren läßt. Ja und Liebe wird zur Hormonstörung, ist es nicht so? Und Schönheit kommt von außen, tausend InfluencerInnen können nicht irren?

    Alles, was nicht ins Prokrustenbett dieser Unbildung paßt, wird passend gemacht. Das geht so weit, daß BiologInnen in den Talkshows der Republik unwidersprochen zwischen Glauben und Wahrheit unterscheiden, um dann “die Wahrheit” für sich zu reklamieren. Und alles andere ist Hokuspokus? – Ich muß doch sehr bitten.

    Das Niveau ist inzwischen unterirdisch. Die so scheel beäugte Psyche geht gerade über Hecken und Zäune. Es geht schon längst nicht mehr um körperliche Gesundheit. Wir haben es mit einer Massenhysterie zu tun, die nun Sündenböcke braucht, weil aus alledem, was man sich versprochen hat, durch Impfen wiederzugewinnen, nichts wie erwartet gekommen ist.  

    Dabei wurde von Anfang an rücksichtslos alles ins Opferfeuer geworfen, ob es das Seelenheil von Kindern ist, denen man sagte, sie würden den Tod bringen oder die Würde der Sterbenden und Dementen, die ohne jede menschliche Berührung wegdämmern und sterben. Die Liste ist inzwischen unübersehbar, was da an Schäden angerichtet worden ist.

    „Würde“ ist ein höchst intimes Selbstverhältnis zwischen Ich und Selbst, Körper und Psyche, Leib und Seele, Sinnlichkeit und Geist. Es ist dieser seltsame Widerspruch, daß wir von den einen nicht einmal flüchtig berührt werden möchten, während wir uns den anderen mitunter vorbehaltlos hingeben können. Das hat etwas mit einem Vertrauen zu tun, das nicht eingefordert werden kann.

    Was haben wir denn für Bilder im Kopf, wenn „unser Körper“ gerade mit etwas ringt? Das sind Narrative, die wir uns durch den täglichen Wissenschaftsjournalismus einfangen. Als ob das alles wäre, um zu sagen, wer und was „wir“ denn so alles „sind“.

    Naiv sind weniger die der Esoterik Verbundenen, sie versuchen wenigstens eigene Worte zu finden für dieses Intimverhältnis. Während die anderen nur ihre Geistlosigkeit demonstrieren und einen längst arbeitslos gewordenen Kirchenglauben nunmehr auf „die“ Wissenschaft richten, ja welche denn?  Es gab zu allen Zeiten einfache Gemüter und diese wußten darum. Nur, inzwischen halten sich diese auch noch für aufgeklärt, wenn sie daran gehen, andere zu belehren, um sie auf den richtigen Glaubensweg zu bringen.

    Der Mensch lebt nicht vom Brot allein und das Leben ist der höchsten Güter nicht; vieles, unendlich vieles ist schon gesagt worden darüber, daß es Dinge gibt zwischen Himmel und Erde, zwischen Körper und Geist, von denen sich unsere Wissenschafts–Weisheiten nun wirklich nicht einmal eine Vorstellung machen können.

    Alle diese Schuster sollten bei ihren Leisten bleiben, denn es ist zwischen Technik– und Naturwissenschaften einerseits und zwischen Geistes– und Kulturwissenschaften andererseits zu unterscheiden. Und die Borniertheit mancher Fachvertreter und ihrer Nachbeter sollte uns nicht darüber hinwegtäuschen, daß wir es mit einer komplexen und auch tiefgründigen Wirklichkeit zu tun haben.  Wir haben eine Innenwelt, die es mit den unendlichen Weiten des Kosmos spielend aufnehmen kann, wenn man bedenkt, wer und was in unserer Phantasie so alles leibhaftig ist.

    Als ich in einem Thinktank vorzeiten desöfteren interdisziplinäre Expertenkreise moderiert habe, gab es nicht selten diese Kindlichkeit im Auftreten von Sachverständigen, wenn sie mal für etwas nicht zuständig sind, sondern andere, noch dazu konkurrierende Disziplinen. Man mußte dann schon energisch werden, um sie dahin zu bewegen, nur über ihre Sache sprechen, wovon sie schließlich etwas verstehen aber nicht andere schlecht reden.  Genau das aber geschieht nun in dieser Gesellschaft. Da sucht eine aufgehetzte Mehrheit nach Sündenböcken und erklärt alle Andersdenkenden zu „Gefährdern“.

    Die Mehrheit hat nicht das Recht, sich so eine Minderheit zu erschaffen, um dann über sie herzufallen, nur weil sie sich hat Angst machen und mit falschen Versprechungen und trügerischen Hoffnungen ins Bockshorn jagen lassen. Die Gesellschaft hat nicht das Recht, so zu tun, als sei sie eine Gemeinschaft und hätte dementsprechende Rechte. Gerade unsere real existierende Gesellschaft ist sozial kälter als viele andere, daher hat sie sogar noch weniger Rechte als jene.

    Der Staat hat nicht das Recht, ein Impfregister aufzubauen, denn bereits das verletzt die Würde im Datenschutz und die informationelle Selbstbestimmung. Und der Staat hat schon gar nicht das Recht, in das intime Verhältnis zwischen mir und meinem Körper einzugreifen. Das wäre mehr als die Verletzung meiner Würde, das wäre bereits Mißhandlung. Nur eine Vergewaltigung wäre noch übler.

    Und für Neunmalkluge: Wenn ich in eine Alkoholkontrolle gerate und gefragt werden, ob ich mit einer „freiwilligen Alkoholkontrolle“ einverstanden sei, dann frage ich stets, was daran freiwillig sein soll. Wenn nicht, dann müsse ich eben mit zur Wache kommen, wo mir zwangsweise Blut für einen Alkoholtest abgenommen würde, erklärte mir der Beamte.  Da habe ich ihm wiederum erklärt, daß das keine Freiwilligkeit sei. Verdeutlicht habe ich es ihm am Beispiel seiner Kollegin, die daneben stand. Wenn ich diese auffordern würde, mich nicht abzuweisen, wenn ich ihr würde nahetreten wollen, weil ich ansonsten „Maßnahmen“ ergreifen würde, was das dann wäre. Nötigung mindestens, vielleicht Freiheitsberaubung, vielleicht mehr.

    Nur, wenn ich mit einem Fahrzeug am Straßenverkehr teilnehme, gebe ich gewissermaßen einen Teil meiner Grundrechte preis. Sollte mir das nicht geheuer sein, könnte aber auch auf das Fahren verzichten…  In der Corona-Krise habe ich diese Alternative nicht, ich kann nicht nicht leben oder mal eben auswandern.

    Die Geschichte wiederholt sich nicht, das ist eines der meistgeglaubten Standards, und dann werden immer wieder Analogien gesucht, wohl, weil wir dann doch aus den Fehlern der Geschichte lernen wollen. Ich denke in den letzten Wochen desöfteren an die berühmt-berüchtigte Schrift von Henry David Thoreau: Über die Pflicht zum Ungehorsam gegen den Staat:

    „Auf diese Weise konfrontiert der Staat nie das Innere eines, intellektuell oder moralisch, sondern nur seinen Körper, seine Sinne. Der Staat ist nicht mit überlegener Weisheit oder Redlichkeit ausgerüstet, er besitzt nur überlegene physische Stärke. Ich bin nicht geboren, um mich zwingen zu lassen. Ich will nach meiner eigenen Art atmen. Laßt uns sehen, wer der Stärkere ist.“ (Henry David Thoreau: Uber die Pflicht zum Ungehorsam gegen den Staat. 1849. S. 9.)

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    Klio dichtet

    Klio dichtet

    Es sind immer die Narrative.

    Auch dieses hier, diese Mischung aus Suppenkasper und dem Losungswort für eine neue Weimarisierung und dann die unsägliche Rede von den Covidioten. Ergo: Coronaleugner, Wissenschaftsfeinde, Faschisten, Verschwörungstheoretiker, Staatsfeinde, Schuldige.
     
    “Werdet wie die Kinder”, kann das ratsam sein? Denn Kinder und ihre Lieder sind oft grausam.
     
    Ich kann mich dunkel und peinlich berührt an eines aus der Nachkriegszeit erinnern:
    Hinter einer Bude, saß ein J*… Dann kam irgendetwas mit “Piepen”, also Geld und auch etwas mit “Läusen”. Aber Erwachsene haben flüsternd gebrüllt, wir sollte sofort aufhören damit…
     
    Gerade die Übertretung, insbesondere  die Herabsetzung von anderer bereitet oft eine gewisse Lust, die sich selbst freizusprechen bemüht ist. 
     
    Vor allem dann, wenn man glauben möchte, “denen” das Böse, das man ertragen muß, anlasten zu können.
     
    Wer sich also an ihnen vergreift, gibt ja nur zurück, oder?  Sie erhalten ja nur, was sie „verdient“ haben, oder?
     
    Ja?  Verdient wieso, wofür, weswegen?
    Tiefenpsychologisch läßt sich erklären, was da eigentlich gerade vor sich geht, wenn sich revanchistische Gefühle in den Vordergrund drängen. 
     
    Es ist schon befremdlich, mit welcher Häme zur Kenntnis genommen wird, wenn einer dieser Aktivisten stirbt an Corona! Und dann auch noch ungeimpft, also ohne getauft worden zu sein! Und jetzt schmort er im Fegefeuer.
     
    Weil wir uns allen Ernstes vorbehaltlos einer Riege von Epidemiologen anvertrauen, sind wir im Entwicklungsniveau wieder im Mittelalter angekommen, denn sie verstehen nur ihre Zahlen und sehen auch nur, was diese sagen.
     
    Ja und was sagen die Zahlen denn schon? Was sehen sie überhaupt?  Sie sehen nicht die Psyche, den Ruin vieler, den Untergang der Clubs, das Sterben der Kultur, den Verlust an Nähe und die seelischen Grausamkeiten gegenüber Kindern und Alten.
     
    Sie sehen nicht die Bürgerkriegspotentiale, den neuen Haß, das Versagen des Bundesverfassungsgerichtes, den Niveauverlust auf allen erdenklichen Ebenen.
     
    Dafür haben sie keine Zahlen, dafür sind sie auch nicht zuständig. Ja, das sind sie in der Tat nicht. Dann sollten sie auch nicht Empfehlungen geben, die sie gar nicht vertreten können, weil sie keine Ahnung haben davon, was Menschsein ausmacht. Menschen die Nähe, die Berührung, das intime Verhältnis zum eigenen Körper, Sterbenden die Berührung, Dementen die Besuche zu nehmen, ist das rettend?
     
    Sorry, selbst ein verstorbener AFD–Mann war, ist und bleibt ein Mensch mit allem, was dazu gehört. Etwas mehr Würde im Umgang sollte schon drin sein, selbst wenn sich gerade die AFD hier nicht verdient gemacht hat.
     
    Würde ist umso wichtiger, in einer Zeit, die den Grundgesetz–Artikel über die Würde gerade auf den Altären der Zahlenfetischisten ausbluten läßt um dem Gott der Geistlosen zu opfern.
     
    Nicht was sie wissen, die Herren und Damen Scientisten in ihrem unerschütterlichen Glauben an die Reinheit der Zahlen, sondern das, was sie alles nicht wissen, interessiert mich.
     
    Nie waren Zeiten so geistloser. Da treten Naturwissenschaftler auf, um ernsthaft über den Unterschied zwischen Wissen und Glauben zu fabulieren. Sie hätten nun mal das Wissen und die anderen nur Glauben.
     
    Sorry, Vertrauen läßt sich nicht einfordern, es wird einem gegeben, wenn man es sich verdient hat in den Augen derer, die ja vielleicht auf andere und auf anderes vertrauen.
     
    Wir haben einen neuen Aberglauben am Hals, einer, der sich aufgeklärt gibt, aber blind vertraut und dann auch noch blindes Vertrauen einfordert. Da kann man aber auch sehen, was Angst mit Menschen macht.
     
    Dabei wissen wir doch schon seit geraumer Zeit, daß der Zeitgeist zwischen Aufklärung und Aberglauben immer wieder hin und her pendelt.
     
    Der Glaube an die einzig wahre Epidemiologie zeigt den erbärmlichsten Stand der Humanität seit Menschengedenken. Wir sind fortan nur noch Biomaschinen ohne Psyche, Leib oder Seele, ohne Geist und Vernunft. Das alles zählt nicht, meint Klio, heute.
     
    Sie ist besoffen vom vermeintlichen Erfolg, Geister zu vertreiben, die sie selbst gerufen hat. Sie pinkelt des Nachts berauscht in einen Brunnen und steht Stunden davor, weil sie die eigene Größe verspürt, denn das Rauschen hört einfach nicht auf.
     
    Die Priester im Tempel der Vernunft kennen das alles. Es gibt unendlich viele Narrative, von denen alle irgendwann einmal äußerst wichtig sein werden. Das ist eine Frage, die im Tempel der Vernunft immer wieder neu gestellt wird. Wie wird das Wetter des Geistes morgen? Darauf kommt es an.
     
    Vernunft ist mehr als die Summe epidemiologischer Zahlen. Es geht nicht nur um die Materie im Körperlichen. Menschen sind sehr viel mehr als nur das. Auf den Geist kommt es an. Niemand und nichts ist näher am Licht der Vernunft.
     
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    Georg Stefan Troller zum Hundertsten

    Sich auf das Verstehen verstehen

    Er hat mich geprägt, denn er zeigt immer wieder, wie Verstehen möglich ist und wie fantastisch es sein kann. Dabei ist sein Verständnis oft etwas mutwillig hergeholt, aber genau damit wird er zum Vorbild.

    Ja, man kann verstehen, muß sich aber nicht gleichmachen. Aber vielleicht war und ist es ja auch “nur” die Sonne in seinem Herzen und das bei diesem Lebensweg, – vielleicht auch gerade deswegen.

     

     

    Dieses Niveau ist einmalig. Der freundliche, leicht ironische Unterton, das stets bereitwillige Understatement, das zur Not auch betont hemdsärmelig daherkommt, von wegen, es müsse doch wohl so sein…  Das ist höchste Kunst der Begegnung. Dabei kommt alles so leichtsinnig und flaneurhaft daher, aber es werden Tiefen erreicht, die oft nicht einmal erahnt werden.
     
    Es ist schon bestechend, dabei zu sein, um mitzuerleben, wie leicht man auf wirklich Wichtiges kommt ohne diese stromlinienförmige Oberflächlichkeit, die nur so tut, als wäre da Tiefe. Dann dieser Ton mit einer verlockenden Komplizenschaft für den Zuschauer, der mit ihm gern auf Erkundung. Man vertraut sich gern an.
     
    Da weiß einer sehr viel zu erzählen und versteht sich auf das Verstehen und das auch noch in grotesken Begegnungen. Man spürt, wie eine Zeit auf die andere folgt im Sauseschritt. Stets sind es bereichernde Begegnungen und Erfahrungen, die sogleich ein Teil werden, als hätte man es selbst erlebt.
     
    Troller tut das, was die Mythen immer schon wollten: Weltvertrauen schaffen auf der Grundlage eines Understatements, das es sich leisten kann, sich zu riskieren.
     
    Herzlichen Glückwunsch, Georg Stefan Troller!
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    Kunst, Künstler und Gesellschaft

    Video: Anmerkungen zum Projekt Hawerkamp

    Seit 1988/89 hat sich auf dem ehemaligen Gewerbegelände „Am Hawerkamp“ in Münster mit städtischer Duldung bzw. Unterstützung ein „Kulturgelände“ entwickelt. Dort finden sich Ateliers für Künstler, Clubs, Bühnen, Werkstätten und Initiativen.

    Der Videokünstler Jürgen Hille hat mit „Projekt Hawerkamp“ im Frühsommer 2021 an diesem Ort mit einer Reihe von Interviews und Filmszenen auf seine Weise eine „Realitätsforschung“ betrieben, um den Geist des Ortes zu charakterisieren.

    Meine „Philosophische Ambulanz“ findet sich in Sichtweite, wenige Projekte, wie etwa mein „Public Writing“ haben ich auch schon dort inszeniert.  Also wurde ich zum Interview gebeten. Dabei nahm ich die Gelegenheit wahr, einmal das Verhältnis zwischen Kunst, Künstlertum und Gesellschaft zur Sprache zu bringen.

    Jürgen Hille: Realitätsforschung, 2021.  

    Der Ursprung von Kunst hat immer etwas Sakrales. Sie dient dem Ausdruck einer Schönheit, hinter der etwas Heiliges steht.  Im Hintergrund steht der wiederkehrende Wunsch nach Begegnungen mit dem Heiligen. In dieser Tradition, in diesen Diensten stehen die Künste von Anfang an.

    Je weiter der Prozeß der Zivilisation voranschreitet, umso weiter kommt es zur Entzauberung der Welt. Umso mehr brauchen wir die Künste, weil sie etwas bewahren, was Zivilisationsmenschen aufgeben, weil es jenseits der Grenze zwischen Zivilisation und Wildnis liegt.

    Insofern sind Künstler ganz besondere, nicht selten eigenartige Menschen, die gern über den Zaun schauen. Insofern ist es die Aufgabe von Kunstwerken, daß sich Geheimnisse aufdecken.  Auf diese besonderen Begegnungen mit dem Geheimnisvollen kommt es an. Daher sind solche Soziotope von immenser Bedeutung.

    Aber unserer Gesellschaft fehlt inzwischen bereits sehr viel mehr. Eine Welt, die nur auf Geld aus ist und glaubt, sich Seelenheil erkaufen zu können durch Selbstinszenierungen, die ohne Herz und Seele sind, ist kaum mehr zu retten und eigentlich auch nicht der Rettung wert.  Was die Kunst als Arbeits- und Lebenswelt vor Augen führt, ist das gerade Gegenteil der Aufspaltung in Lebenswelt und Arbeitswelt, in Leben und Gegenleben.

    Die Arbeits– und Lebenswelten sind offenbar nur erträglich, wenn es immer wieder „Urlaub“ von alledem gibt. Nur ist diese Trennung selbst das Problem. Wir haben Lebenskonzepte, die eigentlich gar nicht zum Leben da sind, sondern dazu, daß wir arbeiten und konsumieren sollen.  Daher ist es so schön, daß es Künstler gibt, die einfach von diesen vorgefertigten Lebenswegen abweichen, die das Ihre tun und der Gesellschaft vorführen, was alles anders sein kann.

     

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    Ist die Aufklärung gescheitert?

    Es läßt sich stets konstatieren, alles sei gescheitert.

    Aber wer sind wir, wenn wir glaubten, das feststellen zu können und dann auch noch ein für alle Male und für immer? Wie absolut soll so ein Befund gelten, ungefähr solange wie der Zorn oberster Götter, wenn sie Sintfluten schicken und danach ihren kindlichen Jähzorn ablegen? Ja, auch Götter haben ihre Entwicklungsphasen.

    William Turner: Der Brand des Parlamentsgebäudes in London 1835.
    Mit der Aufklärung verhält es sich wie mit dem aufrechten Gang. Es bereitet Rückenschmerzen, erschwert die Geburt, weil das Becken zu eng wird.  Aber, es werden die Hände frei als universelle Werkzeuge. Seither können wir Sachen be–greifen.

    Aber die Sprache ist das Werkzeug aller Werkzeuge. Es kommt also darauf an, die richtigen Worte zu kreieren. Es gibt vieles in der Welt, von denen wir die Worte nicht einmal ahnen.  

    Solange aber etwas nicht gesagt und auch noch nicht von mindestens einem Menschen verstanden worden ist, hat der Geist der Menschheit noch erhebliche Lücke genau dort, wo dieses Phänomen eigentlich hingehört, wenn man es „einordnen“ könnte.

    Aufklärung ist wie Laufen, was bedeutet, es wird ständig die Balance aufgegeben. Man destabilisiert die Stellung, neigt sich, stürzt nach vorn und fängt sich dann durch den nächsten Schritt wieder auf.  Nicht anders verhält es sich mit der Psychogenese. Wir sind wie die Kinder uns selbst immer einen Schritt voraus, einen Schritt mehr, als wir beherrschen, verantworten, verstehen können.
     
    So ähnlich vollzieht sich die ganze Menschheitsentwicklung und die Suche nach der Antwort auf die Frage, was denn die ganze Anthropogenese eigentlich soll. – Aber Philosophen arbeiten nicht gern mit Hypothesen wie die vom intelligenten Designer, also rufen sie die Anthropologie zum Zwecke der universellen Beratung.
     
    Die anspruchsvollste Hypothese dabei, Entwicklung zu denken, ist die Annahme, alles hätte sich allmählich entwickelt ohne intelligenten Designer oder sonstwas. Eine der größten intellektuellen Herausforderungen liegt tatsächlich im Nihilismus. Dazu müßte man sich dann aber auch der Herausforderung stellen, einfach zuzugeben, daß der „Sinn des Ganzen“ immer nur von uns selbst kommen kann.
     
    Wir müssen ihn uns also selbst geben und wir sind dann auch völlig frei, uns jeden beliebigen Sinn zu geben. Und das „Ziel“, also dieser „geheime Plan“, den die Natur – nur hypothetische – mit dem Menschheitsprojekt verfolgt, liegt darin, daß die Natur sich selbst in den Blick nehmen möchte.
     
    Aber dazu muß sich das Wesen, das diese Aufgabe leisten soll, erst selbst in den Blick bekommen. Und da gibt es noch sehr viel menschliches Potential zu entfalten, im Guten wie im Bösen, im Vernünftigen wie auch in der Dummheit.
     
    Und jeder neue Schritt im Zuge der Aufklärung bringt nicht nur neue Verunsicherungen mit sich, sondern zunächst immer erst einmal einen neuen Aberglauben. In solchen Zeiten leben ganz offenbar alle stets daneben. Und nur der Phänomenologe bleibt in Sichtweite und auf Abstand zum Schiffbruch, der ja nun den obligatorischen Zuschauer braucht.
     
    Eine Maxime lautet: Wer heilt, hat Recht! – Dieser Tage möchte man fast glauben, es gelte eine neue Maxime: Wer Angst kommuniziert, hat Recht.
     
    Davor, genau davor hat der heilige Niklas (Luhmann) immer gewarnt, vor „Entdifferenzierung“.
    Der Spruch „Werdet wie die Kinder“, ist schließlich auch keine Aufforderung zur heiligen Einfalt.   Gemeint ist tatsächlich eine unvoreingenommene Offenheit, wie sie fast nur Kinder zustande bringen, mit Ausnahme von Phänomenologen versteht sich.
     
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    Wir haben nicht nur Corona, – wir haben auch Demokratie

    Was Menschen einander antun können

    Es ist erstaunlich, wie wenig vertrauenserweckend die mentalen Widerstandskräfte sind, wenn es um „Gesundheit“ geht. In der Tat ist es wünschenswert, an Leib und Seele gesund zu sein, und ein wenig Glück dürfte auch noch mit dabei sein. Nicht zu vergessen die Liebsten und Freunde mit Nähe und Mitgefühl, denn es lebt und feiert sich in Gemeinschaft einfach besser.

    Aber was ist inzwischen aus der Nähe geworden? Die ganze Gesellschaft fügt sich einem Medizin–Diskurs, wie ihn Michel Foucault nicht schlimmer hätte ausmalen können.

    Dabei hat der Glaube an ‚die‘ Medizin selbst etwas Abergläubiges in der Erwartung, sie wäre „Wissenschaft“ und sonst gar nichts. Alles andere sei dagegen nichts weiter als Ketzerei, eine Abweichung vom einzig wahren Glauben und zuletzt einfach nur Querdenkertum und Hokuspokus.

    Teaser. Das Erste: Hart aber fair. Nur ja keinen Zwang: Ist unsere Politik beim Impfen zu feige? 15.11.2021.

    Die Welt ist aber viel komplexer, als es sich Politik und Medizin träumen lassen, die sich in dieser Krise zusammengetan haben, um sich gegenseitig zu stützen.

    Herausgekommen sind Verhältnisse, als lebten wir noch im 19. Jahrhundert. Da gibt es eine bemerkenswerte Unterscheidung zwischen Arzt und Mediziner. Letztere waren damals noch Staatsbeamte und sie standen zumeist im Militärdienst und so ist dann auch heute noch immer ihre Denkungsart. 

    Mein Doktorvater, Prof. Wilhelm Goerdt war Mitglied der ersten Ethik–Kommission in Deutschland. Er hat mir berichtet, daß es in den ersten Sitzungen über den sogenannten „Mündigen Patienten“ ging.

    Er war ein hervorragender Moderator in Seminardiskussionen. Man kam stets ins Schwitzen auf der Suche nach besseren Argumenten. — Er war völlig entsetzt und befremdet darüber, daß die Mediziner gar nicht verstanden oder nicht verstehen wollten, was wohl damit gemeint sein könnte, wenn von „Mündigen Patienten“ die Rede war. 

    Nun hat sich die Politik im Zuge der Corona–Krise in einen Aktivismus verrannt. Sie hat Ängste geschürt und Panik verbreitet. Man glaubte, die Krise auf diese Weise „in den Griff zu bekommen“. Dabei ist in Wirtschaft, in der Bildung und in der Zivilgesellschaft ganz erheblicher Schaden angerichtet worden.

    Nicht nur der Verlust jahrzehntelang „ersparter“ Steuermilliarden, sondern auch seelische Schäden bei Kindern, psychische Belastungen bei jungen Leuten und viele, sehr viele verlorene Träume, um von den Traumatisierungen gar nicht erst zu sprechen. Der französische Präsident hat den Kriegszustand ausgerufen und dann ist es weltweit zu unüberschaubaren Kollateralschäden gekommen.

    Hinter alledem steckt ein obsoletes Menschenbild, das aus dem 19 Jahrhundert stammt. In dieser Krise feiert der Misanthropismus fröhliche Urständ, weil sich Politik und Medizin zusammengetan haben. In Pädagogik und Psychologie wird dagegen seit etwa 1900 von einem völlig anderen Menschenbild ausgegangen, daß der Mündigkeit, der Selbstfindung, der Selbstverantwortung, der Entwicklung und der Emanzipation.

    Und jetzt, wo allmählich kaum noch abzustreiten ist, daß alle Maßnahmen die versprochene Wiederkehr zur Normalität einfach nicht bewirken, daß Geimpfte nicht etwa immun, sondern weiterhin ansteckend und auch gefährdet sind, daß viele der erbrachten Opfer eben nicht erbracht haben, was in Aussicht gestellt worden ist, jetzt wird nach den Schuldigen gesucht wie in einer Ketzerverfolgung. — Aber die Verantwortung liegt in dieser fatalen Kooperation zwischen Politik und Medizin auf der Grundlage eine inhumanen Menschenbildes.

    Eric Claptons Handabdrücke und seine Unterschrift auf dem Rock Walk; 9. Juli 2005, Hollywood. Foto: Nick Wille, via Wikimedia.

    Wir haben nicht nur Corona, wir auch Demokratie. Die überbordenden Machphantasien, in denen Medizin und Politik sich ergehen, sobald sie sich zusammentun, sind pädagogisch kontraindiziert.

    Sie verunsichern, erzeugen Panik und machen krank. Die Gesellschaft wird polarisiert, nur weil der Mut fehlt, zugeben zu können, daß der gute Wille mitunter die schlechtesten Ergebnisse erzielt.

    Der Aktivismus, der Steuerungswahn, die Überheblichkeit, mit ganz wenigen, völlig fixierten Modellen auszukommen, um dann zu glauben, eine solche Krise ließe sich bewältigen mit nur ganz wenigen Hinsichten und Rücksichten, ist fahrlässig.

    Alle Systeme haben inzwischen Schaden genommen. Allem voran das Vertrauen in Politik, Staat, Medizin, Recht, Wirtschaft, Wissenschaft und auch in die offene Gesellschaft, die sich selbst zum Feind wird.

    Ganz entsetzlich ist es, daß immer wieder neue Sündenböcke ausgerufen werden. Erst waren es die Kinder, dann die Jugendlichen und jetzt sind es die Ungeimpften. Querdenker war mal eine ehrenvolle Bezeichnung für solche, die den Mut aufbrachten, sich des eigenen Verstandes ohne fremde Anleitung zu bedienen. Jetzt wird auch noch das kreative, unkonventionelle, ergebnisoffene Denken verunglimpft.

    Die Politik hat sich einnehmen lassen von nur ganz wenigen Disziplinen, die nicht einmal Wissenschaft sind, sondern nur Technik. — Einer Technik werden die Ziele vorgegeben. Daher hätten ganz andere Ziele gesetzt werden müssen, um möglichst unbeschadet durch die Stromschnellen dieser Krise zu steuern. Aber man hat eine Ideologie daraus gemacht und erwartet Gehorsam, wo Vertrauen gar nicht vorhanden sein kann.

    Staat und Medizin haben allein aufgrund ihrer Geschichte ein wirklich großes Vertrauen einfach nicht verdient. — Dieser Staat hat diese Gesellschaft mehrfach in schlimmste Katastrophen geführt und die Medizin stand ihm dabei immer zur Seite. Es ist an der Zeit, die vielzitierte Mündigkeit endlich in Anspruch zu nehme.

    Tatsächlich haben immer nur die Patienten das letzte Wort, denn sie tragen auch alle Konsequenzen. Weil dem so ist, tragen sie auch die Verantwortung dafür, wem sie sich anvertrauen. — Mag ein Arzt noch so überzeugt sein von “seiner” Therapie, wir tragen die Verantwortung uns selbst gegenüber allein und Ärzte haben nicht das Recht, uns dann zu maßregeln.

    Weil aber diese Disziplinen gar nicht in der Lage sind, die Vulnerabilität der ganzen Gesellschaft in den Blick zu bekommen, stürzen sie sich auf das, was sie messen können. Aber das ist nicht das große Ganze. Daher ist es inzwischen zu exorbitant hohen, auch menschlich kostspieligen Opfern gekommen, die allerdings nicht wirklich geholfen haben.

    Die offene Gesellschaft neigt inzwischen dazu, sich selbst zu verletzen. Es würde helfen, endlich vom hohen Roß der Erregungskultur herunterzusteigen, in der sich nicht selten jene wichtig tun, die am wenigsten zu sagen haben. Stattdessen findet ein Rückfall in unrühmliche Zeiten statt, die zweimal schon zum Weltenbrand geführt haben.

    Wer nun behauptet, es wäre nun wirklich angesagt, mal wieder auf den autoritären Charakter zu setzen und auf eine Hinterwelt–Pädagogik, in der Menschen wieder eingeschüchtert, gebrochen und umerzogen werden, ist ein Feind der offenen Gesellschaft. Allein schon der Flirt mit totalitären Systemen wie China ist ein geistiges Armutszeugnis.

     

    55:55 Frank Plasbeck: „Darf ich mal ganz kurz einen Gedanken reinbringen. Wir reden ja vielleicht sogar über kindliche Fragen, wieviel Druck braucht ein Kind, um eine Verhaltensänderung zu haben. Und wenn Sie sich anschauen, wie sich Druck ausübt, auch jetzt steigen die Impfzahlen ja wieder…, plötzlich, wenn man das sieht, was zuvor immer wieder besprochen worden ist mit den Ärzten, in den Medien, dann hilft plötzlich Druck,…

    59:50 Svenja Flaßpöhler:  Mir fällt nur auf, Sie haben ein völlig anders Demokratieverständnis als ich.  Sie reden von Kindern, auf die man Druck ausüben muß.  Sie sagen, man kann von Kindern lernen, daß, wenn man Druck auf sie ausübt, dann verändern sie ihr Verhalten… Wenn man wirklich über Bürgerinnen und Bürger redet und sie als Kinder bezeichnet, auf die man Druck ausüben muß, (lacht).  Also mein Demokratieverständnis ist sozusagen hundertprozentig ein anderes.“ Das Erste:  Hart aber fair.  Nur ja keinen Zwang:  Ist unsere Politik beim Impfen zu feige? 15.11.2021.

    Die Motive derer, die an die reine Lehre des Autoritären glauben, lassen an mittelalterliche Verhältnisse denken — mit Pranger, öffentlicher Demütigung und Exkommunikation. Aber unter denen, die sich dagegen zu Wort melden, zählen auch bedeutende Künstler aus der Rock–Generation. 

    Eric Clapton ist noch unter der Lüge aufgewachsen, seine Mutter sei seine Schwester. Er ist der Erfinder des Bluesrock, was darauf verweist, daß er sich mit der Musik der Schwarzen zu einer Zeit befaßt hat, als noch die Apartheit galt. Wenn er dieser Tage deutlich macht, er wolle nicht, daß sein Publikum oder Teile seines Publikums diskriminiert würden, dann geschieht seine politische Demonstration vor diesem Hintergrund. 

    Die Nachkriegszeit brachte einen epochalen Umbruch mit sich, gegen autoritäre, kriegerische, totalitäre und diskriminierende Verhältnisse, alles, was seinerzeit noch “normal” zu sein schien. Aber gerade der Bluesrock hat die Gesellschaft geöffnet, die Abneigung und den Haß überwunden und die Schmerzen gelindert, die Sklaverei, Ausbeutung und Diskriminierung mit sich gebracht haben. — Solche Wunden zu heilen, dazu bedarf es allerdings noch sehr viel mehr. 

    Derzeit tendiert der Zeitgeist dazu, repressive Verhältnisse zu präferieren. Man glaubt, ein wenig mehr Diktatur könnte sinnvoll sein.  Dagegen werden aber die alten Geister wieder aufstehen, um zu sagen, was zu sagen ist:

    Do you wanna be a free man / Or do you wanna be a slave? / Do you wanna wear these chains / Until you’re lying in the grave?

    Natürlich wirkt der Vergleich der Corona–Maßnahmen mit der Sklaverei verstörend. Aber es geht nicht um eine Gleichsetzung.

    So etwas läßt sich niemals ins Verhältnis setzen, denn dann müßte gesagt werden, was denn nun mehr oder weniger “schlimm” war. Es kann daher nur darum gehen, aus der Geschichte ernsthaft die Konsequenz zu ziehen, daß derartige Verhältnisse nie wieder zugelassen werden. 

    Es ist entsetzlich, was Menschen einander antun können, wenn böse Gefühle aufkommen und verstärkt werden. Wer Diskriminierung erfahren hat, wird sie nie wieder zulassen, nicht einmal ansatzweise.