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ZeitGeister | Philosophische Praxis

Akademie für Philosophische Psychologie

Category: Anthropologie

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Bücher von Heinz-Ulrich Nennen

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Der Mensch als Maß?

Heinz–Ulrich Nen­nen: Der Mensch als Maß aller Din­ge? Über Prot­agoras, Pro­me­theus und die Büch­se der Pan­do­ra (Zeit­Gei­ster 1); tre­di­ti­on Ham­burg 2018. 232 S. – Paper­back 16,99 €, ISBN: 978–3‑7439–0090‑5. Hard­co­ver 26,99 € ISBN: 978–3‑7439–0091‑2. Erschei­nungs­da­tum: 11.12.2018.

Pan­do­ra ist das Abschieds­ge­schenk der abdan­ken­den olym­pi­schen Göt­ter, danach kommt nur noch der Mensch. Es soll­te kei­ne wei­te­re Dyna­stie von Göt­tern mehr geben. — Wir sind wer­den­de Göt­ter in einer Welt, die wir selbst erschaf­fen haben, für die wir auch ganz allein ver­ant­wort­lich sind. 

Mit sämt­li­chen gött­li­chen Gaben bedacht, ist Pan­do­ra die Alle­go­rie aller Ver­lockun­gen, wie sie nur zivi­li­sier­te Wel­ten bie­ten. Zugleich bringt sie auch alle damit ver­bun­de­nen Übel in die Welt. Um die Fra­ge nach dem War­um ran­ken sich seit­her vie­le Mei­ster­er­zäh­lun­gen. Grund genug, sie erneut zu befra­gen, um ›unse­re‹ Ant­wor­ten zu finden.

Also wie gehen wir um mit unse­rer Sou­ve­rä­ni­tät in Fra­gen von Moral, Gefühl und Selbst­be­stim­mung? Der Weg führt vom ersten Gewis­sen bis zur mul­ti­plen Iden­ti­tät, immer auf der Suche nach Sinn, Glück und Gebor­gen­heit. — Inzwi­schen tra­gen wir die Göt­ter in uns.

Die Rei­he Zeit­Gei­ster ist der Psy­cho­ge­ne­se gewid­met, denn Ori­en­tie­rungs­wis­sen ist von zuneh­men­der Bedeu­tung. Es geht um die neu­en Per­spek­ti­ven einer Phi­lo­so­phi­schen Psy­cho­lo­gie, die in den Mei­ster­er­zäh­lun­gen ein uraltes Ori­en­tie­rungs­wis­sen fin­det, das über­ra­schend aktu­ell ist.

Wenn der berühmt–berüchtigte Sophist Prot­agoras von Sokra­tes um Erläu­te­rung gebe­ten wird, was man denn nun gegen teu­res Geld bei ihm erler­nen kön­ne, dann zeigt sich ein tief­grei­fen­der Wan­del. — Nicht ein­mal mehr die Ein­füh­rung ins Erwach­se­nen­le­ben gehorcht noch der Tra­di­ti­on der Jäger. Die Kul­tur in den Städ­ten setzt eige­ne Maß­stä­be und bespie­gelt sich dabei selbst. Frag­lo­se Maß­stä­be sind nicht mehr vor­han­den: Der Mensch ist das Maß aller Dinge!

Prot­agoras erläu­tert anhand des Mythos von Pro­me­theus, es mang­le nicht an der nöti­gen Tech­nik, Städ­te zu errich­ten. Allein sie zu hal­ten, sei schier unmög­lich gewe­sen. — In der Tat muß­te die drin­gend gebo­te­ne Kunst der Poli­tik eigens von Her­mes im Auf­trag­des Zeus nach­ge­reicht wer­den. Und er, der Sophist, ver­mitt­le genau­die­se vakan­ten Kompetenzen.

Poli­tik ist die Kunst, stän­dig gegen­zu­steu­ern, wenn Gesell­schaf­ten wie­der ein­mal aus irgend­ei­nem Gleich­ge­wicht gera­ten. Die eigent­li­che ›Wild­nis‹, in der es zu bestehen gilt, liegt daher in den Städ­ten. — Seit­her muß also ›stu­diert‹ wer­den. Dann ist es durch­aus mög­lich, Kar­rie­re zu machen, auch ohne von Adel zu sein.
Pan­do­ra ist das Abschieds­ge­schenk der abdan­ken­den olym­pi­schen Göt­ter, danach kommt nur noch der Mensch. Mit sämt­li­chen gött­li­chen­Ga­ben bedacht, ist sie die Alle­go­rie aller Ver­lockun­gen, wie sie nurz­i­vi­li­sier­te Wel­ten bie­ten. Zugleich bringt sie auch alle Übel mit indie Welt, die vor­her nicht waren. — Um die Fra­ge nach dem War­um ran­ken sich seit­her vie­le Mei­ster­er­zäh­lun­gen. Grund genug, sie erneu­tzu befra­gen, um ›unse­re‹ Ant­wor­ten zu finden.

Phi­lo­so­phie kommt auf, wo Göt­ter schlecht gedacht wer­den. So ent­steht all­mäh­lich Sou­ve­rä­ni­tät in Fra­gen von Moral, Gefühl und Selbst. Der Weg führt vom ersten Gewis­sen bis zur mul­ti­plen Iden­ti­tät, immer auf der Suche nach Sinn, Glück und Geborgenheit.

Die Rei­he Zeit­Gei­ster ist der bis­her kaum bedach­ten Psy­cho­ge­ne­se gewid­met, dabei ist Ori­en­tie­rungs­wis­sen von zuneh­men­der Bedeu­tung. Es geht um die neu­en Per­spek­ti­ven einer Phi­lo­so­phi­schen Psy­cho­lo­gie, die in Zwei­fels­fäl­len immer wie­der auf die Ori­en­tie­rungs­ori­en­tie­rung durch Phi­lo­so­phi­sche Anthro­po­lo­gie zurück­grei­fen kann.

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Über Narziß, Adoleszenz und Anerkennung

Der zerbrochene Spiegel 

Wir wis­sen nicht, was Nar­ziß auf der spie­geln­den Was­ser­ober­flä­che gese­hen haben mag. Der Mythos vom Nar­ziß the­ma­ti­siert weit mehr als den dumm­drei­sten Nar­ziß­mus eines Selbst­ver­lieb­ten; wäre dem so, der Nar­ziß wäre kaum der Rede wert. — Tat­säch­lich geht es um etwas ande­res: Das Geheim­nis mensch­li­chen Bewußt­seins, das sich selbst spie­gelt, um sich sei­ner selbst gewiß zu wer­den, ist erst der Anfang einer lan­gen Rei­se ins eige­ne Innere.

Die bei­den Haupt­fi­gu­ren in die­sem Mythos haben bemer­kens­wer­te Han­di­kaps, so daß sie ein­an­der nicht begeg­nen kön­nen. Alles beginnt mit der Nym­phe Echo, die von Zeus ani­miert wor­den ist, Hera nach Art der Sche­he­re­za­de mit unend­li­chen Geschich­ten von den Amou­ren des Gemahls abzu­len­ken, ins­be­son­de­re wenn die­ser wie­der ein­mal bei den Nym­phen weilt. Die oft rasend eifer­süch­ti­ge Hera ist bereits im Begriff, ihren Gat­ten in fla­gran­ti zu über­füh­ren, aber die geschwät­zi­ge Echo hält sie davon ab, indem sie wei­ter und wei­ter redet.

Nach­dem Hera das Spiel durch­schaut hat, bestraft sie Echo, die nun­mehr erst zu dem wird, was ihr Name bereits über sie aus­sagt. Es wird der Nym­phe genom­men, was sie miß­braucht hat, um die Göt­tin hin­ters Licht zu füh­ren: Hera nimmt ihr die Fähig­keit eige­ner Rede, so daß sie nicht mehr von sich aus spre­chen, son­dern nur wie­der­ho­len kann, was sie hört. Von sich aus kann sie fort­an gar nicht mehr spre­chen, es bleibt ihr nur noch, die letz­ten Wor­te ledig­lich zu wie­der­ho­len, — ein fata­les Han­di­kap, ins­be­son­de­re wenn sie dem Nar­ziß ihre Lie­be geste­hen will.

Eines Tages wird Nar­ziß auf der Jagd von sei­nen Gesel­len getrennt. Er gerät in eine son­der­ba­re Land­schaft am Heli­kon, die von der Nym­phe Echo beseelt wird. Sobald die­se den jun­gen Mann erblickt, wird sie sogleich in Lie­be erglü­hen. Aber sie kann sich nicht äußern, um ihm ihre Lie­be zu geste­hen. Also folgt sie ihm heim­lich, um ihm bei Gele­gen­heit näher zu kommen…


Veröffentlichungen

Verzeichnis der Veröffentlichungen

PDF: Ver­zeich­nis der Veröffentlichungen


Vorlesungen und Seminare


Blick und Gegenblick

Giuseppe Cesari: Diana und Aktaion. Museum der feinen Künste, Budapest. — Quelle: Public Domain via Wikimedia Commons.

Giu­sep­pe Cesa­ri: Dia­na und Aktai­on. Muse­um der fei­nen Kün­ste, Buda­pest. — Quel­le: Public Domain via Wiki­me­dia Commons.

Jean Paul Sart­re hat in Das Sein und das Nichts eine Blick­ana­ly­se vor­ge­führt, die das Erblicken und das Erblickt­wer­den zur Dar­stel­lung bringt und dabei demon­striert, wie der Blick auf den Ande­ren die­sen zum Objekt degra­diert, selbst wenn das womög­lich gar nicht beab­sich­tigt ist. 

Das ist wie­der einer die­ser kon­sti­tu­ti­ven Brü­che, die mit dem Bewußt­sein in die Welt gekom­men sind: Wir sehen nicht nur, wir blicken. Wir wer­den nicht nur gese­hen, son­dern mit Blicken erfaßt, auch und eben selbst dann, wenn uns noch gar nicht bewußt gewor­den ist, daß wir soeben von einem Blick erfaßt wor­den sind.

Ich befin­de mich in einem öffent­li­chen Park. Nicht weit von mir sehe ich einen Rasen und längs des Rasens Stüh­le. Ein Mensch geht an den Stüh­len vor­bei. Ich sehe die­sen Men­schen, ich erfas­se ihn gleich­zei­tig als einen Gegen­stand und als einen Men­schen. Was bedeu­tet das? Was will ich sagen, wenn ich von die­sem Gegen­stand behaup­te, daß er ein Mensch sei? (Jean-Paul Sart­re: Das Sein und das Nichts. 10. Aufl., Ham­burg 1993. S. 457.) 

Der Blick, der den ande­ren erfaßt, ist weit mehr als nur ein­fa­ches Sehen, denn er nimmt dem Ande­ren die Eigen­heit, sei­ne Sub­jek­ti­vi­tät und macht ihn zu einem Objekt. Der Blick degra­diert den Ande­ren in sei­nem Sub­jekt­sta­tus, — nicht immer, aber immer dann, wenn es um einen begeh­ren­den oder taxie­ren­den Blick geht, denn dann ist es ein abschät­zen­der, viel­leicht auch abschät­zi­ger Blick. Inter­es­san­ter­wei­se geschieht das mit jedem Blick, der unbe­dacht auf Jeman­den fällt, der viel­leicht in die­sem Augen­blick selbst unbe­dacht sein mag. Sobald die­ser Blick aber selbst wie­der­um erblickt und mit einem Gegen­blick erwi­dert wird, sobald das Sehen als Gese­hen­wer­den gewahr wird, als Erblicken des Erblickt­wor­den­seins, geschieht die­se selt­sa­me Über­wäl­ti­gung: Das vor­ma­li­ge Sub­jekt des Blicks wird vom vor­ma­li­gen Objekt nun­mehr selbst zum Objekt eines wei­te­ren Blicks. Nicht nur unse­re Spra­che hat daher Magie, son­dern auch unser Blick hat irgend­ei­ne selt­sa­me magi­sche Macht.

Kul­tu­ren geben sich viel Mühe, die­se Kraft, die im Blick liegt, zu zäh­men, um die Kräf­te auf ihre Müh­len zu len­ken. Blicke wer­den geführt, gelenkt, gerich­tet und sie wer­den wie­der­um gede­mü­tigt, umer­zo­gen oder auch abge­lenkt. Der Blick, der bezeich­nen­de Aus­druck im Gesicht, eine Gestus, das alles ist bereits Poli­tik, ohne daß über­haupt irgend­et­was gesagt wer­den müß­te. — Kul­tur poli­ti­siert jeden Blick, denn sie legt es dar­auf an, vor­zu­schrei­ben, wer gewis­se Ein­blicke erhält und wer nicht. Immer gab und gibt es dabei den Ver­dacht, daß es neben der exo­te­ri­schen– noch eine eso­te­ri­sche Leh­re geben müs­sen, daß es eben Wahr­heit gibt, die nicht für die All­ge­mein­heit, son­dern die nur für Aus­er­wähl­te bestimmt sind.

Dabei brin­gen Taschen­spie­ler, Zau­ber­künst­ler, eben ›Illu­sio­ni­sten‹ genau die­se Wahr­heit stets wie­der aufs Neue her­vor. Blicke las­sen sich len­ken, füh­ren, ver­füh­ren, ablen­ken und völ­lig ver­wir­ren. Also wer­den nicht sel­ten frei­mü­tig Ein­blicke gewährt, nicht sel­ten um zu ver­ber­gen und zu ver­schlei­ern, was nicht gese­hen wer­den soll, was ande­re nicht nur nicht begeh­ren, son­dern gar nicht erst zu Gesicht bekom­men sol­len. — Die vie­len und nicht sel­ten mit dra­sti­schen Stra­fen beleg­ten Blick­ver­bo­te, den Gott­kö­ni­gen und Prie­ster­göt­tern, ins­be­son­de­re aber den Göt­tern gegen­über, zeu­gen davon, daß man immer schon ver­sucht war, die unge­bän­dig­te Magie des frei­en, unge­zwun­ge­nen, unge­zü­gel­ten und viel­leicht auch begehr­li­chen Blicks zu bezähmen.

Wenn jeder Blick mit die­ser selt­sa­men magi­schen Kraft aus­ge­stat­tet ist, das Erblick­te zum Objekt zu degra­die­ren, dann wären in der Tat auch Kai­ser, Hei­li­ge und sogar Göt­ter nicht davor gefeit. Also steht dar­auf der Tod, wie bei der Jagd­göt­tin Dia­na, die von Aktai­on rein zufäl­lig dabei erblickt wird, wie sie sich mit den Nym­phen beim Baden erfreut. — Die Göt­tin ist nackt, sie gibt sich alle Mühe, vor dem jun­gen Mann ihre Blö­ße zu bedecken, was ihr aber nicht gelingt. Zudem ist sie wie so man­che ande­re unter den ein­schlä­gi­gen Göt­tin­nen eiser­ne Jung­frau. Das dürf­te dar­auf zurück­zu­füh­ren sein, daß die Selb­stän­dig­keit einer Frau zu die­sen Zei­ten nur dann über­haupt vor­stell­bar zu sein schien, wenn sie eben ledig war und auch ledig blieb.

Die Göt­tin ist auf ihre Unschuld bedacht, sie will par­tout kei­ne Liebes–Erfahrungen mit Män­nern. Der begehr­li­che Blick des Aktai­on macht sie jedoch in einem ein­zi­gen Augen­blick zum Objekt sei­ner Begier­de. Aber gera­de Dia­na steht dafür ein, Jung­frau zu sein und es auch zu blei­ben. Über­rascht und über­rum­pelt ver­sucht sie sich dem begehr­li­chen Blick zu ent­zie­hen. Als ihr das nicht gelingt, bespritzt sie den Voy­eur mit Was­ser, wor­auf die­sem augen­blick­lich ein Hirsch­ge­weih wächst, das Sym­bol der Jagdgöttin.

Dem Jäger wer­den mehr als nur alle­go­ri­sche Hör­ner auf­ge­setzt, sie wach­sen ihm wirk­lich, er wird zum Beu­te­tier sei­ner eige­nen Jagd­lust. Ganz im Sin­ne der Dia­lek­tik von Blick und Gegen­blick wird der Jäger selbst zum Gejag­ten. Die eige­nen Jagd­hun­de spü­ren ihn auf, er will sich ihnen zu erken­nen geben, was ihm aber in der Gestalt eines Hir­schen und in Erman­ge­lung des Sprach­ver­mö­gens schwer­lich gelingt, also wird er von ihnen auf der Stel­le zer­fleischt. Immer­hin han­delt es sich hier um eine Theo­pha­nie. Da muß die Fra­ge auf­kom­men, nicht nur wie und war­um es über­haupt dazu kommt, son­dern auch, was eigent­lich mit einem Men­schen geschieht, der eine sol­che schick­sal­haf­te Begeg­nung hat. Wenn wir uns ober­fläch­lich mit dem Mär­chen­haf­ten die­ser Situa­ti­on abfin­den las­sen, dann ist es ein­fach nur eine unglück­li­che Lie­be. Der jun­ge Held ver­liebt sich eben augen­blick­lich in die gött­li­che Schö­ne, aber er ver­geht bereits an und in sei­ner Lie­be. Oder: Die hol­de Schö­ne ist so prü­de, so eitel, so panisch auf ihre Unbe­rührt­heit bedacht, so daß sie ein­fach alle, die ihr Avan­cen machen, die womög­lich auch noch anzüg­li­che Blicke wer­fen, augen­blick­lich töten muß. — Das alles ist viel zu kind­lich gedacht, wir wür- den damit ledig­lich ein wenig auf dem Kamm der mär­chen­haf­te Schaum­kro­ne sol­cher Mythen surfen.

Der vor allem doch auf­grund sei­ner erstaun­lich moder­nen Spe­ku­la­tio­nen über Gott, den Kos­mos und über den Men­schen, von der Kir­che als Ket­zer ver­brann­te Giord­a­no Bru­no, gibt nun die­ser Begeg­nung eine sehr viel tie­fe­re Bedeu­tung. Bei ihm wird alles zur Alle­go­rie: Der Jäger, das ist die Ver­nunft, die Jagd­hun­de, das ist der Ver­stand, die Göt­tin, das ist, was wir nur zu gern erken­nen wür­den aber nicht wirk­lich ertra­gen könnten.

Aktai­on steht hier für den Intel­lekt, auf der Jagd nach gött­li­cher Weis­heit im Augen­blick des Erfas­sens der gött­li­chen Schön­heit. (Giord­a­no Bru­no: Von den heroi­schen Lei­den­schaf­ten. Ham­burg 1989. S. 64.)

So kommt es dann zu die­ser erstaun­li­chen Wen­dung, zu einer Alle­go­re­se, die sehr viel mehr zu den­ken gibt, als die Ober­fläch­lich­kei­ten der mär­chen­haf­ten Züge die­ser Sto­ry, wenn Bru­no ver­lau­ten läßt: Er sah der gro­ße Jäger, er begriff, soweit das mög­lich ist, und ward zur Beu­te: er ging, um zu jagen und wur­de dann selbst die Beu­te. (Ebd. S. 65.)

Damit zeigt sich vor allem eines, daß der Blick in sei­ner ursprüng­li­chen Vor­stel­lung etwas Besitz­ergrei­fen­des hat, daß aber, wer den Blick unbe­dacht schwei­fen läßt, durch­aus auch Gefahr lau­fen kann, selbst ergrif­fen zu wer­den. Wir geben uns her­me­neu­tisch inso­fern viel zu schnell zufrie­den, wenn etwa ver­laut­bart wird, irgend­wer sei am Lie­bes­kum­mer zu Grun­de gegan­gen, wir soll­ten uns viel­mehr genau­er vor­stel­len, wodurch ein sol­cher Lie­bes­tod ver­ur­sacht wird.

Das Pro­blem ist, daß sich hier ein Mensch unbe­dach­ter­wei­se an einer Göt­tin ver­sucht, was bedeu­tet, daß ein Intel­lekt sich mal eben mit dem Gött­li­chen mißt. Wir kön­nen aber nicht erken­nen, wie die Göt­ter, wir müs­sen alles über einen Intel­lekt, über die Müh­len einer dis­kur­si­ven Ver­nunft, über unser Sprach- ver­mö­gen und qua Empa­thie müs­sen wir dann auch noch alles über unse­ren Kör­per als Medi­um erst in Erfah­rung brin­gen, was ein Gott eigent­lich von einem Moment zum ande­ren bereits erfaßt haben dürfte.

Wir müs­sen uns bei der Empa­thie, beim Ver­ste­hen und eben­so auch beim Ver­lie­ben erst in den her­me­neu­ti­schen Zir­kel hin­ein­be­ge­ben und uns anver­wan­deln, sobald wir uns für Jeman­den ernst­haft inter­es­sie­ren. Blick und Gegen­blick haben ihre urei­gen­tüm­li­che Dia­lek­tik, sie heben sich wech­sel­sei­tig auf. Die Jagd mag ja eine Alle­go­rie auch für die Lie­be sein, aber sie ist eben nicht wech­sel­sei­tig, wenn schluß­end­lich dann doch irgend­wer der Jäger und irgend­wer ande­res den Gejag­ten abge­ben muß. — Hier ist es kein mensch­li­ches Gegen­über, son­dern eine Gott­heit, mit der es die­ser Jäger auf­zu­neh­men ver­sucht, es ist Dia­na, die Göt­tin der Jagd.

In der Tat hat sie sich über­ra­schen las­sen, denn so, wie sie sich sehen las­sen muß, so, wie sie Aktai­on zu Gesicht bekommt, so woll­te sie sich nie einem Mann zei­gen und ›erge­ben‹ wird sie sich schon gar nicht. Sie also in die­ser Situa­ti­on eigent­lich zur Jagd–Beute gewor­den, aber sie wird sich ganz gewiß nicht erge­ben. — Es fal­len kei­ne Wor­te, was zwi­schen Göt­tern und Men­schen ohne­hin pro­ble­ma­tisch zu sein scheint. Dia­na bespritzt Aktai­on mit Was­ser und sie wirft einen empör­ten, stra­fen­den Blick auf den Ein­dring­ling, der die Idyl­le beim Baden so nach­hal­tig stört. Das jeden­falls genügt, so daß sich der Jäger auf der Stel­le verwandelt.

Es gilt zu ver­ste­hen, was da in die­sem Moment zwi­schen Aktai­on und Dia­na eigent­lich vor sich geht. Inner­halb von Sekun­den muß sich der Jäger unsterb­lich in die Jagd­göt­tin ver­liebt haben. Es genügt ein ein­zi­ger Blick, so daß er wie an einer offe­nen Wun­de förm­lich ver­blu­tet, weil ihm alle Ener­gie ein­fach ver­geht, bis eben das Auge erlo­schen ist, wobei hier die eige­nen Jagd­hun­de dem Dra­ma ein schnel­les Ende bereiten.

Der Jäger wird durch sei­nen begehr­li­chen Blick selbst zur Beu­te. Er wird zum Opfer sei­nes eige­nen Wil­lens, sei­ner viel zu gro­ßen Begier­de nach die­sem ver­meint­li­chen Objekt sei­ner Sehn­süch­te. Ange­sichts die­ser Göt­tin ver­liert er als Sub­jekt augen­blick­lich sei­ne Posi­ti­on und schon beginnt er damit, sich anzu­ver­wan­deln. Aber er schießt weit über das Ziel hin­aus, ver­liert sich selbst und ver­geht in dem, was er sieht. Er wird nicht wie­der auf sich selbst zurück­kom­men kön­nen, weil er sich mit die­sem ein­zi­gen Blick selbst aus den Augen ver­liert. Die Deu­tungs­mög­lich­kei­ten des Aktaion–Mythos, wie sie von Giord­a­no Bru­no vor­ge­führt wer­den, lie­fern tie­fe­re Ein­sich­ten in die alle­go­ri­schen Abgrün­de und sie bie­ten dann auch einen inter­es­san­te­ren Schlüs­sel zum Ver­ständ­nis einer sol­chen Sze­ne­rie. Die Göt­tin mag ihn erbost mit Was­ser bespritzt haben, wor­auf ihm dann Hör­ner wach­sen, das Geweih eines Hir­schen. Aber die­se Anver­wand­lung ist nur eine Ver­zau­be­rung in dem Sin­ne, als daß der Jäger selbst zum Gejag­ten, zum Objekt einer Ver­zau­be­rung wird. So zeigt sich, wie ein­neh­mend mit­un­ter gera­de empa­thi­sche Impres­sio­nen sein können.

Zu Ehren der Jagd­göt­tin wird der Jäger selbst zu einem Hir­schen. Das ist bei­lei­be kei­ne Eben­bür­tig­keit mehr, statt­des­sen wird ein Opfer dar­aus, ein Selbst­op­fer. Der Jäger wird selbst zur schö­nen Beu­te, weil eben der mensch­li­che Intel­lekt sich die Din­ge auf eige­ne Wei­se aneig­nen muß und weil er dabei über­la­stet wer­den kann und dann ver­ge­hen, ja förm­lich ver­glü­hen muß:

Du weißt ja, daß der Intel­lekt sich die Din­ge auf dem Wege des Intel­lekts aneig­net, d. h. gemäß sei­ner eige­nen Wei­se. Und der Wil­le ver­folgt die Din­ge deren Natur nach, d. h. gemäß der Art, wie sie in sich selbst sind. So wur­de Aktai­on durch jene Gedan­ken, jene Hun­de, die außer­halb von ihm das Gute, die Weis­heit, die Schön- heit, das wil­de Wal­des­tier such­ten, und durch die Art, wie er die­ser schließ­lich ansich­tig wur­de, über soviel Schön­heit außer sich gera­ten, zur Beu­te. Er sah sich in das ver­wan­delt, was er such­te, und er merk­te, daß er sei­nen Hun­den, sei­nen Gedan­ken selbst zur ersehn­ten Beu­te wur­de. Weil er näm­lich die Gott­heit in sich zusam­men­ge­zo­gen hat­te, war es nicht mehr not­wen­dig, sie außer­halb sei­ner zu suchen. (Ebd. S. 66.)

Aus: Heinz-Ulrich Nen­nen: Empa­thie. (Kapi­tel: Blick und Gegenblick)


Psychodizee

Ernst-Klimt-Pan-troestet-Psyche-1892

Ernst Klimt: Pan trö­stet Psy­che. Pri­vat­be­sitz. — Quel­le: Public Domain via Wiki­me­dia Commons.

Die Recht­fer­ti­gung der Gesell­schaft und die Bela­stung des Ein­zel­nen gehen Hand in Hand. Aber das Skan­da­lon bleibt: Die Welt ist schlecht ein­ge­rich­tet und unge­recht, vor allem, wo sie doch gar nicht mehr von einem Schöp­fer­gott, son­dern ein­zig und allein von Men­schen zu ver­ant­wor­ten ist. Die Theo­di­zee ist zur Sozio­di­zee gewor­den und auf die­se folgt nun die Psy­cho­di­zee. Auf die Ankla­ge Got­tes und dem Ver­such sei­ner Recht­fer­ti­gung, folg­te zunächst die Ankla­ge der Gesell­schaft und schluß­end­lich die Bela­stung der Psy­che. — So kehrt die Höl­le im Inne­ren wie­der zurück, wir berei­ten sie uns für­der­hin selbst. Es ist, als habe sich seit Jahr­hun­der­ten kaum etwas wirk­lich ver­än­dert in den Tie­fen unse­res Selbst. Und so zeigt sich dann, war­um die Angst vor dem Jüng­sten Gericht und vor der Höl­le bis in die Gegen­wart hin­ein noch immer eine so gro­ße Rol­le spielt.

Die alles ent­schei­den­den Fra­gen wer­den inzwi­schen syste­ma­tisch über­gan­gen, etwa die, wer uns nach dem Tod Got­tes noch unse­re ›Sün­den‹ ver­gibt, wenn und wo wir es selbst noch immer nicht kön­nen. Das wie­der­um bringt zuneh­men­de Bela­stun­gen für die Psy­che mit sich, wor­auf nun ver­stärkt mit dem Ein­satz von Psy­cho­phar­ma­ka reagiert wird. Es ist aber ver­hee­rend, über die­se Höhen und Tie­fen ein­fach hin­weg­zu­ge­hen, denn dann wird fast schon wie im Mär­chen auch noch die eige­ne See­le ver­kauft. — Wo die eige­nen Gefüh­le syste­ma­tisch mani­pu­liert wer­den, dort fal­len wei­te­re Anpas­sungs­lei­stun­gen bis hin zur Gewis­sen­lo­sig­keit immer leich­ter. Unge­hemmt kommt dann die für so vie­le Spar­ten obli­ga­to­ri­sche Skru­pel­lo­sig­keit zum Zuge, als Aus­hän­ge­schild einer nega­ti­ven Iden­ti­tät, deren Ethos dar­in besteht, kei­nes zu haben.

Es ist bestechend, wie Max Weber mit spe­ku­la­ti­ven Beschrei­bun­gen die­ser Ten­den­zen sei­ner­zeit schon die mög­li­chen Vari­an­ten der wei­te­ren Ent­wick­lung ein­zu­krei­sen ver­stand. Sol­che Vor­her­sa­gen über lang­fri­sti­ge gesell­schaft­li­che Ent­wick­lun­gen sind sehr wohl mög­lich und haben nichts mit Pro­phe­tie zu tun. Nun hat sich Max Weber dabei auf Nietz­sche gestützt, und wir dürf­ten den bei­den Den­kern daher erschei­nen, wie jene letz­ten Men­schen, von denen im Zara­thu­stra die Rede ist. Es ist die schlech­te­ste aller mög­li­chen Ent­wick­lungs­va­ri­an­ten, mit denen nicht nur Nietz­sche son­dern auch Weber und Freud bereits rechneten.

Wir wer­den also dem ›letz­ten Men­schen‹ tat­säch­lich immer ähn­li­cher? Eines ist jeden­falls gewiß, wir sind sehr viel näher dran, als es noch in der Epo­che von Fried­rich Nietz­sche, Max Weber und Sig­mund Freud mög­lich gewe­sen wäre. Man­che der Fort­schrit­te dürf­ten daher in Wirk­lich­keit eher Rück­schrit­te gewe­sen sein. — Was bei Weber das stäh­ler­ne Gehäu­se der Hörig­keit aus­macht, schil­dert Nietz­sche als Zukunfts–Diagnose im Zara­thu­stra und Freud sieht die Bela­stungs­gren­zen der Psy­che voraus.

Schluß­end­lich kommt es zum Zynis­mus und zur Bor­niert­heit die­ser ›letz­ten Men­schen‹, die allen Ern­stes von sich behaup­ten, das Glück erfun­den zu haben, wohl­ge­merkt, nicht ge– son­dern erfun­den, und genau­so sieht es dann auch aus, die­ses Glück in aller gei­sti­gen Beschei­den­heit: »Wir haben das Glück erfun­den« — sagen die letz­ten Men­schen und blin­zeln, heißt es in Zara­thu­stras Vorrede.

Kör­per, Psy­che, See­le und Geist, alles scheint aufs bequem­ste zurecht gerückt wor­den zu sein. Und man möch­te glau­ben, alles sei das­sel­be. Da wird dann die Psy­che zum stö­ren­den Bei­werk, um von See­le und Geist ganz zu schwei­gen. Wir sind eine rein tech­nisch unver­schämt erfolg­rei­che Spe­zi­es von Raub­af­fen, die inzwi­schen nur noch das Kör­per­li­che gel­ten las­sen. Woher soll da noch der Geist kom­men? — Nietz­sche rech­net mit dem Zeit­geist der Moder­ne ab.

Die unge­heu­er­li­che Pro­phe­tie ist längst zum Klas­si­ker gewor­den, so daß eine jede Zeit, die spät gewor­den ist, ihr Spie­gel– und Zerr­bild dar­in wie­der­fin­den kann:

Man hat sein Lüst­chen für den Tag und sein Lüst­chen für die Nacht: 

aber man ehrt die Gesundheit. 

»Wir haben das Glück erfun­den« — sagen die letz­ten Men­schen und blinzeln.


»Ich fürchte mich vor der Menschen Wort«

Wilhelm Otto Peters: Nero im Circus.

Wil­helm Otto Peters: Nero im Cir­cus. Holz­stich, um 1900, kolo­riert, nach dem Gemäl­de von Wil­helm Otto Peters. — Quel­le: Public Domain via Wiki­me­dia Com­mons. — Der Dau­men als Zei­chen des Mit­ge­fühls: Mit dem nach unten zei­gen­den Dau­men signa­li­siert Nero den Gla­dia­to­ren in der Are­na »kein Mit­ge­fühl« zu zei­gen — ganz im Gegen­satz zum nach oben gestreck­ten Dau­men, der »Mit­ge­fühl« signalisiert.

Bewußt­sein kommt nur zustan­de, wenn das, was bewußt wer­den soll, auf irgend­ei­ne Wei­se auch reprä­sen­tiert wer­den kann. Spie­gel­zel­len machen der­weil die eige­ne Selbst­wahr­neh­mung zum Medi­um, der Ande­re wird teil­wei­se gespie­gelt in der Wahr­neh­mung des eige­nen Kör­pers. Es scheint dann so, als wür­de der Beob­ach­ter zu dem, was eigent­lich nur beob­ach­tet wird. Dabei arbei­tet das System der Spie­gel­neu­ro­nen ganz offen­bar mit Pro­jek­tio­nen, die vom moto­ri­schen System aus­ge­hen, um dann über das Ner­ven­sy­stem gewis­se Wahr­neh­mun­gen zu simulieren.
Emo­tio­nen wer­den dabei auf Bewe­gungs­mu­ster ›gelegt‹. Das besagt dann auch der Begriff ›Map­ping‹, was eben bedeu­tet, daß etwas auf etwas ande­res gelegt wird. So wird das Radio­si­gnal des Sen­ders auf eine Radio­wel­le gleich­sam ›oben‹ zusätz­lich noch ›drauf‹ gege­ben. Rein tech­nisch wer­den sol­che Ver­fah­ren als Modu­la­ti­on beschrie­ben, und in die­sem Sin­ne läßt sich nach­voll­zie­hen, wie auch die Spie­gel­zel­len die eige­ne Wahr­neh­mung so modu­lie­ren, bis sie sich öff­net für die Wahr­neh­mung Anderer.
Es ist aller­dings bemer­kens­wert, daß wir oft nur etwas sehen müs­sen, um es zu ver­ste­hen, zu füh­len und zu mit­emp­fin­den. So wird dann die Empa­thie zur Erfah­rung am eige­nen Leib und wir kön­nen uns vor­stel­len, wie sich etwas anfühlt, auch wenn wir gar nicht selbst betrof­fen sind. Das alles ist für die Ima­gi­na­ti­on, für das Erzäh­len und nicht zuletzt auch für das Ler­nen von unge­heu­rer Bedeu­tung, denn wir kön­nen auf die­se Wei­se zu Erfah­run­gen kom­men, ohne sie selbst je erle­ben zu müssen.
Was in der Hirn­for­schung als Map­ping beschrie­ben wird, dem ent­spricht in der Kul­tur­wis­sen­schaft die Meta­pher , denn auch hier wird ein zumeist ganz kon­kre­ter Sinn ›über­tra­gen‹ und etwas ande­rem bei­gelegt. Durch die Wahl und den Ein­satz einer ange­mes­se­nen Meta­pho­rik wird das Ver­ste­hen und vor allem die Ver­stän­di­gung oft über­haupt erst ermög­licht. Und hier geht es ganz offen­bar dar­um, daß ein ›höhe­res‹ Bewußt­sein die Rou­ti­nen eines ande­ren Bewußt­seins jeweils mit ganz bestimm­ten Sinn­mu­stern belegt. So wer­den dann Bewe­gungs­mu­ster mit Emo­tio­nen ver­knüpft, die sich dann ihrer­seits wie­der­um als Bewegt­heit iden­ti­fi­zie­ren las­sen. Dann kön­nen wir uns nicht mehr nur vor­stel­len, wie wir uns bewe­gen. Wir kön­nen dar­über hin­aus auch Vor­stel­lun­gen dar­über haben, ›bewegt‹ zu wer­den — eben durch Empa­thie, durch Emotionen.
Die Fra­ge, was eigent­lich Bewußt­sein ist und wie es zustan­de gebracht wird, bekommt auf die­se Wei­se ihren ein­schlä­gi­gen Modell­cha­rak­ter. Bewußt­sein ist immer Bewußt­sein von etwas, daher muß erwar­tet wer­den, daß die­ses Etwas dann auch in Erschei­nung tritt und wahr–genommen wer­den kann. — Aber mit der Ein–Sicht ist das so eine Sache: Vie­les ist uns ver­bor­gen und dann ver­sa­gen auch noch die Wor­te, weil sie immer sofort alles fest­le­gen. Kein Wun­der also, daß das Reden gera­de dann beson­ders schwer fällt, wenn, was zu sagen wäre, höchst hei­kel erscheint, und wenn wir befürch­ten müs­sen, gar nicht ver­stan­den zu wer­den oder uns vor­schnell und falsch festzulegen.
Oft haben wir uns selbst und die Situa­ti­on noch gar nicht ver­stan­den. Dann feh­len die Wor­te, so daß es unmög­lich erscheint, über­haupt irgend­et­was zu sagen, und trotz­dem sol­len wir uns erklä­ren, beken­nen und fest­le­gen. Aber die unter­schied­lich­sten Moti­ve, Emo­tio­nen und Wert­vor­stel­lun­gen lie­gen im Hader mit­ein­an­der wie die glück­li­chen Göt­ter Athens. In ihrer Gesamt­heit ver­kör­pern sie die Eigen­tüm­lich­kei­ten der ver­schie­den­sten Per­spek­ti­ven und ste­hen dafür mit ihrem Cha­rak­ter ein.
Die Viel­falt die­ser Mög­lich­kei­ten, ein– und die­sel­be Sache auch ganz anders sehen zu kön­nen, macht gelin­gen­des Ver­ste­hen so schwie­rig. Daher ist es nicht ein­fach, sich selbst zu the­ma­ti­sie­ren und die Ver­hält­nis­se syste­ma­tisch zu erör­tern. Das kann nur gelin­gen, wenn die unter­schied­lich­sten Momen­te zur Spra­che gebracht wer­den, um sich über alle mög­li­chen Moti­ve und Emo­tio­nen zu ver­stän­di­gen. — Kul­tur und Zeit­geist spie­len dabei eine ganz gro­ße Rol­le, denn immer­zu herr­schen bestimm­te Vor­bil­der, Vor­stel­lun­gen oder Muster­gül­tig­kei­ten vor und nicht sel­ten sind Erwar­tun­gen oder auch Erwar­tungs­er­war­tun­gen wie bei­spiels­wei­se Idea­le und Wert­vor­stel­lun­gen im Spiel.
Erst was zur Spra­che gebracht, mit­ge­teilt und auch ver­stan­den wur­de, ist wirk­lich in der Welt. Alles ande­re ist und bleibt sche­men­haft im Nebel aller Mög­lich­kei­ten zurück. Solan­ge die rich­ti­gen Wor­te noch feh­len, besteht noch die Hoff­nung, daß sie gefun­den und zur Spra­che gebracht wer­den. Wo aber bereits die fal­schen Wor­te aus­ge­spro­chen wor­den sind, dort beherr­schen Irr­tü­mer die Sze­ne­rie wie ein böser Fluch, was oft nicht ein­mal bemerkt wird. — Dabei ist es gera­de­zu skan­da­lös, was Wor­te den Phä­no­me­nen antun kön­nen: Sie spie­ßen die Sachen wie Schmet­ter­lin­ge auf, kle­ben ihr Eti­kett dar­un­ter und behaup­ten, man habe damit wirk­lich alles im Griff. Tat­säch­lich ist jedoch das Leben ent­wi­chen, die See­le ist nicht mehr vor Ort und nur etwas Totes bleibt dann zurück.

Ich fürch­te mich so vor der Men­schen Wort.
Sie spre­chen alles so deut­lich aus:
Und die­ses heißt Hund und jenes heißt Haus,
und hier ist Beginn und das Ende ist dort.

In die­sem Gedicht aus dem Jah­re 1897 beschwört Rai­ner Maria Ril­ke eine Angst vor dem defi­ni­to­ri­schen Gebrauch der Wör­ter, wie ihn nur Poe­ten und Phä­no­me­no­lo­gen tei­len kön­nen. — Wor­te machen die Din­ge ver­füg­bar und ver­scheu­chen den Geist, der uns eigent­lich fas­zi­niert. Man glaubt, sich erklä­ren, sich ver­ständ­lich machen zu müs­sen und erreicht nicht sel­ten das Gegen­teil von alle­dem, so daß sich Ver­ste­hen in Ver­feh­len ver­wan­delt. — Daher soll­te die Empa­thie im Hin­ter­grund ste­hen, um zu erfüh­len, ob die Wor­te tat­säch­lich auch tun, was sie sol­len oder ob sie nur eigen­mäch­tig über alles her­fal­len, was ihnen nicht paßt.
Wäh­rend die erste Stro­phe noch über die Angst spricht, wird in der näch­sten die Ankla­ge eröff­net um dann in der drit­ten den Apell vor­zu­brin­gen, die Welt der Din­ge gegen die Ansprü­che des Benen­nens und Aus­spre­chens in Schutz zu neh­men. — Ohne­hin ist die Welt selt­sam falsch moti­viert durch Wahr­neh­mungs­mu­ster, die mit der Moder­ne auf­ge­kom­men sind und die seit­her den Zeit­geist und damit das Sehen, Füh­len und Den­ken auf selt­sa­me Wei­se ver­fäl­schen, so daß das das Leben­di­ge stumm und das Star­re leben­dig erscheint.

Mich bangt auch ihr Sinn, ihr Spiel mit dem Spott,
sie wis­sen alles, was wird und war;
kein Berg ist ihnen mehr wunderbar;
ihr Gar­ten und Gut grenzt gra­de an Gott.

Ich will immer war­nen und weh­ren: Bleibt fern.
Die Din­ge sin­gen hör ich so gern.
Ihr rührt sie an: sie sind starr und stumm.
Ihr bringt mir alle die Din­ge um.


Wenn seelenlose Sachen zum Leben erwachen

Jean–Léon Gérôme: Pygmalion et Galatée. Metropolitan Museum of Art, New York. — Quelle: Public Domain via Wikimedia. Pygmalion, ein Künstler in Zypern, ist maßlos enttäuscht von den Frauen und lebt nur noch für seine Bildhauerei. Unbewußt erfüllt er sich seinen Traum durch eine von ihm erschaffene Elfenbeinstatue, die wie eine lebendige Frau aussieht und dabei seinem Ideal entspricht. Das Abbild behandelt er mehr und mehr wie einen echten Menschen und schließlich verliebt er sich in seine Kunstfigur. Zypern ist die Heimat von Venus, daher fleht der Künstler die Göttin der Liebe an ihrem Festtag inbrünstig an, wenn schon seine Statue nicht zum Menschen werden könne, so sei ihm wenigstens vergönnt, daß seine künftige Frau so sei wie diese. — Als er dann aber von den Feierlichkeiten für die Göttin wieder nach Hause zurückkehrt und die Elfenbeinstatue zu liebkosen beginnt, erwacht diese langsam zum Leben.

Jean–Léon Gérô­me: Pyg­ma­li­on et Gala­tée. Metro­po­li­tan Muse­um of Art, New York. — Quel­le: Public Domain via Wikimedia.

Pyg­ma­li­on, ein Künst­ler in Zypern, ist maß­los ent­täuscht von den Frau­en und lebt nur noch für sei­ne Bild­haue­rei. Unbe­wußt erfüllt er sich sei­nen Traum durch eine von ihm erschaf­fe­ne Elfen­bein­sta­tue, die wie eine leben­di­ge Frau aus­sieht und dabei sei­nem Ide­al ent­spricht. Das Abbild behan­delt er mehr und mehr wie einen ech­ten Men­schen und schließ­lich ver­liebt er sich in sei­ne Kunstfigur.

Zypern ist die Hei­mat von Venus, daher fleht der Künst­ler die Göt­tin der Lie­be an ihrem Fest­tag inbrün­stig an, wenn schon sei­ne Sta­tue nicht zum Men­schen wer­den kön­ne, so sei ihm wenig­stens ver­gönnt, daß sei­ne künf­ti­ge Frau so sei wie die­se. — Als er dann aber von den Fei­er­lich­kei­ten für die Göt­tin wie­der nach Hau­se zurück­kehrt und die Elfen­bein­sta­tue zu lieb­ko­sen beginnt, erwacht die­se lang­sam zum Leben.

***

Es ist aus­schließ­lich das Pri­vi­leg der Göt­ter, dem was leben soll, die See­le ein­zu­hau­chen. Im Sin­ne der magi­schen Welt­auf­fas­sung kön­nen See­len aller­dings beein­flußt wer­den. Gleich­wohl zielt der hin­ter alle­dem ver­bor­ge­ne Wunsch­traum zielt genau dar­auf ab, die­se Dif­fe­renz­zwi­schen Vor­stel­lung und Wirk­lich­keit immer klei­ner wer­den zu las­sen. — Bei aller Mühe, erscheint es dann wie ulti­ma­ti­ves Künst­ler­glück, wenn die Wer­ke tat­säch­lich täu­schend echt wir­ken oder viel­leicht sogar zum Leben erwachen.

Dar­auf zie­len letzt­lich sowohl die Magie, als auch die Kunst und die Phi­lo­so­phie: Es gilt, das abso­lu­te Wort, das ulti­ma­ti­ve Werk oder die voll­kom­me­ne Ein­sicht zu fin­den, zu schaf­fen oder zu rea­li­sie­ren. Die­ser nicht sel­ten mit Hybris ein­her­ge­hen­de Wil­le zum Werk legt es tat­säch­lich dar­auf an, daß sich die Sachen von selbst ›bewe­gen‹ und tat­säch­lich zu leben begin­nen. Auch der Traum des Phä­no­me­no­lo­gen steht dem in nichts nach: Mögen die Sachen von sich aus zu spre­chen begin­nen, so daß wir nicht mehr mit Unter­stel­lun­gen, Annah­men und Ver­mu­tun­gen arbei­ten müs­sen, son­dern ein­fach nur zuhö­ren, zuse­hen und mit­er­le­ben können.

ean–Léon Gérôme: Pygmalion et Galatée. Metropolitan Museum of Art, New York. — Quelle: Public Domain via Wikimedia.

Jean–Léon Gérô­me: Pyg­ma­li­on et Gala­tée. Metro­po­li­tan Muse­um of Art, New York. — Quel­le: Public Domain via Wikimedia.

Hybris, das bedeu­tet Grenz­über­schrei­tung und zwar in einem über­aus magi­schen Sin­ne, etwa wenn eine eigent­lich unbe­seel­te Pup­pe wie Pinoc­chio, eine Skulp­tur wie die Gala­tée des Pyg­ma­li­on oder wenn ein Kunst­werk wie Das Bild­nis des Dori­an Gray zum Leben erwacht. Auch das ent­ge­gen­ge­setz­te Ver­fah­ren ist hoch pro­ble­ma­tisch, etwa wenn die See­le in ihrer emo­tio­na­len Beweg­bar­keit, in der sie eben ›gerührt‹ wer­den kann, ein­fach aus­zu­schal­ten, wenn sie durch einen kal­ten Stein ersetzt wird, wie in Das kal­te Herz von Wil­helm Hauff — Mit alle­dem gehen größ­te Befürch­tun­gen ein­her, die kos­mi­sche Ord­nung könn­te fun­da­men­tal gestört und viel­leicht sogar zer­stört wer­den. Es sind womög­lich bald schon kei­ne Ein­zel­fäl­le mehr, wenn so etwas auch nur ein ein­zi­ges Mal unge­straft mög­lich gewor­den ist.

Die Fas­zi­na­ti­on bei der Vor­stel­lung über die Macht magi­scher Wor­te ver­kehrt sich in gera­de Gegen­teil ange­sichts der Hor­ror­vor­stel­lun­gen, die sich sogleich ankün­di­gen, wenn auch nur einen Augen­blick dar­an gedacht wird, so etwas könn­te tat­säch­lich und wirk­lich mög­lich sein. Nicht nur die Gren­ze zwi­schen Wunsch und Wirk­lich­keit wäre dann nicht mehr von Bedeu­tung. Damit aber wür­den fun­da­men­ta­le Ori­en­tie­rungs­wei­sen unmög­lich gemacht, so daß sich zeigt, wor­um es bei sol­chen Hor­ror­vor­stel­lun­gen wirk­lich geht: Wo Arte­fak­te leben­dig wer­den, wo Sachen selbst zu spre­chen begin­nen, wo fun­da­men­ta­le Gren­zen nicht mehr gel­ten, dort wür­de die Ord­nung der Din­ge bis in die Fun­da­men­te erschüttert.

Es geht dabei aller­dings weit weni­ger um die Natur der Sachen selbst, als viel­mehr um den Bestand der Kul­tur. Alle rele­van­ten Ori­en­tie­rungs­mu­ster set­zen auf sol­che Unter­schei­dun­gen, daher kann es gar nicht denk­bar sein, daß die Gren­zen zwi­schen dem Leben­den und dem Toten, dem Unbe­seel­ten und dem Beseel­ten oder zwi­schen dem Künst­li­chen und dem Natür­li­chen nach Belie­ben über­schrit­ten wer­den. Das ist dann auch der Grund für das Grau­en, den Abscheu aber auch die Fas­zi­na­ti­on und das heim­li­che Inter­es­se an der Magie als schwar­ze Wis­sen­schaft oder auch ein­fach nur als Zauberkunst.

Aus­zug aus: https://​www​.nen​nen​-online​.de/​e​m​p​a​t​h​ie/


Ökologie im Diskurs

Ökologie im Diskurs.
Studien zu Grundfragen der Anthropologie, Ökologie
und zur Ethik der Wissenschaften

Drei mög­li­che Begrün­dungs­ebe­nen las­sen sich unter­schei­den, auf die sich Moti­ve für Natur­schutz zurück­füh­ren las­sen: natur­wis­sen­schaft­li­che–, ästhe­ti­sche– und ethi­sche Begrün­dun­gen. Die­se drei mög­li­chen Per­spek­ti­ven wer­den aller­dings, anders als zu erwar­ten wäre, weder gleich­be­rech­tigt noch gleich­ran­gig ange­nom­men; es läßt sich ein Hang zur erste­ren, der natur­wis­sen­schaft­li­chen Argu­men­ta­ti­on beob­ach­ten, wenn Moti­ve fur Natur­schutz begrün­det wer­den sol­len. Gleich­falls ist eine gewis­se Scheu vor ästhe­ti­schen oder ethi­schen Kri­te­ri­en zu beob­ach­ten; letz­te­re ver­küm­mern gera­de­zu, wenn ihnen aus Grün­den, die wir prü­fen wol­len, allen­falls noch der Sta­tus von Hilfs­ar­gu­men­ten ein­ge­räumt wird.

In der Tat sind die­se drei Begrün­dungs­ebe­nen nicht gleich­ran­gig. Die allein mit ästhe­ti­schen und ethi­schen Sät­zen for­mu­lier­ba­ren Kri­te­ri­en qua­li­ta­ti­ver Natur sind, sofern sie tat­säch­lich qua­li­ta­ti­ve Momen­te aus­for­mu­lie­re, immer schon dem natur­wis­sen­schaft­li­chen und quan­ti­fi­zie­ren­den Zugriff ent­zo­gen; sie sind nicht gleich­ran­gig, weil sie auf ver­schie­de­nen Erkennt­nis­ebe­nen ope­rie­ren, aber sie sind gleich­be­rech­tigt. — Begrün­dun­gen, war­um etwa ein Baum, eine Tier­art, eine bestimm­te Land­schaft oder z.B. die Wäl­der des Ama­zo­nas zu schüt­zen sei­en, las­sen sich bei­spiel­haft für alle drei Ebe­nen ange­ben: Weil der Baum z.B. Sau­er­stoff pro­du­zie­re oder weil Abhol­zen der Amazonas–Wälder das glo­ba­le Kli­ma gefähr­de, weil der Baum und sei­ne cha­rak­te­ri­sti­sche Land­schaft dem Men­schen Erleb­nis­se äuße­rer und inne­rer Erfah­rung ermög­li­che, die unwie­der­bring­lich ver­lo­ren wären, und schließ­lich, weil es dem Men­schen nicht erlaubt sei ohne Not zu töten, weil jedes Lebe­we­sen ein allein durch sei­ne Exi­stenz ver­brief­tes Recht auf art­ge­rech­tes Leben habe und weil im Fal­le der Zer­stö­rung der Ama­zo­nas­wäl­der den dort leben­den India­nern die Exi­stenz­grund­la­ge genom­men wäre.

Cha­rak­te­ri­stisch für die natur­wis­sen­schaft­lich ori­en­tier­te Begrün­dungs­ebe­ne sind Argu­men­te, die einen bestimm­ten Zweck als not­wen­dig vor­aus­set­zen (Vor­der­satz) und dann im Rah­men einer Wenn–dann–Folge die Gefähr­dung oder mög­li­che Zer­stö­rung eines als zweck­ra­tio­nal aner­kann­ten lebens­not­wen­di­gen Zusam­men­hangs begrün­den (Schluß­satz). Ein der­ar­ti­ges Argu­men­ta­ti­ons­mu­ster insi­stiert stets auf die zwin­gen­de Not­wen­dig­keit uner­wünsch­ter Fol­gen. Weit­aus schwie­ri­ger las­sen sich Begrün­dungs­zu­sam­men­hän­ge unter ästhe­ti­schen oder ethi­schen Gesichts­punk­ten gestal­ten, wenn erwar­tet wird, sie soll­ten eben­falls Schluß­fol­ge­run­gen ermög­li­chen, die zwin­gend not­wen­dig sind. Es kann aber von Sinn­zu­sam­men­hän­gen gera­de nicht ohne wei­te­res erwar­tet wer­den, daß sie zweck­ra­tio­na­le Schluß­sät­ze begrün­den, dazu sind sie nicht prä­de­sti­niert, denn sinn­haf­te und sinn­vol­le Argu­men­te wer­den mit­un­ter gera­de durch ein Rela­ti­vie­ren von Zwecken erst möglich.

An der Not­wen­dig­keit öko­lo­gi­scher Fra­ge­stel­lun­gen in den Natur­wis­sen­schaf­ten scheint nie­mand mehr ernst­haft zwei­feln zu wol­len, es kommt nun­mehr dar­auf an, auch die Gei­stes­wis­sen­schaf­ten mit ein­zu­be­zie­hen. Was ange­sichts anthro­po­lo­gi­scher Fra­ge­stel­lun­gen gelang, muß auch in der Öko­lo­gie gelin­gen; not­wen­dig ist der mul­ti­dis­zi­pli­nä­re Dis­kurs der Öko­lo­gie, wobei die Zahl der hier zu betei­li­gen­den Wis­sen­schaf­ten aller­dings bedeu­tend gro­ßer wäre. Dabei muß es den ein­zel­nen Dis­zi­pli­nen zunächst im Rah­men ihrer jewei­li­gen Zustän­dig­keit selbst über­las­sen blei­ben, ihre je eige­nen Kri­te­ri­en zur Bestim­mung des Öko­lo­gi­schen zu ent­wickeln. Im Vor­feld der Dis­kur­se muß die Möglich­keit zur Selbst­be­stim­mung gewähr­lei­stet sein, Über­grif­fe oder vor­schnel­le Ver­bin­dun­gen sind abzu­leh­nen; eine Begren­zung des­sen was Öko­lo­gie ist, kann nur in Abhän­gig­keit von der jewei­li­gen Fra­ge­stel­lung, also von Fall zu Fall rat­sam sein, im Grun­de aber ist die­ser Dis­kurs als mul­ti­dis­zi­pli­nä­rer offe­ner denn je. Wenn zudem noch öko­lo­gi­sche Dis­zi­pli­nen den Men­schen mit ein­be­zie­hen sol­len, und sie wer­den nicht umhin kön­nen die­ses zu tun, so tre­ten neben die Kri­te­ri­en der phy­si­schen Natur zusätz­lich sol­che der psychischen–.

Zur psy­chi­schen Natur des Men­schen gehört die Mög­lich­keit ästhe­ti­scher Erfah­rung, eine Fähig­keit, die unter bestimm­ten Umstän­den auf­tritt, die unter den Erschwer­nis­sen ent­frem­de­ter Lebens­ver­hält­nis­se die per­so­na­le Inte­gra­ti­on durch das Erle­ben von Ganzheits–Erfahrungen gewähr­lei­sten kann. So wie das Indi­vi­du­um sei­ner­seits sei­ne Ent­ste­hung einem bestimm­ten histo­ri­schen und topo­gra­phi­schen Ort ver­dankt, so ist auch die Wahr­neh­mung des Natur­schö­nen ihrer­seits an Vor­aus­set­zun­gen gebun­den, die bedingt erfüllt sein müs­sen, bevor eine Land­schaft in Abse­hung vom Zweck als schön emp­fun­den wer­den kann…

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