• Anthropologie,  Diskurs,  Ethik,  Götter und Gefühle,  Identität und Individualismus,  Ironie,  Kunst,  Künstler,  Lehramt,  Lehre,  Leib,  Melancholie,  Moderne,  Moral,  Motive der Mythen,  Platon,  Politik,  Professionalität,  Psyche,  Religion,  Schönheit,  Schuld,  Schule,  Seele,  Technikethik,  Theographien,  Theorien der Kultur,  Urbanisierung der Seele,  Utopie,  Vorlesung,  Wahrheit,  Wissenschaftlichkeit,  Zeitgeist,  Zivilisation

    Vorlesungen und Seminare

    Heinz-Ulrich Nennen: Vorlesungen und Seminare. Wordcloud 2016.
    Heinz-Ulrich Nen­nen: Vor­le­sun­gen und Semi­na­re. Word­cloud 2016.

  • Anthropologie,  Identität und Individualismus,  Melancholie,  Motive der Mythen,  Religion,  Urbanisierung der Seele,  Vorlesung,  Zeitgeist

    Das erschöpfte Selbst

    Lucas Cra­nach der Älte­re: Melan­cho­lie. Natio­nal­ga­le­rie,
    Kopenhagen.<fn>Public domain via Wiki­me­dia Commons.</fn>

    Erläuterungen zur Psychogenese

  • Anthropologie,  Ironie,  Moderne,  Zeitgeist

    Philosophie in Echtzeit

    Die Sloterdijk–Debatte: Chronik einer Inszenierung. Über Metaphernfolgenabschätzung, die Kunst des Zuschauers und die Pathologie der Diskurse

    Am 17. Juli 1999 hielt Peter Slo­ter­di­jk im ober­baye­ri­schen Schloß Elmau eine Rede mit dem Titel „Regeln für den Men­schen­park“ – eine in Inhalt und Form über­aus pro­vo­kan­te Aus­ein­an­der­set­zung mit Fra­gen der Gen­tech­nik im all­ge­mei­nen und des Klo­nens im beson­de­ren. In über 1000 Arti­keln und Rund­funk­bei­trä­gen sowie zahl­lo­sen Leser­brie­fen arti­ku­lier­te sich das Unbe­ha­gen an Slo­ter­di­jks unbe­que­men, schnell unter Faschis­mus­ver­dacht gestell­ten Überlegungen.

    Gera­de die­ser Skan­dal hielt sich beträcht­lich lang in der öffent­li­chen Auf­merk­sam­keit. Die Eska­la­ti­on der Debat­te begann, wie so vie­le zuvor, mit einem Faschismus–Vorwurf, ver­lief dann aber doch anders und ende­te eben nicht mit der Exkom­mu­ni­ka­ti­on. Der Hype um die Sloterdijk–Debatte erreich­te sei­nen Kul­mi­na­ti­ons­punkt mit dem Philosophen–Kongreß in Kon­stanz und ende­te, als die Frank­fur­ter Buch­mes­se eröff­net wurde.

    Die Kara­wa­ne öffent­li­cher Auf­merk­sam­keit war längst wei­ter­ge­zo­gen, so daß kaum Jemand ein win­zi­ges aber ent­schei­den­des Detail noch hät­te zur Kennt­nis neh­men kön­nen. — Nur wer lan­ge genug vor Ort blieb, ein­fach mit dem Gefühl, das kön­ne noch nicht alles gewe­sen sein, soll­te belohnt wer­den durch die Infor­ma­ti­on über eine Bege­ben­heit, auf die nur die Wirk­lich­keit kommt. Das Fazit ist dann auch über­ra­schend mit­ten aus dem Leben gegriffen.

    Heinz-Ulrich Nennen: Philosophie in Echtzeit. Die Sloterdijk–Debatte: Chronik einer Inszenierung. Über Metaphernfolgenabschätzung, die Kunst des Zuschauers und die Pathologie der Diskurse. Königshaus & Neumann, Würzburg 2003. [ISBN: 978-3-8260-2642-3] 650 S. 49,80 EU.
    Heinz-Ulrich Nen­nen: Phi­lo­so­phie in Echt­zeit. Die Sloterdijk–Debatte: Chro­nik einer Insze­nie­rung. Über Meta­phern­fol­gen-abschät­zung, die Kunst des Zuschau­ers und die Patho­lo­gie der Dis­kur­se. Königs­haus & Neu­mann, Würz­burg 2003. [ISBN: 978–3‑8260–2642‑3] 650 S. 49,80 EU
    Die­ses merk­wür­di­ge Detail war zwar schon früh­zei­tig bekannt, aber nicht ganz. Die inkri­mi­nier­te Rede war schon zwei Jah­re zuvor im Thea­ter zu Basel auf einer Sonn­tags­ma­ti­nee zu Gehör gebracht und mit Geläch­ter gou­tiert wor­den. Die Iro­nie des gan­zen Arran­ge­ments, die Spitz­fin­dig­keit die­ser Kri­tik am Huma­nis­mus, das Gro­tes­ke an der The­se, der Huma­nis­mus habe ver­sagt, man müs­se nun­mehr unter Ein­satz der Gen­tech­nik an die Ver­bes­se­rung, vul­go, an die Züch­tung des Men­schen­ge­schlechts her­an­ge­hen, war unter dem Aus­druck gro­ßer Hei­ter­keit vom Publi­kum auf­ge­nom­men wor­den. Das alles hat­te der Red­ner selbst zu Pro­to­koll gege­ben in den vie­len Inter­views die­ser Tage und Wochen.

    Was er jedoch offen­bar nicht ohne Hin­ter­sinn ganz bewußt zunächst nicht publik gemacht hat, war ein eben­so win­zi­ges wie ent­schei­den­des Detail. Dar­auf hat­te nie­mand kom­men kön­nen, der nicht dabei gewe­sen ist oder, der nicht nach­re­cher­chiert hat im Thea­ter zu Basel, was es mit die­ser Mati­née auf sich gehabt haben könn­te. — Slo­ter­di­jk hat­te höchst­selbst berich­tet von die­ser Ver­an­stal­tung, in der er also anwe­send gewe­sen sein muß. Was er aber nicht aus­ge­plau­dert, son­dern mut­maß­lich ganz bewußt ver­schwie­gen hat, war die nicht uner­heb­li­che Tat­sa­che, daß die­sel­be Menschenpark–Rede von Elmau zuvor im Thea­ter zu Basel von einem Schau­spie­ler vor­ge­tra­gen wor­den war. Es waren zwar die­sel­ben Wor­te, aber Red­ner, Publi­kum und auch die Kulis­sen waren wie aus­ge­wech­selt. Die Iro­nie, die Sati­re und die huma­ne Kri­tik am Huma­nis­mus kam gar nicht mehr oder ganz anders an. Noch dazu waren Bericht­erstat­ter vor Ort, die den Skan­dal such­ten und fan­den. Sie miß­ach­te­ten dann auch die Signa­le der Iro­nie, son­dern sahen und hör­ten, was sie gese­hen und gehört haben wollen.

    Es wäre ein wünsch­ba­rer Neben­ef­fekt die­ser Stu­die, wür­de es künf­tig hin und wie­der eine der­ar­ti­ge Unter­su­chung in einem ähn­li­chen „Fall“ geben, nicht zuletzt, um die Qua­li­tät der Medi­en und ihrer Ver­tre­ter ein­mal mehr einer kri­ti­schen Prü­fung zu unter­zie­hen. Dabei las­sen sich gro­ße qua­li­ta­ti­ve Unter­schie­de fest­stel­len: Es gibt durch­aus posi­ti­ve Bei­spie­le auch in die­ser Debat­te, wo Bericht­erstat­ter und Kom­men­ta­to­ren mit gutem Gespür, gro­ßem Fein­ge­fühl und nicht zuletzt auch mit Sach­kennt­nis vor­ge­gan­gen sind. Vor­ent­schie­den­heit und beflis­sent­li­che Par­tei­lich­keit, gepaart mit Unver­ständ­nis, sind dage­gen häu­fig die ent­schei­den­den Fak­to­ren für defi­ni­tiv schlech­te, fal­sche, mög­li­cher­wei­se bewußt fal­sche Bericht­erstat­tung, mit der nie­man­dem und schon gar nicht der Öffent­lich­keit gedient sein kann.

    Die vor­lie­gen­de Chro­nik der Slo­ter­di­jk-Debat­te ist zugleich ein phi­lo­so­phi­sches Expe­ri­ment, den Fall einer Skan­da­li­sie­rung ein­mal bewußt syste­ma­tisch zu rekon­stru­ie­ren, um zu beob­ach­ten, wie sich Infor­ma­ti­on und Des­in­for­ma­ti­on, Insze­nie­rung und Gegen­in­sze­nie­rung zuein­an­der ver­hal­ten, wie sich Öffent­lich­keit im Zeit­al­ter ihrer Medi­en­för­mig­keit kon­sti­tu­iert, wie sich dabei die All­tags­ver­nunft aus­nimmt und wie es um die Idea­li­tät idea­ler Dis­kur­se bestellt ist, — alles wie­der­um beob­ach­tet unter Anlei­tung eines Chro­ni­sten und bewer­tet aus den wech­seln­den Per­spek­ti­ven eines Zuschau­ers, von dem ange­nom­men wird, daß die­ser sich auf etwas Beson­de­res ver­steht: „Die Kunst des Zuschau­ers“, erst all­mäh­lich her­aus­zu­be­kom­men, was eigent­lich gespielt wird.

    Heinz-Ulrich Nen­nen: Phi­lo­so­phie in Echt­zeit @ Goog­le Books

    Heinz-Ulrich Nen­nen: Phi­lo­so­phie in Echt­zeit @ Königs­hau­sen & Neu­mann Verlag

    Heinz-Ulrich Nen­nen: Phi­lo­so­pie in Echt­zeit. @ Amazon

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  • Identität und Individualismus,  Moderne,  Theorien der Kultur,  Zeitgeist,  Zivilisation

    Philosoph mit Wohnmobil

    Ein Karlsruher Hochschul–Dozent
    studiert an Münsters Hafen das Leben

    Die­ser Mann lehrt als Dozent an der Uni­ver­si­tät im baden-würt­tem­ber­gi­schen Karls­ru­he. Aber den Phi­lo­so­phen zieht es immer wie­der ins west­fä­li­sche Mün­ster. Dort lebt Dr. Heinz-Ulrich Nen­nen in einem Wohn­mo­bil direkt am Ufer des alten Indu­strie­ha­fens. „Sonn­tags gehen die Men­schen hier anders“, sagt er. Dann fla­nier­ten sie – wäh­rend sie in der Woche hetz­ten. Aber das ist nur ein Bei­spiel des Hafen­le­bens, das Nen­nens Vor­le­sun­gen schreibt.

    Mor­gens, so gegen fünf Uhr, da fin­det er es hier am schön­sten. „Wenn sich der Hafen im glat­ten, stil­len Was­ser spie­gelt“, erzählt er ver­träumt, „da erlebt man die­sen Mikro­kos­mos gleich dop­pelt.“ In die­se „klei­ne eige­ne Welt“ zieht sich Dr. Heinz-Ulrich Nen­nen seit fast vier Jah­ren ger­ne zurück. Er hat Fami­lie und Woh­nung in Unna und einen Lehr­auf­trag in Karls­ru­he. Aber sein Zuhau­se steht hier: Ein ame­ri­ka­ni­scher „Win­ne­bago“.

    Ein Wohn­wa­gen Bau­jahr 1988, 11,20 Meter lang, geparkt direkt am Kanal­ufer gegen­über der Hafen-Gastro­no­mie. „Gegen halb sechs bringt die erste Wel­le das Leben zurück. Ganz lang­sam kommt sie her­ein. Man kann zuschau­en, wie sie geht.“ Es klingt fast lyrisch, wie er die Wor­te poin­tiert betont.

    Dabei mag man eine gewis­se Sehn­sucht nach Stil­le in sei­nen dunk­len, stets offe­nen Augen erken­nen. Aber Nen­nen ist kei­ner, der das Leben scheut. Den Tag über war er auf einer Phi­lo­so­phen-Tagung in Essen. Erst seit weni­gen Minu­ten ist er zuhau­se. Schick in schwarz geklei­det sitzt er am Schreib­tisch. Auf dem Fuß­bo­den Lami­nat, an den Wän­den Schrän­ke in Eiche mas­siv. „Hier füh­le ich mich daheim“, sagt er, kocht sofort einen Tee und erzählt.

    Auf dem Tisch steht noch das Rot­wein­glas, direkt dane­ben die aus­ge­brann­ten Tee­lich­ter von ver­gan­ge­ner Nacht. An den Wän­den hän­gen gol­di­ge Lam­pen­hal­ter mit Falt­schirm­chen. Schnell erkennt man: Nen­nen ist kein Cam­per. Auch nicht der Typ, der roman­tisch am Lager­feu­er grillt. „Ich will auf kei­nen Luxus ver­zich­ten“, sagt er. Nen­nen ist viel­mehr ein Feld­for­scher mit mobi­lem Wohn­bü­ro – aus­ge­stat­tet mit UMTS-Lap­top, Navi­ga­ti­ons-Touch­screen, Schlaf­zim­mer, Dusche und eige­nem Strom­ge­ne­ra­tor. Außer Spül- und Wasch­ma­schi­ne ist alles an Bord. Nen­nen: „Ich kann hier zehn Tage aut­ark leben. Dann sind die Wasser‑, Gas- und Ben­zin­tanks leer.“

    Früh tauch­te der Rhei­nen­ser in Mün­ster auf, ging hier zur Schu­le, stu­dier­te und pro­mo­vier­te vor knapp 20 Jah­ren – „mit sum­ma cum lau­de“ – an der phi­lo­so­phi­schen Fakul­tät. Er dach­te, die Arbeits­welt reißt sich um ihn, wenn er sich bewirbt. Aber sie dreh­te sich auch ohne ihn wei­ter. Die erste Zeit war er arbeits­los, dann unter­rich­te­te er ange­hen­de Poli­zi­sten in Ethik und forsch­te für zehn Jah­re in einem Stutt­gar­ter Insti­tut rund um die Fol­gen der Atomkraft.

    Schließ­lich habi­li­tier­te er über die Slo­ter­di­jk-Debat­te. Nen­nen: „Das war Phi­lo­so­phie in Echt­zeit. Ich habe alles aus dem Moment her­aus ana­ly­siert.“ Die­ses Prin­zip hat er sich bis heu­te zu eigen gemacht. Sei­ne Vor­le­sun­gen an der Uni Karls­ru­he schreibt er jede Woche neu – oft nachts am mün­ster­schen Hafen­ufer. Sei­ne The­men: „Empa­thie“, „Psy­che“ oder „Selbst­ver­stän­di­gung“.

    Zwi­schen­durch grü­ßen Spa­zier­gän­ger und Hafen­mei­ster. Die Leu­te hier ken­nen ihn – und er kennt sie. Aus dem Wohn­wa­gen beob­ach­tet er sie, stu­diert sie und fin­det den Stoff für sei­ne Stu­den­ten. Nen­nen: „Der Hafen ist unbe­re­chen­bar. Mal wacht man auf, da ist Tri­ath­lon. Mal kommt doch noch ein Güter­zug.“ Und mal erhö­hen die Tanz­jün­ger im Hea­ven den Beat. Das erin­ne­re ihn immer an Kin­der von Fließ­band­ar­bei­tern: „Sie suchen das Band, viel­leicht auch einen Lebens­rhyth­mus. Um drei Uhr wird immer der Arbeits­takt erhöht.“

    Nicht nur bei den Tän­zern – auch im Wohn­wa­gen: „Ich brau­che Rum­mel. Der inspi­riert mich.“ Nach­denk­lich stützt er den Kopf auf die Hand und krault durch sei­nen ergrau­ten Bart. Da ist sie, die näch­ste Idee.

    Erschie­nen in: Mün­ster­sche Zei­tung (20. Sep­tem­ber 2008)

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    Anthropologie der modernen Welt

    Walter Crane: Die Rosse des Neptun. Neue Pinakothek München, Public Domain @ Wikimedia
    Wal­ter Cra­ne: Die Ros­se des Nep­tun. Neue Pina­ko­thek Mün­chen, Public Domain @ Wiki­me­dia

    Das multible Selbst

    Die Göt­ter der Anti­ke sind wie die Stars unse­rer Tage, die Ster­ne von damals sind die Stern­chen von heu­te. Alle ihre ein­zel­nen Fähig­kei­ten, mit denen sie sich im Ver­lau­fe der Zeit ange­rei­chert haben, las­sen sich oft noch an den vie­len Bei­na­men erken­nen, es sind Spu­ren ver­ein­nahm­ter Häupt­lings­tü­mer, es sind die Gei­ster von Clans, Land­schaf­ten und Kul­tu­ren, die längst auf­ge­gan­gen sind im grö­ße­ren Gan­zen die­ser Göt­ter­ge­stal­ten. Gera­de Göt­ter ver­fü­gen über mul­ti­ple Iden­ti­tä­ten, daher fällt es ihnen so leicht, in frem­der Gestalt auf­zu­tre­ten, um sich selbst dabei doch treu zu blei­ben. Daher beherr­schen sie das Spiel mit den Mas­ken. Beson­ders Zeus wech­selt ein ums ande­re Mal für Lie­bes­aben­teu­er äußerst spek­ta­ku­lär die eige­ne Gestalt: Er nähert sich sei­ner spä­te­ren Gat­tin Hera als durch­näß­ter, zit­tern­der Kuckuck, als Stier der Euro­pa, als Schwan der Leda, als gol­de­ner Regen der Danaë und um den Hera­kles zu zeu­gen, ver­wan­delt er sich in Amphi­try­on, den Gat­ten der Alkmene.

    Göt­ter wie Zeus beherr­schen ein­fach die­ses bedeu­ten­de Kunst­stück, sich auch in frem­der Gestalt noch immer selbst treu zu blei­ben. Im Pro­zeß der Zivi­li­sa­ti­on wird nicht nur die Außen­welt, son­dern auch die Innen­welt immer wei­ter aus­dif­fe­ren­ziert. Mit der Zivi­li­sa­ti­on, Ratio­na­li­tät und Moder­ne geht daher stets auch ein Pro­zeß der Psy­cho­ge­ne­se ein­her. Göt­ter haben uns dabei stets etwas vor­aus, sie ver­kör­pern die Idea­le, auf die es ankommt. Dem­entspre­chend läßt sich anhand der außer­or­dent­li­chen Fähig­kei­ten von Göt­ter die Zukunft der Psy­che able­sen. Das nun­mehr im Zuge der Psy­cho­ge­ne­se anste­hen­de mul­ti­ple Selbst wird sei­ner­seits über die­se ent­schei­den­de gött­li­che Fähig­keit ver­fü­gen, sich anver­wan­deln zu können.

    Die klas­si­schen Ein­wän­de dage­gen, das sei kei­ne Wahr­haf­tig­keit mehr, son­dern eben Insze­nie­rung, es sei kei­ne Authen­ti­zi­tät, son­dern nur Vor­spie­ge­lung im Spie­le, kön­nen nicht mehr ver­fan­gen. Wir haben nicht eine ein­zig wah­re Natur, das ein­zig ver­bind­li­che Selbst oder irgend­ei­ne fixier­te Iden­ti­tät in uns, die ehr­lich­keits­hal­ber nur zum Aus­druck gebracht wer­den muß, wäh­rend alles ande­re nur Lug und Trug sein wür­de. Die Fra­ge nach der Wahr­haf­tig­keit eines Got­tes, der eine Meta­mor­pho­se voll­zo­gen hat, ist unan­ge­bracht, es kommt dar­auf an, was sich in der Wahr­neh­mung ereig­net. Ent­schei­dend ist das Erle­ben, etwa einem Schau­spie­ler abneh­men zu kön­nen, was er vor­gibt zu sein.

    Wir alle spie­len Thea­ter, was eben nicht bedeu­tet, daß es uns nicht ernst damit wäre. Das Mas­ken­spiel ist dabei mehr als nur eine aus­ge­zeich­ne­te Meta­pho­rik für das, was sich da eigent­lich ereig­net, es ist der Bruch mit der nai­ven Erwar­tung, daß wir immer die­sel­ben sind und es auch blei­ben. Wer eine Mas­ke auf­setzt, über­nimmt eine Rol­le, wird somit zu jemand Ande­ren, wech­selt also die Identität.

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  • Anthropologie,  Moderne,  Motive der Mythen,  Theorien der Kultur,  Zeitgeist,  Zivilisation

    Geldhandel als Krieg

    Auguste Rodin: Das Höllentor

    Augu­ste Rodin: Der Den­ker. Detail aus: Das Höl­len­tor; Musée d’Orsay. Foto: Ste­fan Kühn via @ Wiki​me​dia​.org, Crea­ti­ve Com­mons 3.0 (CC-BY-SA 3.0).