Prof. Dr. phil. Heinz-Ulrich Nennen Hochschullehrer für Philosophie am Karlsruher Institut für Philosophie Philosophische Ambulanz Münster, für alle Zweifelsfälle des Lebens, des Denkens und nicht zuletzt der Gefühle. Philosophie | Anthropologie | Psychologie | Pädagogik | Mythologie | Märchen | Ästhetik | Zeitgeistdiagnosen | Philosophische Cafés und Philosophische Praxis. Homepage: www.nennen-online.de heinz-ulrich.nennen@t-online.de

  • Philosophie

    Befreit die Liebe?!

    ARSAMATORIA TEATIME
    Sams­tag 18. Janu­ar 2025
    14 – 16 Uhr
    Ber­lin, B1 Galerie

    BEFREIT DIE LIEBE?!

    Wir laden Euch zu unse­rer ersten Teati­me im Jahr 2025 ein. Gemein­sam mit unse­rem Gast, dem Phi­lo­so­phen Prof. Heinz-Ulrich Nen­nen möch­ten wir über die Lie­be spre­chen, die wir einer­seits gezähmt in Käfi­gen unse­rer Nor­mie­run­gen hal­ten und der wir ande­rer­seits so viel Bedeu­tung für unser eige­nes Lebens­glück bei­mes­sen – ein Gespräch über die Wild­heit der Lie­be und die Hoff­nung, dass wenn wir sie befrei­en, sie uns befreit.

    Der Ein­tritt ist frei.

    Heinz-Ulrich Nen­nen ist Pro­fes­sor für Phi­lo­so­phie mit den Schwer­punk­ten Phi­lo­so­phi­sche Psy­cho­lo­gie, Mei­ster­er­zäh­lun­gen in Mythen, Mär­chen und Meta­phern: Hel­den­rei­se, Psy­cho­ge­ne­se, Ori­en­tie­rungs­wis­sen, sowie für Zeit­geist- und Diskursanalysen. 

  • Philosophie

    Gespräche und Begegnungen

    Per­sön­li­che Über­zeu­gun­gen set­zen sich zusam­men aus einer Viel­falt von Moti­ven aus den unter­schied­lich­sten Sek­to­ren, die wir oft nur zum Teil selbst über­prüft haben. Vie­les davon ist nicht selbst erdacht, son­dern nur übernommen.

    Im Zwei­fels­fall, also immer dann, wenn man es wirk­lich genau wis­sen will, stellt sich die Fra­ge, wie sicher, wie ent­schei­dend, wie bela­stungs­fä­hig sind unse­re Vor­an­nah­men und Vor­stel­lun­gen wirk­lich? Das­sel­be gilt für Lebens­er­eig­nis­se, die zu ver­ste­hen natur­ge­mäß schwer fal­len kann.

    Die Kunst der phi­lo­so­phi­schen Pra­xis besteht dar­in, jedes Gesamt­ur­teil zunächst wie­der auf­zu­lö­sen in die ein­zel­nen Bestand­tei­le, aus denen es zusam­men gesetzt ist. Viel­leicht ergibt sich schluß­end­lich, daß, was gedacht wur­de, schon sehr ange­mes­sen gewe­sen sein dürf­te, viel­leicht ergibt sich aber auch eine völ­lig neue Sicht der Dinge.

    Es gilt, das eige­ne Urteils­ver­mö­gen noch­mals selbst zu beur­tei­len, denn Wis­sen allein genügt nicht. Es könn­te sich schließ­lich auch nur um gefühl­tes Über­zeugt­sein han­deln, also um etwas, das nur wie eine kon­se­quen­te Den­kungs­art erscheint. — Wenn etwas unbe­dingt gel­ten soll, dann muß es sich auch bewäh­ren kön­nen. Also soll­te es mög­lich sein, das eige­ne Wis­sen zu wis­sen, sich des eige­nen Bewußt­seins noch­mals bewußt zu wer­den und auch dem eige­ne Füh­len noch ein­mal nach­zu­füh­len. Alle­dem dient der Dia­log in der phi­lo­so­phi­schen Praxis.

    Ent­schei­dend ist nicht das Ergeb­nis eines Gedan­ken­gangs. Viel wich­ti­ger ist es, auf wel­che Wei­se das eige­ne Den­ken zustan­de kommt. Daher ist es so wich­tig, auch das, was noch so selbst­ver­ständ­lich erscheint, zur Dis­po­si­ti­on zu stel­len, denn wenn es etwas Bewähr­tes und wirk­lich ver­läß­lich ist, dann wird es sich auch in einer Bewäh­rungs­pro­be erneut als ver­läß­lich erwei­sen. — Wir soll­ten also genau­er in Augen­schein neh­men, was wir wirk­lich wis­sen, was wir wis­sen müß­ten und was wir womög­lich gar nicht wis­sen kön­nen. So wird die Qua­li­tät aber auch die Begrenzt­heit des eige­nen Urteils­ver­mö­gens genau­er bewußt.

    Phi­lo­so­phie ist inso­fern stets eine Fra­ge nach den Gren­zen des­sen, was sich sagen läßt. Die Fra­ge ist dabei immer, wie viel vom Gan­zen haben wir eigent­lich wirk­lich sicher im Blick? — Phi­lo­so­phie­ren bedeu­tet, ein fei­nes Gespür dafür zu ent­wickeln, wie weit ein­zel­ne Aus­sa­gen jeweils tra­gen, wann ein Wort sei­ne Bedeu­tung zu ver­lie­ren beginnt, wann irgend etwas an einer Aus­sa­gen nicht mehr zutref­fend sein kann…

    Um zu ver­ste­hen, müs­sen wie erst ein­mal den Dia­log eröff­nen. Das gelingt am ehe­sten durch den gemein­sa­men Ver­such, sich gemein­sam anhand per­sön­li­cher Nar­ra­ti­ve tie­fe­re Ein­blicke zu eröff­nen. Die­ses Son­die­ren ver­langt einen hohen Grad an Fle­xi­bi­li­tät, man­che unse­rer ver­meint­li­chen Beweg­grün­de sind näm­lich oft nur vor­der­grün­dig. Daher ist es wich­tig, was sich eigent­lich hin­ter unse­ren Kulis­sen abspielt.

    Cas­par David Fried­rich: Auf dem Seg­ler (1818f).

    Um ins Ver­ste­hen zu gelan­gen, arbei­ten wir inten­siv mit Sym­bo­le und Alle­go­rien aus Mythen und Mär­chen, ins­be­son­de­re mit­hil­fe von Idea­len, wie sie die Göt­ter ver­kör­pern. Dahin­ter ver­birgt sich man­ches, was unse­rem Den­ken in abstrak­ten Begrif­fen wie­der mehr Inhalt, mehr Leben, Geist und Gefühl ver­mit­teln kann. — Phi­lo­so­phie ist weit mehr als trocke­ne Theo­rie, eis­kal­te Metho­de oder rhe­to­ri­sche Spie­gel­fech­te­rei. Phi­lo­so­phie hat eine Pra­xis, die sich selbst oft ganz anders dar­stellt, die nicht nur unter­halt­sam, son­dern auch erhel­lend und erhei­ternd sein kann. — Das Lachen ist schließ­lich ein immer wie­der­keh­ren­der Topos in der Philosophie.

    Es gilt, mit der Spra­che bis zu den Gren­zen des bis­her Sag­ba­ren vor­zu­drin­gen. Dort sind die Quel­len für ein neu­es Selbst­ver­ständ­nis, für tie­fe­res Ver­ste­hen und neue Lebens­kon­zep­te, so daß sich wie­der neu­es Ver­trau­en und Selbst­ver­trau­en moti­vie­ren und fin­den läßt. Daher ist Inspi­ra­ti­on so wesent­lich. Es gilt, neue Ein­drücke, Gedan­ken und Gefüh­le zur Spra­che zu brin­gen, um neu­en Ein­drücken eben­so wie Gefüh­len mehr Raum zuzugestehen.

    Phi­lo­so­phie ist nicht nur Theo­rie son­dern auch Pra­xis, geleb­te Pra­xis. Sie setzt daher eine gei­sti­ge Mobi­li­tät vor­aus, die dar­auf aus ist, stän­dig die Per­spek­ti­ve zu wech­seln, um dabei auch die eige­ne Posi­ti­on, also sich selbst zu riskieren.

    Honorar

    Ein erstes Vor­ge­spräch von 30 Minu­ten ist honorarfrei.

    • 60 Minu­ten 75€
    • 90 Minu­ten 100€
    • 120 Minu­ten 125€

    Arrangements

    Gesprä­che sind online mög­lich via 

    Zoom Logo

    Persönliche Begegnungen

    Tref­fen sind im Mün­ster­land möglich.

    Etwa beim Mit­tag­essen im Gast­haus Stuhl­ma­cher am Prinzipalmarkt:

    Beim Kaf­fee im Lux im Lan­des­mu­se­um Münster:

    LUX-avatar

    Beim Essen im Ristor­an­te Il DiVi­no mit Blick auf den Aase:

    Oder an einem ande­ren geneh­men Ort. 

    Kon­takt per Email: heinz-ulrich.nennen@t‑online.de

  • Anthropologie,  Diskurs,  Ethik,  Götter und Gefühle,  Identität und Individualismus,  Ironie,  Moderne,  Motive der Mythen,  Philosophie,  Platon,  Professionalität,  Psyche,  Psychosophie,  Schönheit,  Seele,  Technikethik,  Theorien der Kultur,  Traum,  Urbanisierung der Seele,  Utopie,  Wissenschaftlichkeit,  Zeitgeist,  Zivilisation

    Über mich

    Prof. Dr. phil. Heinz-Ulrich Nennen

    Hoch­schul­leh­rer für Phi­lo­so­phie an der Uni­ver­si­tät Karls­ru­he.

    Phi­lo­so­phi­sche Pra­xis Münster,

    für alle Zwei­fels­fäl­le des Lebens, des Den­kens und nicht zuletzt der Gefühle.

    Email: heinz-ulrich.nennen@t‑online.de

    Motto:

    Zunächst muß

    das Eigent­li­che

    zur Spra­che gebracht werden,

    denn nur so kommt das Neue ins Denken.

    Von dort kann es dann in die Welt gelan­gen und spätestens

    dann wird es auch im eige­nen Leben nicht ganz ohne Wir­kung bleiben.

    Etwas ausführlicher:

    Ich bin Pri­vat­do­zent und Hoch­schul­leh­rer für Phi­lo­so­phie an der Uni­ver­si­tät Karls­ru­he (KIT). Im west­fä­li­schen Mün­ster betrei­be ich eine Phi­lo­so­phi­sche Ambu­lanz, eine Bera­tung zur Selbst­be­ra­tung, denn Phi­lo­so­phie ist ein Gespräch der See­le mit sich selbst.

    Ich habe hier in Mün­ster Phi­lo­so­phie, Sozio­lo­gie und Erzie­hungs­wis­sen­schaft stu­diert und 1989 mit einer Dis­ser­ta­ti­on unter dem Titel Öko­lo­gie im Dis­kurs pro­mo­viert. Dar­in habe ich die sei­ner­zeit auf­kom­men­de Tech­nik- und Zivi­li­sa­ti­ons­kri­tik doku­men­tiert und ihre Hin­ter­grün­de syste­ma­tisch rekon­stru­iert. Dem­nach gibt es drei mög­li­che Begrün­dun­gen für Umweltschutz:

    • prag­ma­tisch-anthro­po­zen­trisch, weil es auf Dau­er unsin­nig ist, sich selbst die Lebens- und Exi­stenz­grund­la­gen zu entziehen
    • ethisch-mora­lisch, weil es gebo­ten erscheint, sich ver­pflich­tet zu füh­len, nach­fol­gen­den Gene­ra­tio­nen, ande­ren Lebe­we­sen oder auch Göt­tern gegenüber
    • ästhe­tisch, weil etwa ein Baum weit mehr ist als eine Sau­er­stoff­spen­der, son­dern eben auch ein Erleb­nis, was übri­gens alles ande­re als banal ist

    Mit der Dis­ser­ta­ti­on zeig­te sich bereits der Schwer­punkt mei­ner Arbeit, mich inter­es­sie­ren Dis­kur­se im Gro­ßen und Gan­zen aber auch Dia­lo­ge im ganz Klei­nen und Per­sön­li­chen. Ich bin Dia­log­ar­bei­ter und Dis­kurs­ana­ly­ti­ker: Einer­seits inter­es­siert mich die Fra­ge, wie das Neue ins Den­ken kommt, ande­rer­seits, wie Dia­lo­ge und Dis­kur­se damit umge­hen. – Daher arbei­te ich gern inter-dis­zi­pli­när, an den Gren­zen zwi­schen Psy­cho­lo­gie, Anthro­po­lo­gie, Kul­tur­wis­sen­schaft und eben Philosophie.

    Nach einer 10-jäh­ri­gen Tätig­keit als Wis­sen­schaft­ler im Bereich Dis­kurs an der Aka­de­mie für Tech­nik­fol­gen­ab­schät­zung, hat­te ich gestie­ge­nes Inter­es­se dar­an, ein­mal einen Dis­kurs im Pro­zeß, also in “Wild­form” zu beob­ach­ten, zu beschrei­ben und wäh­rend­des­sen zeit­gleich zu analysieren.

    Im Som­mer 1999 bot sich die­se Gele­gen­heit. Anläß­lich des Skan­dals um die Elmau­er Rede, die der Phi­lo­soph Peter Slo­ter­di­jk gehal­ten hat­te, kam es zu einem Medi­en-Hype son­der­glei­chen, mit mehr als 1000 Zei­tungs­ar­ti­keln, Kom­men­ta­ren und Berich­ten. Als ich sei­ner­zeit im Radio davor erfuhr, wuß­te ich, daß es “mein” The­ma sein würde.

    In einem 700-sei­ti­gen Buch, das auch der Habi­li­ta­ti­on dien­te, habe ich die­sen soeben auf­kom­men­den Skan­dal um die angeb­lich faschi­sto­ide Rede des Phi­lo­so­phen Peter Slo­ter­di­jk in Echt­zeit rekon­stru­iert. Es war ein Phi­lo­so­phi­sches Expe­ri­ment mit der Fra­ge, ob es gelin­gen kann, einen Dis­kurs nicht nur zu beob­ach­ten, son­dern zugleich auch auf den Aus­gang der Slo­ter­di­jk-Debat­te zu spe­ku­lie­ren, noch wäh­rend die­ser Aus­gang noch unge­wiß war.

    Die War­nung dage­gen ist bekannt: “Hät­test Du geschwie­gen, dann wärst Du Phi­lo­soph geblie­ben.” – Ich bin aber davon über­zeugt, daß es mög­lich sein muß, Phi­lo­so­phie auch in Echt­zeit betrei­ben zu kön­nen. Nur dann erst hät­te auch unser Ver­nunft­ver­mö­gen wirk­lich eine Chan­ce. Bei die­sem phi­lo­so­phi­schen Expe­ri­ment ging es mir daher um den Beweis, daß es unter gewis­sen metho­di­schen Bedin­gun­gen sehr wohl mög­lich sein kann, Phi­lo­so­phie in Echt­zeit betreiben.

    Die Metho­de geht auf man­che Über­le­gung und Beob­ach­tung mei­ner rund 10-jäh­ri­gen Tätig­keit als Wis­sen­schaft­ler im Bereich Dis­kurs an der Stutt­gar­ter Aka­de­mie für Tech­nik­fol­gen­ab­schät­zung zurück. Dort wur­de 1993 im Zuge der Aus­ein­an­der­set­zun­gen um Atom­kraft (wie Geg­ner sagen), resp.  Kern­ener­gie (wie Befür­wor­ter sagen) und Kli­ma­schutz von der Lan­des­re­gie­rung in Baden-Würt­tem­berg ein “Thinktank” zur Erfor­schung und zur Bewer­tung von Tech­nik­fol­gen gegrün­det, um mehr Wis­sen­schaft und mehr Dis­kurs in die mit­un­ter sehr dra­ma­tisch geführ­ten Aus­ein­an­der­set­zun­gen um neue Tech­no­lo­gien zu brin­gen. Die Poli­tik war sei­ner­zeit in die­sen Fra­gen mit ihrem Latein am Ende, – das ist eben der Augen­blick, in dem neue Insti­tu­tio­nen wie eine sol­che TA-Aka­de­mie gegrün­det werden.

    Zu mei­ner Metho­de: Schaut man sich unse­re Urtei­le, Bewer­tun­gen und Ein­schät­zun­gen genau­er an, so set­zen sie sich zusam­men aus einer Viel­zahl von Aus­sa­gen, die aus unter­schied­lich­sten Sek­to­ren stam­men, die wir aber häu­fig nur zum Teil selbst über­prüft haben. Die Fra­ge ist dann immer, wie sicher, wie ent­schei­dend, wie bela­stungs­fä­hig unse­re Vor­an­nah­men wirk­lich sind. Noch ent­schei­den­der ist es, zu spü­ren, wo die Grund­la­gen und Vor­aus­set­zun­gen nicht wirk­lich sicher sind.

    Die Kunst besteht nun genau dar­in, ein jedes Gesamt­ur­teil wie­der auf­zu­lö­sen in sei­ne Tei­le, aus denen es zusam­men gesetzt ist, um das eige­ne Urteils­ver­mö­gen noch­mals selbst beur­tei­len zu können.

    Wer sich des­sen bewußt ist, soll­te daher wis­sen, was wir eigent­lich wis­sen müß­ten aber viel­leicht gar nicht wis­sen kön­nen, so daß wir uns die Begrenzt­heit unse­res eige­nen Urteils­ver­mö­gens genau­er vor Augen füh­ren können.

    Phi­lo­so­phie ist inso­fern eine Fra­ge der Aus­sa­ge­ge­neh­mi­gung, die man sich selbst berech­tig­ter­wei­se glaubt ertei­len zu dür­fen. Die Fra­ge ist dabei immer, wie viel vom Gan­zen haben wir eigent­lich wirk­lich sicher im Blick?

    Phi­lo­so­phie­ren bedeu­tet, ein fei­nes Gespür dafür zu ent­wickeln, wie weit ein­zel­ne Aus­sa­gen jeweils tra­gen, wann ein Wort sei­ne Bedeu­tung zu ver­lie­ren beginnt, wann irgend etwas an einer Aus­sa­gen nicht mehr zutref­fend sein kann. Ich arbei­te daher sehr inten­siv über Sym­bo­le, Mythen und Mär­chen und ins­be­son­de­re auch über Göt­ter­fi­gu­ren, weil sich dar­in, weil sich dahin­ter man­ches ver­birgt, was unse­rem Den­ken in abstrak­ten Begrif­fen wie­der mehr Inhalt, mehr Leben und Geist ver­mit­teln kann.

    Phi­lo­so­phie ist daher weit mehr als nur trocke­ne Theo­rie und eis­kal­te Metho­de, son­dern sie hat auch eine Pra­xis, die sich ganz anders dar­stellt, die nicht nur sehr unter­halt­sam son­dern auch erhei­ternd sein kann. – Das Lachen ist schließ­lich ein immer wie­der­keh­ren­der Topos in der Philosophie.

    Phi­lo­so­phie ist nicht nur rei­ne Theo­rie, sie hat auch eine Pra­xis. Es gilt, mit der Spra­che zum bis­her nicht Gesag­ten vor­zu­drin­gen. Daher geht es auch um Inspi­ra­ti­on, also dar­um, neue Ein­drücke eben­so wie Gefüh­le zur Spra­che zu bringen.

    Phi­lo­so­phie hat kei­nes­wegs nur mit Reden und Den­ken zu tun, es geht auch um Inspi­ra­ti­on, um neu­en Ein­drücken eben­so wie Gefüh­len mehr Raum zuzu­ge­ste­hen. Phi­lo­so­phie ist nicht nur Theo­rie son­dern auch Pra­xis, geleb­te Pra­xis. Sie setzt daher eine gei­sti­ge Mobi­li­tät vor­aus, die dar­auf aus ist, stän­dig den Stand­ort zu wech­seln, um dabei nicht sel­ten auch die eige­ne Posi­ti­on, also sich selbst zu riskieren.

  • Anthropologie,  Diskurs,  Ethik,  Identität und Individualismus,  Lehramt,  Lehre,  Philosophie,  Professionalität,  Psyche,  Schule,  Seele

    Supervision als Weiterbildung

    Der Brunnen

    Der Brun­nen ist das Sym­bol für die Tie­fe, aus der wir schöp­fen. Im Mär­chen führt das direkt in ande­re Wel­ten. Aber es kommt auch auf die Moti­ve an, denn immer ist auch ein Wag­nis damit ver­bun­den, sich auf Tie­fe einzulassen.

    Wenn ande­re in den Brun­nen sprin­gen, müs­sen wir nicht das­sel­be tun. Oft genügt bereits, sich vor Augen zu füh­ren, wie es sich anfühlt und was dar­aus fol­gen kann. Auf das Vor­stel­lungs­ver­mö­gen kommt es an.

    Erfahrung

    Jean-Léon Gérô­me: Die Wahr­heit kommt aus ihrem Brun­nen (1896).

    Das sprich­wört­lich in den Brun­nen gefal­le­ne Kind bezeich­net die eher schlech­te Erfah­rung. Was nicht gesche­hen soll­te, ist dann pas­siert. – Aber wir ler­nen gera­de anhand von schlech­ten Erfah­run­gen ganz beson­ders gut.

    Es kommt also dar­auf an, aus „schlech­ten Erfah­run­gen“ etwas Gutes zu machen. Und dabei ent­fal­tet unse­re Spra­che ihre magi­schen Qualitäten. 

    Wir kön­nen in der Vor­stel­lung gan­ze Wel­ten auf- und unter­ge­hen las­sen, um die eine Welt, auf die es ankommt, zu erhal­ten und weiterzuentwickeln. 

    Wir müs­sen nicht jede Erfah­rung selbst machen. Es genügt, sich gemein­sam vor Augen zu füh­ren, wie „es“ ist. Nicht nur die Pra­xis allein ist daher ent­schei­dend, son­dern vor allem die Fähig­keit, in Alter­na­ti­ven zu den­ken. 

    Durch Super­vi­si­on kön­nen wir uns vor Augen füh­ren, wann, war­um und wes­halb etwas nach allen Regeln der Kunst schief gehen muß. — Allein durch unser Vor­stel­lungs­ver­mö­gen kön­nen wir der­weil ganz neue Erfah­run­gen machen, die auch hilf­reich sind, in der Pra­xis das eige­ne Selbst­be­wußt­sein zu entwickeln.

    Supervision

    Nichts ist hilf­rei­cher als ein inten­si­ver Erfah­rungs­aus­tausch unter Fach­leu­ten, die aus eige­ner Anschau­ung wis­sen, wor­auf es ankommt. Wir sind eben kei­ne Maschi­nen, son­dern jede® von uns ist etwas Beson­de­res mit eige­nen Stär­ken und Schwä­chen, aber auch mit unent­deck­ten Potentialen. 

    Ich bin Pro­fes­sor für Phi­lo­so­phie an der Uni­ver­si­tät Karls­ru­he und gebe seit Jah­ren beson­de­re Semi­na­re für ange­hen­de Lehr­kräf­te. Es geht dabei um eine vor­ge­zo­ge­ne Super­vi­si­on. Aus vie­len Rück­mel­dun­gen von Stu­die­ren­den weiß ich, daß sie mei­ne Semi­na­re schät­zen, weil ihnen genau die­se Erfah­run­gen fehlen. 

    In jeder Sit­zung gehen wir gemein­sam in Kri­sen­si­tua­tio­nen, die im All­tag frü­her oder spä­ter auf­kom­men. Es kommt dar­auf an, die Rah­men­be­din­gun­gen zu ken­nen, also was darf, soll, muß ich tun oder auch unter­las­sen? Wo lie­gen die Gren­zen der eige­nen Kom­pe­tenz und der Zustän­dig­keit? Wel­cher “Hut” soll­te jeweils wann auf­ge­setzt wer­den? — Dabei sind die Erwar­tun­gen oft höchst wider­sprüch­lich, die von Leh­rern und Leh­re­rin­nen gera­de­zu vor­bild­lich erfüllt wer­den sollen.

    Wir gehen also bewußt und beherzt auf Dilem­ma-Situa­tio­nen zu. Leh­rer und Leh­re­rin­nen soll­ten vor pro­fes­sio­nel­lem Hin­ter­grund ein­schät­zen und begrün­den kön­nen, was man im Fal­le des Fal­les war­um und wes­halb für ange­mes­sen hält. Das dazu erfor­der­li­che Urteils­ver­mö­gen wird in die­sen Semi­na­ren geför­dert, weil die Dia­lo­ge und Dis­kur­se selbst zur Wirk­lich­keit wer­den, in denen Mög­lich­kei­ten ohne Scheu durch­ge­spielt wer­den können. 

    Weiterbildung  

    Die Agenda:

    • Wahl­wei­se 14, 8 oder 3 Termine
    • Max. 16 Teil­neh­mer u. Teilnehmerinnen
    • Empa­thi­sche Dialoge
    • Pro­blem­zen­trier­te Diskurse
    • Bear­bei­ten Sie Ihre Stär­ken und Schwä­chen in der Gruppe
    • Mit­ein­an­der und von­ein­an­der lernen.
    • Auch unkon­ven­tio­nel­le Lösun­gen durchspielen
    • Die Welt mit den Augen ande­rer betrach­ten und erörtern
    • Nach der Prä­sen­ta­ti­on erhal­ten Sie ein per­sön­li­ches Feed­back im Dia­log unter vier Augen 

    Pro Semester werden drei Veranstaltungen angeboten: 

    1. Ent­we­der wöchent­lich, online via Zoom: Super­vi­si­on (a);
    2. Oder zunächst 5 x online, sowie ein Wochen­en­de, Fr, Sa. und So: Super­vi­si­on (b).
    3. Oder als Prä­sens­ver­an­stal­tung an 3 Sams­ta­gen im Juni 2024: Super­vi­si­on ©.

    Anmeldung und Teilnahme

    Anfra­gen per Mail

    Anmel­dung: heinz-ulrich.nennen@t‑online.de

    Sprech­stun­de via Zoom: Nach Ver­ein­ba­rung per Mail.

  • Anthropologie,  Diskurs,  Identität und Individualismus,  Lehramt,  Philosophie,  Professionalität,  Psyche,  Schule,  Seele

    EPG II

    Ober­se­mi­nar

    EPG II 

    Ethisch–Philosophisches Grundlagenstudium II

    SS 2024 | mitt­wochs | 14:00–15:30 Uhr | online 

    Beginn: 17. April 2024 | Ende: 24. Juli 2024

    Zwischen den Stühlen

    Eine Rol­le zu über­neh­men bedeu­tet, sie nicht nur zu spie­len, son­dern zu sein. Wer den Leh­rer­be­ruf ergreift, steht gewis­ser­ma­ßen zwi­schen vie­len Stüh­len, einer­seits wer­den höch­ste Erwar­tun­gen gehegt, ande­rer­seits gefällt sich die Gesell­schaft in abfäl­li­gen Reden. 

    Das mag damit zusam­men­hän­gen, daß jede® von uns eine mehr oder min­der glück­li­che, gelun­ge­ne, viel­leicht aber eben auch trau­ma­ti­sie­ren­de Schul­erfah­rung hin­ter sich gebracht hat.

    Universe333: Yoga­Bey­ond Hon­za & Clau­di­ne Bon­di; Beach, Austra­lia 2013. — Quel­le: Public Domain via Wiki­me­dia Commons.

    Es sind vie­le poten­ti­el­le Kon­flikt­fel­der, die auf­kom­men kön­nen im beruf­li­chen All­tag von Leh­rern. Daß es dabei Ermes­senspiel­räu­me, Hand­lungs­al­ter­na­ti­ven und vor allem auch Raum gibt, sich selbst und die eige­nen Idea­le mit ins Spiel zu brin­gen, soll in die­sem Semi­nar nicht nur the­ma­ti­siert, son­dern erfahr­bar gemacht werden.

    Das Selbst­ver­ständ­nis und die Pro­fes­sio­na­li­tät sind gera­de bei Leh­rern ganz ent­schei­dend dafür, ob die vie­len unter­schied­li­chen und mit­un­ter para­do­xen Anfor­de­run­gen erfolg­reich gemei­stert wer­den: Es gilt, bei Schü­lern Inter­es­se zu wecken, aber deren Lei­stun­gen auch zu bewer­ten. Dabei spie­len immer wie­der psy­cho­lo­gi­sche, sozia­le und päd­ago­gi­sche Aspek­te mit hin­ein, etwa wenn man nur an Sexua­li­tät und Puber­tät denkt. — Mit­un­ter ist es bes­ser, wenn mög­lich, lie­ber Projekt–Unterricht anzu­re­gen, wenn kaum mehr was geht.

    Es gibt klas­si­sche Kon­flikt­li­ni­en, etwa Eltern–Lehrer–Gespräche, in denen nicht sel­ten die eige­nen, oft nicht eben guten Schul–Erfahrungen der Eltern mit hin­ein­spie­len. Aber auch inter­kul­tu­rel­le Kon­flik­te kön­nen auf­kom­men. Das alles macht neben­her auch Kom­pe­ten­zen in der Media­ti­on erfor­der­lich. — Einer­seits wird indi­vi­du­el­le För­de­rung, Enga­ge­ment, ja sogar Empa­thie erwar­tet, ande­rer­seits muß und soll gerecht bewer­tet wer­den. Das alles spielt sich ab vor dem Hin­ter­grund, daß dabei Lebens­chan­cen zuge­teilt werden.

    Gera­de in letz­ter Zeit sind gestie­ge­ne Anfor­de­run­gen bei Inklu­si­on und Inte­gra­ti­on hin­zu­ge­kom­men. Auch Straf– und Dis­zi­pli­nar­maß­nah­men zäh­len zu den nicht eben ein­fa­chen Auf­ga­ben, die aller­dings wahr­ge­nom­men wer­den müs­sen. — Ein wei­te­rer, immer wie­der aku­ter und for­dern­der Bereich ist das Mob­bing, das sich gut ›durch­spie­len‹ läßt anhand von Inszenierungen.

    Es gibt nicht das ein­zig rich­ti­ge pro­fes­sio­nel­le Ver­hal­ten, son­dern vie­le ver­schie­de­ne Beweg­grün­de, die sich erör­tern las­sen, was denn nun in einem kon­kre­ten Fall mög­lich, ange­mes­sen oder aber kon­tra­pro­duk­tiv sein könn­te. Päd­ago­gik kann viel aber nicht alles. Bei man­chen Pro­ble­men sind ande­re Dis­zi­pli­nen sehr viel erfah­re­ner und auch zustän­dig. — Unan­ge­brach­tes Enga­ge­ment kann selbst zum Pro­blem werden. 

    Wich­tig ist ein pro­fes­sio­nel­les Selbst­ver­ständ­nis, wich­tig ist es, die eige­nen Gren­zen zu ken­nen, und mit­un­ter auch ein­fach mehr Lang­mut an den Tag zu legen. Zudem wer­den die Klas­sen immer hete­ro­ge­ner, so daß der klas­si­sche Unter­richt immer sel­te­ner wird. — Inklu­si­on, Inte­gra­ti­on oder eben Mul­ti­kul­tu­ra­li­tät gehö­ren inzwi­schen zum All­tag, machen aber Schu­le, Unter­richt und Leh­rer­sein nicht eben einfacher.

    Gesell­schaft, Poli­tik, Wirt­schaft und Öffent­lich­keit set­zen zwar hohe Erwar­tun­gen in Schu­le und Leh­rer, gefal­len sich aber zugleich dar­in, den gan­zen Berufs­tand immer wie­der in ein unvor­teil­haf­tes Licht zu rücken. — Unver­ges­sen bleibt die Bemer­kung des ehe­ma­li­gen Kanz­lers Gehard Schrö­der, der ganz gene­rell die Leh­rer als fau­le Säcke bezeich­net hat.

    „Ihr wißt doch ganz genau, was das für fau­le Säcke sind.“

    Die­ses Bas­hing hat aller­dings Hin­ter­grün­de, die eben dar­in lie­gen dürf­ten, daß viel zu vie­le Schüler*innen ganz offen­bar kei­ne guten Schul­erfah­run­gen gemacht haben, wenn sie spä­ter als Eltern ihrer Kin­der wie­der die Schu­le aufsuchen.

    Ausbildung oder Bildung?

    Seit 2001 ist das Ethisch–Philosophische Grund­la­gen­stu­di­um (EPG) obli­ga­to­ri­scher Bestand­teil des Lehr­amts­stu­di­ums in Baden–Württemberg. Es besteht aus zwei Modu­len, EPG I und EPG II. — Ziel des EPG ist es, zukünf­ti­ge Leh­re­rIn­nen für wis­sen­schafts– und berufs­ethi­sche Fra­gen zu sen­si­bi­li­sie­ren und sie dazu zu befä­hi­gen, sol­che Fra­gen selb­stän­dig behan­deln zu kön­nen. The­ma­ti­siert wer­den die­se Fra­gen im Modul EPG II.

    Um in allen die­sen Kon­flikt­fel­dern nicht nur zu bestehen, son­dern tat­säch­lich ange­mes­sen, pro­blem­be­wußt und mehr oder min­der geschickt zu agie­ren, braucht es zunächst ein­mal die Gewiß­heit, daß immer auch Ermes­sens– und Gestal­tungs­spiel­räu­me zur Ver­fü­gung ste­hen. Im Hin­ter­grund ste­hen Idea­le wie Bil­dung, Ent­fal­tung der Per­sön­lich­keit, die Erfah­rung erfül­len­der Arbeit und Erzie­hungs­zie­le, die einer huma­ni­sti­schen Päd­ago­gik ent­spre­chen, bei der es eigent­lich dar­auf ankä­me, die Schü­ler bes­ser gegen eine Gesell­schaft in Schutz zu neh­men, die immer for­dern­der auf­tritt. In die­sem Sin­ne steht auch nicht ein­fach nur Aus­bil­dung, son­dern eben Bil­dung auf dem Programm.

    Auf ein– und das­sel­be Pro­blem läßt sich unter­schied­lich reagie­ren, je nach per­sön­li­cher Ein­schät­zung las­sen sich ver­schie­de­ne Lösungs­an­sät­ze ver­tre­ten. Es ist daher hilf­reich, mög­lichst vie­le ver­schie­de­ne Stel­lung­nah­men, Maß­nah­men und Ver­hal­tens­wei­sen syste­ma­tisch durch­zu­spie­len und zu erör­tern. Dann läßt sich bes­ser ein­schät­zen, wel­che davon den päd­ago­gi­schen Idea­len noch am ehe­sten gerecht werden.

    So ent­steht all­mäh­lich das Bewußt­sein, nicht ein­fach nur agie­ren und reagie­ren zu müs­sen, son­dern bewußt gestal­ten zu kön­nen. Nichts ist hilf­rei­cher als die nöti­ge Zuver­sicht, in die­sen doch sehr anspruchs­vol­len Beruf nicht nur mit Selbst­ver­trau­en ein­zu­tre­ten, son­dern auch zuver­sicht­lich blei­ben zu kön­nen. Dabei ist es ganz beson­ders wich­tig, die Gren­zen der eige­nen Rol­le nicht nur zu sehen, son­dern auch zu wahren.

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  • Philosophie

    Vom Erkennen zum Handeln

    Theorie und Praxis

    Der Über­gang vom Erken­nen zum Han­deln geht immer mit einem Ver­lust an kri­ti­scher Offen­heit ein­her. Beim Han­deln ist es näm­lich nicht för­der­lich, jetzt noch fun­da­men­ta­le Zwei­fel gel­tend zu machen. — Wer zu han­deln beginnt, wech­selt von der Theo­rie zur Pra­xis und ist dann nicht mehr unbeteiligt. 

    Es geht jetzt weni­ger ums Ver­ste­hen, son­dern um ein Han­deln mit Absich­ten und Zie­len. Daher ist gene­rel­le Kri­tik nicht mehr ange­bracht, denn das wür­de in Wider­sprü­che füh­ren. — Zau­dern ist daher ein Zei­chen, daß wir uns unse­rer Sache noch nicht sicher sind. 

    Wil­liam-Adol­phe Bouguereau:
    Inspi­ra­ti­on (1898).

    Ent­schei­dend ist ein Wech­sel der Per­spek­ti­ven. Der vor­mals noch unbe­tei­lig­te Zuschau­er muß sei­ne vor­ma­li­ge Posi­ti­on auf­ge­ben, um ins Gesche­hen ein­grei­fen zu kön­nen. Aber dann ist es kaum mehr mög­lich, zugleich das gan­ze Gesche­hen wei­ter kri­tisch zu betrach­ten. — Aber es geht auch nicht mehr um Erken­nen und Ver­ste­hen. Beim Han­deln set­zen wir ande­re Schwer­punk­te, denn wir sind dann auf Gelin­gen aus. 

    Wir sind dann in einem Pro­zeß, den wir selbst ange­sto­ßen haben. Dann kommt es weni­ger dar­auf an, was wir gedacht, erahnt oder befürch­tet haben, son­dern was ist und wer­den soll. — Im Unter­schied zum Erken­nen, setzt das Han­deln ganz eige­ne Prä­fe­ren­zen. Dar­auf soll­te sich gera­de auch die Selbst­kri­tik ein­stel­len, denn jetzt kann Kri­tik stär­ken oder auch schwächen. 

    Die Initia­ti­ve, der erste Schritt ist stets ein beson­de­res Ereig­nis. Infol­ge­des­sen kommt es zur Palast­re­vo­lu­ti­on im eige­nen Selbst. Die Auf­merk­sam­keit muß eine ande­re wer­den, weil jetzt die eige­ne Pra­xis auf dem Spiel steht. — Fort­an spielt sich unse­re Wirk­lich­keit nicht mehr allein in der Vor­stel­lung ab, son­dern in der Welt. Han­deln ist eine Welt für sich, daher zäh­len vor allem prak­ti­sche Perspektiven.

    Dann erle­ben wir uns von unge­wohn­ter Sei­te. Sich selbst dabei bei­zu­ste­hen, ist wesent­lich. — Das Selbst hat die Auf­ga­be, die unter­schied­li­chen Per­spek­ti­ven unse­res Bewußt­seins immer wie­der neu zu orga­ni­sie­ren. Sobald wir zum Han­deln über­ge­hen, müs­sen wir uns ver­ge­wis­sern kön­nen, wor­auf es eigent­lich ankom­men soll.

    Auf­merk­sam­keit muß ange­mes­sen sein. Der­weil ist die Pra­xis erfüllt von einem beson­de­ren Augen­merk für ent­schei­den­de Momen­te. Dazu gehö­ren Erfah­rung, Urteils­fä­hig­keit und vor allem Inspiration.

  • Philosophie

    Philosophischer Salon: Die sieben Todsünden. Zur Aktualität eines alten Konzepts.

    Philosophie und Kunst

    Die­ser Phi­lo­so­phi­sche Salon unter dem Titel „Schat­ten­blick und Licht­mo­men­te“, fand am 26. August 2023, in der Vil­la Kamp­schul­te in Essen statt.

    Prof. Dr. Heinz-Ulrich Nen­nen erläu­ter­te dar­in die über­ra­schen­de Aktua­li­tät des alten Kon­zepts der Tod­sün­den, das weit mehr ist als eine rei­ne Glau­bens­sa­che. Dahin­ter ste­hen viel­mehr ganz ent­schei­den­de kol­lek­ti­ve Erfah­run­gen aus der gesam­ten Menschheitsgeschichte. 

    Video via Youtube

    Phi­lo­so­phi­scher Salon: Die sie­ben Tod­sün­den. Zur Aktua­li­tät eines alten Kon­zepts. – Video via Youtube

    Ein Konzept kollektiver Erfahrungen 

    Unse­re Vor­fah­ren haben vie­le die­ser Feh­ler began­gen und die Mythen berich­ten uns dar­über, wie es sich zuge­tra­gen hat. Man muß nur zu lesen und zu deu­ten ver­ste­hen, was sie uns mit­zu­tei­len haben. – Die Kir­che hat das Gan­ze nur auf­ge­grif­fen und für ihre Zwecke umgewidmet. 

    Greift man die­ses Kon­zept nun phi­lo­so­phisch auf, so läßt es sich aktua­li­sie­ren und auf die Ori­en­tie­rungs­lo­sig­keit in der Gegen­wart über­tra­gen. – Das Fazit dürf­te aller­dings über­ra­schen: Der Kern aller Tod­sün­den ist immer der­sel­be: Ein­zel­ne stel­len sich mit ihren Über­zeu­gun­gen und Inter­es­sen über alles und genau das wird der Kri­tik unterzogen. 

    Es geht immer­zu um “Hybris”, um die Anma­ßung gött­li­cher Wür­den und Kom­pe­ten­zen, wie ins­be­son­de­re All­wis­sen­heit und All­macht. – Die­ses Fazit wird in wei­te­ren Ver­an­stal­tun­gen und in einem dem­nächst erschei­nen­den Buch näher erläutert. 

    Es soll vor allem auch im Rah­men wei­te­rer Phi­lo­so­phi­scher Salons, ins­be­son­de­re in Kir­chen debat­tiert werden.

    Prof. Dr. Heinz-Ulrich Nen­nen ist Hoch­schul­leh­rer in Karls­ru­he und betreibt eine Phi­lo­so­phi­sche Pra­xis in Münster. 

    Video via Youtube

    Phi­lo­so­phi­scher Salon: Die sie­ben Tod­sün­den. Zur Aktua­li­tät eines Kon­zepts. – Video via Youtube

    Die Hände erschaffen das Gesicht

    Der Satz fällt in einer Lebens­beich­te, die alles ande­re als gut ausgeht:

    Von einem bestimm­ten Alter an ist jeder Mensch für sein Gesicht ver­ant­wort­lich. (Albert Camus: Der Fall. Ham­burg 1968. S. 18.)

    Wie einer der mythi­schen Gerichts­göt­ter, so ver­steht sich auch der fran­zö­si­sche Phi­lo­soph Albert Camus auf Fra­gen, wie sie in Alp­träu­men schon immer befürch­tet wur­den: Schluß­end­lich kommt doch alles an Licht.

    Ent­schei­dend ist der Cha­rak­ter unse­rer Hand­lun­gen, wie sie aus der Per­spek­ti­ve des eige­nen Gewis­sens beob­ach­tet wor­den sind. Und das, was man bis­lang glaub­te, sich selbst und ande­ren vor­ma­chen zu dür­fen, zählt plötz­lich nicht mehr.

    Wer hät­te gedacht, daß unse­re Hän­de weit mehr sind, als nur aus­füh­ren­de Orga­ne. Sie han­deln nicht nur, son­dern ver­han­deln mit­ein­an­der. Eine ver­sucht die ande­re zu bestär­ken oder auch von etwas abzu­hal­ten. Mit­un­ter ist der einen auch pein­lich, was die ande­re zu tun sich ein­fach nicht ver­knei­fen kann.

    Eine ›Sün­de‹ ist eine Hand­lung, von der wir bereits wis­sen, daß eigent­lich ›nicht geht‹ was wir zu tun beab­sich­ti­gen. Eine ›Tod­sün­de‹ geht noch dar­über hin­aus. Sie ist der Aus­druck einer Hal­tung, die sich selbst Aus­nah­men erteilt und sich damit über alles erhebt. — Gera­de­zu alar­mie­rend wirkt der Befund, daß sich da jemand aus­klinkt, aus dem gro­ßen Ganzen.

    Alle unse­re Hand­lun­gen ent­ste­hen im Zuge von Abwä­gun­gen, die uns von einer Dia­lek­tik ermög­licht wer­den, so daß wir immer wie­der neu abwä­gen, beur­tei­len und ent­schei­den kön­nen, für die eine oder auch für die ande­re Hand.

    Die sie­ben Tod­sün­den: Mehr als eine Fra­ge des Glaubens

    Nach heu­ti­gem Ver­ständ­nis geht es um Reli­gi­on. Aber dar­über hin­aus geht es um Psy­cho­lo­gie und vor allem um den Bestand von Gemein­schaf­ten und gan­zen Gesellschaften.

    1. Hoch­mut, Stolz und Eitel­keit (super­bia)
    2. Hab­gier, Geiz und Hab­sucht (ava­ritia)
    3. Wol­lust, Begeh­ren und Unkeusch­heit (luxu­ria)
    4. Zorn, Rach­sucht und Wut (ira)
    5. Völ­le­rei, Unmä­ßig­keit, Gefrä­ßig­keit (gula)
    6. Neid, Eifer­sucht und Miß­gunst (invi­dia)
    7. Träg­heit, Faul­heit, Über­druß (ace­dia)

    Das Phi­lo­so­phie­ren dar­über, ob das Kon­zept der Tod­sün­den auch heu­te noch von Bedeu­tung sein könn­te, läßt sich eröff­nen mit­hil­fe einer Unter­schei­dung, die schon dem reli­giö­sen Kon­zept zugrun­de liegt. — Dem­zu­fol­ge gibt es ›Sün­den‹, die ›nur‹ das indi­vi­du­el­le See­len­heil gefähr­den und sol­che, die dar­über hin­aus für gan­ze Gemein­schaf­ten exi­stenz­be­dro­hend werden.

    Auf die Fra­ge, was denn das Töd­li­che an den Tod­sün­den sein soll, läßt sich anfüh­ren, daß sie weit mehr Unheil anrich­ten. — Aber das alles bedarf zwei­fels­oh­ne der wei­te­ren Erörterung.
    Phi­lo­so­phisch ist es gebo­ten, reli­giö­se Dog­men unmit­tel­bar in Psy­cho­lo­gie zu über­füh­ren, so daß sie auch ohne Gehor­sam im Glau­ben zwang­los nach­voll­zieh­bar wer­den. — Nur dann läßt sich das System der Tod­sün­den bei­be­hal­ten, andern­falls wäre es nur noch Glaubensgeschichte.

    Kosmische Harmonie

    Hin­ter dem Kon­zept der Tod­sün­den ste­hen die Leit­bil­der einer alles über­grei­fen­den kos­mi­schen Ord­nung, die von den Göt­tern garan­tiert wird. Das Gleich­ge­wicht wird jedoch immer wie­der gestört, vor allem durch die Fre­vel­ta­ten von Ein­zel­nen. — In den Mythen wird dar­über dezi­diert berichtet.

    Dem­zu­fol­ge lie­gen die Ursa­chen für mas­si­ve Stö­run­gen in der kos­mi­schen Har­mo­nie in Unge­heu­er­lich­kei­ten, die wil­lent­lich und wider bes­se­res Wis­sen ver­übt wor­den sind. — Was reli­gi­ös erscheint, hat jedoch mani­fe­ste welt­li­che Grün­de. Es geht um die Muster einer Muster­gül­tig­keit, deren Ver­bind­lich­keit angeb­lich vom Him­mel über­wacht wird.

    Phi­lo­so­phisch betrach­tet, han­delt es sich um Pro­jek­tio­nen zur Garan­tie der sozi­al­psy­cho­lo­gi­schen Grund­la­gen für die Iden­ti­tät gan­zer Kul­tu­ren und Lebens­wel­ten. — Deren Zukunft ist schließ­lich dar­auf ange­wie­sen, daß gewis­se Gren­zen gewahrt, gewür­digt und auch respek­tiert werden.

    Anson­sten gera­ten gan­ze Gesell­schaf­ten in kata­stro­pha­le Pro­zes­se des unauf­halt­sa­men Nie­der­gangs. Und sie kön­nen sich nicht wie­der sta­bi­li­sie­ren, solan­ge die ›Him­mels­ord­nung‹ gestört und nicht durch Süh­ne wie­der aus­ge­gli­chen wor­den ist. — Aus­lö­ser sind spek­ta­ku­lä­re und unge­sühn­te Fre­vel­ta­ten wie Tem­pel­raub, Mord, Inzest, Ver­ge­wal­ti­gung, Schän­dung und vor allem Hybris, wenn sich Men­schen gött­li­che Wür­de anmaßen.

    In den Augen der Phi­lo­so­phie, ist das durch Kapi­tal­ver­bre­chen gestör­te ›Kos­mi­sche Gleich­ge­wicht‹ eines der Kul­tur. — Etwas Unge­heu­res ist gesche­hen, was nie hät­te sein dürfen.

    Wenn aber der­art Unvor­stell­ba­res offen­bar doch mög­lich ist, dann ist das Ver­trau­en in die Lebens­welt ele­men­tar erschüt­tert. Damit steht das wei­te­re Zusam­men­le­ben, die Zukunft als sol­che und sogar der Fort­be­stand der gan­zen Kul­tur auf dem Spiel.

    Dar­über kommt es zur Kri­se, denn die ›hei­li­ge Ord­nung‹ ist offen­bar nicht ganz so sicher wie gedacht. Man wird also die aus dem Lot gera­te­ne Ver­hält­nis­se wie­der zum Aus­gleich brin­gen wol­len. Aber das Ver­trau­en in die Legi­ti­mi­tät der kul­tu­rel­len Ord­nung läßt sich nur mit gro­ßer Mühe wie­der her­stel­len. — Eine Apo­ka­ta­sta­sis pan­thon, eben die ›Wie­der­her­stel­lung des Him­mels‹, ist von außer­or­dent­li­cher Bedeutung.

    Danach ist alles wie­der so, als wäre nichts gesche­hen, denn die Kathar­sis hebt näm­lich den Fre­vel mit­samt sei­ner Fol­gen wie­der auf. Nur noch die Mythen berich­ten davon und bewah­ren die Bege­ben­heit als war­nen­des Bei­spiel für alle Zei­ten. — Es ist wie bei einer Wun­de am eige­nen Kör­per, von der man im nach­hin­ein nicht ein­mal mehr genau erin­nern kann, wo sie eigent­lich war.

    Essen, Villa Kampschulte