Heinz-Ulrich Nennen | www.nennen-online.de

ZeitGeister | Philosophische Praxis

Akademie für Philosophische Psychologie

Philosophischer Salon: Die sieben Todsünden. Zur Aktualität eines alten Konzepts.

Philosophie und Kunst

Dieser Philosophische Salon unter dem Titel „Schattenblick und Lichtmomente“, fand am 26. August 2023, in der Villa Kampschulte in Essen statt.

Prof. Dr. Heinz-Ulrich Nennen erläuterte darin die überraschende Aktualität des alten Konzepts der Todsünden, das weit mehr ist als eine reine Glaubenssache. Dahinter stehen vielmehr ganz entscheidende kollektive Erfahrungen aus der gesamten Menschheitsgeschichte.

 

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Philosophischer Salon: Die sieben Todsünden. Zur Aktualität eines alten Konzepts. – Video via Youtube

 

Ein Konzept kollektiver Erfahrungen 

Unsere Vorfahren haben viele dieser Fehler begangen und die Mythen berichten uns darüber, wie es sich zugetragen hat. Man muß nur zu lesen und zu deuten verstehen, was sie uns mitzuteilen haben. – Die Kirche hat das Ganze nur aufgegriffen und für ihre Zwecke umgewidmet. 

Greift man dieses Konzept nun philosophisch auf, so läßt es sich aktualisieren und auf die Orientierungslosigkeit in der Gegenwart übertragen. – Das Fazit dürfte allerdings überraschen: Der Kern aller Todsünden ist immer derselbe: Einzelne stellen sich mit ihren Überzeugungen und Interessen über alles und genau das wird der Kritik unterzogen. 

Es geht immerzu um “Hybris”, um die Anmaßung göttlicher Würden und Kompetenzen, wie insbesondere Allwissenheit und Allmacht. – Dieses Fazit wird in weiteren Veranstaltungen und in einem demnächst erscheinenden Buch näher erläutert.

Es soll vor allem auch im Rahmen weiterer Philosophischer Salons, insbesondere in Kirchen debattiert werden.

Prof. Dr. Heinz-Ulrich Nennen ist Hochschullehrer in Karlsruhe und betreibt eine Philosophische Praxis in Münster.  

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Die Hände erschaffen das Gesicht

Der Satz fällt in einer Lebensbeichte, die alles andere als gut ausgeht:

Von einem bestimmten Alter an ist jeder Mensch für sein Gesicht verantwortlich.          (Albert Camus: Der Fall. Hamburg 1968. S. 18.)

Wie einer der mythischen Gerichtsgötter, so versteht sich auch der französische Philosoph Albert Camus auf Fragen, wie sie in Alpträumen schon immer befürchtet wurden: Schlußendlich kommt doch alles an Licht.

Entscheidend ist der Charakter unserer Handlungen, wie sie aus der Perspektive des eigenen Gewissens beobachtet worden sind. Und das, was man bislang glaubte, sich selbst und anderen vormachen zu dürfen, zählt plötzlich nicht mehr.

Wer hätte gedacht, daß unsere Hände weit mehr sind, als nur ausführende Organe. Sie handeln nicht nur, sondern verhandeln miteinander. Eine versucht die andere zu bestärken oder auch von etwas abzuhalten. Mitunter ist der einen auch peinlich, was die andere zu tun sich einfach nicht verkneifen kann.

Eine ›Sünde‹ ist eine Handlung, von der wir bereits wissen, daß eigentlich ›nicht geht‹ was wir zu tun beabsichtigen. Eine ›Todsünde‹ geht noch darüber hinaus. Sie ist der Ausdruck einer Haltung, die sich selbst Ausnahmen erteilt und sich damit über alles erhebt. — Geradezu alarmierend wirkt der Befund, daß sich da jemand ausklinkt, aus dem großen Ganzen.

Alle unsere Handlungen entstehen im Zuge von Abwägungen, die uns von einer Dialektik ermöglicht werden, so daß wir immer wieder neu abwägen, beurteilen und entscheiden können, für die  eine oder auch für die andere Hand.

Die sieben Todsünden: Mehr als eine Frage des Glaubens

Nach heutigem Verständnis geht es um Religion. Aber darüber hinaus geht es um Psychologie und vor allem um den Bestand von Gemeinschaften und ganzen Gesellschaften.

1. Hochmut, Stolz und Eitelkeit (superbia)
2. Habgier, Geiz und Habsucht (avaritia)
3. Wollust, Begehren und Unkeuschheit (luxuria)
4. Zorn, Rachsucht und Wut (ira)
5. Völlerei, Unmäßigkeit, Gefräßigkeit (gula)
6. Neid, Eifersucht und Mißgunst (invidia)
7. Trägheit, Faulheit, Überdruß (acedia)

Das Philosophieren darüber, ob das Konzept der Todsünden auch heute noch von Bedeutung sein könnte, läßt sich eröffnen mithilfe einer Unterscheidung, die schon dem religiösen Konzept zugrunde liegt. — Demzufolge gibt es ›Sünden‹, die ›nur‹ das individuelle Seelenheil gefährden und solche, die darüber hinaus für ganze Gemeinschaften existenzbedrohend werden.

Auf die Frage, was denn das Tödliche an den Todsünden sein soll, läßt sich anführen, daß sie weit mehr Unheil anrichten. — Aber das alles bedarf zweifelsohne der weiteren Erörterung.
Philosophisch ist es geboten, religiöse Dogmen unmittelbar in Psychologie zu überführen, so daß sie auch ohne Gehorsam im Glauben zwanglos nachvollziehbar werden. — Nur dann läßt sich das System der Todsünden beibehalten, andernfalls wäre es nur noch Glaubensgeschichte.

Kosmische Harmonie

Hinter dem Konzept der Todsünden stehen die Leitbilder einer alles übergreifenden kosmischen Ordnung, die von den Göttern garantiert wird. Das Gleichgewicht wird jedoch immer wieder gestört, vor allem durch die Freveltaten von Einzelnen. — In den Mythen wird darüber dezidiert berichtet.

Demzufolge liegen die Ursachen für massive Störungen in der kosmischen Harmonie in Ungeheuerlichkeiten, die willentlich und wider besseres Wissen verübt worden sind. — Was religiös erscheint, hat jedoch manifeste weltliche Gründe. Es geht um die Muster einer Mustergültigkeit, deren Verbindlichkeit angeblich vom Himmel überwacht wird.

Philosophisch betrachtet, handelt es sich um Projektionen zur Garantie der sozialpsychologischen Grundlagen für die Identität ganzer Kulturen und Lebenswelten. — Deren Zukunft ist schließlich darauf angewiesen, daß gewisse Grenzen gewahrt, gewürdigt und auch respektiert werden.

Ansonsten geraten ganze Gesellschaften in katastrophale Prozesse des unaufhaltsamen Niedergangs. Und sie können sich nicht wieder stabilisieren, solange die ›Himmelsordnung‹ gestört und nicht durch Sühne wieder ausgeglichen worden ist. — Auslöser sind spektakuläre und ungesühnte Freveltaten wie Tempelraub, Mord, Inzest, Vergewaltigung, Schändung und vor allem Hybris, wenn sich Menschen göttliche Würde anmaßen.

In den Augen der Philosophie, ist das durch Kapitalverbrechen gestörte ›Kosmische Gleichgewicht‹ eines der Kultur. — Etwas Ungeheures ist geschehen, was nie hätte sein dürfen.

Wenn aber derart Unvorstellbares offenbar doch möglich ist, dann ist das Vertrauen in die Lebenswelt elementar erschüttert. Damit steht das weitere Zusammenleben, die Zukunft als solche und sogar der Fortbestand der ganzen Kultur auf dem Spiel.

Darüber kommt es zur Krise, denn die ›heilige Ordnung‹ ist offenbar nicht ganz so sicher wie gedacht. Man wird also die aus dem Lot geratene Verhältnisse wieder zum Ausgleich bringen wollen. Aber das Vertrauen in die Legitimität der kulturellen Ordnung läßt sich nur mit großer Mühe wieder herstellen. — Eine Apokatastasis panthon, eben die ›Wiederherstellung des Himmels‹, ist von außerordentlicher Bedeutung.

Danach ist alles wieder so, als wäre nichts geschehen, denn die Katharsis hebt nämlich den Frevel mitsamt seiner Folgen wieder auf. Nur noch die Mythen berichten davon und bewahren die Begebenheit als warnendes Beispiel für alle Zeiten. — Es ist wie bei einer Wunde am eigenen Körper, von der man im nachhinein nicht einmal mehr genau erinnern kann, wo sie eigentlich war.

Essen, Villa Kampschulte

 

 

 

 

 

 

 


EPG II b

EPG II b (Online und Block)

Ethisch–Philosophisches Grundlagenstudium II

WS 2023 | Beginn: 19. Januar 2024 | Ende: 3. März 2023 | Online und Block
Ab 19. Januar 2024: 5 Seminare online | freitags: 14:00–15:30 Uhr, sowie
3 Workshops im Block: Fr, 1.03.2024 | Sa, 2.03.2024 | So, 3.03.2024
jeweils 14–19 Uhr | Raum: 30.91-012.
 

Universe333: YogaBeyond Honza & Claudine Bondi; Beach, Australia 2013. — Quelle: Public Domain via Wikimedia Commons.

Zwischen den Stühlen

Eine Rolle zu übernehmen bedeutet, sie nicht nur zu spielen, sondern zu sein. Wer den Lehrerberuf ergreift, steht gewissermaßen zwischen vielen Stühlen, einerseits werden höchste Erwartungen gehegt, andererseits gefällt sich die Gesellschaft in abfälligen Reden. — Das mag damit zusammenhängen, daß jede(r) von uns eine mehr oder minder glückliche, gelungene, vielleicht aber eben auch traumatisierende Schulerfahrung hinter sich gebracht hat.

Es sind viele potentielle Konfliktfelder, die aufkommen können im beruflichen Alltag von Lehrern. Daß es dabei Ermessenspielräume, Handlungsalternativen und vor allem auch Raum gibt, sich selbst und die eigenen Ideale mit ins Spiel zu bringen, soll in diesem Seminar nicht nur thematisiert, sondern erfahrbar gemacht werden.

Das Selbstverständnis und die Professionalität sind gerade bei Lehrern ganz entscheidend dafür, ob die vielen unterschiedlichen und mitunter paradoxen Anforderungen erfolgreich gemeistert werden: Es gilt, bei Schülern Interesse zu wecken, aber deren Leistungen auch zu bewerten. Dabei spielen immer wieder psychologische, soziale und pädagogische Aspekte mit hinein, etwa wenn man nur an Sexualität und Pubertät denkt. — Mitunter ist es besser, wenn möglich, lieber Projekt–Unterricht anzuregen, wenn kaum mehr was geht.

Es gibt klassische Konfliktlinien, etwa Eltern–Lehrer–Gespräche, in denen nicht selten die eigenen, oft nicht eben guten Schul–Erfahrungen der Eltern mit hineinspielen. Aber auch interkulturelle Konflikte können aufkommen. Das alles macht nebenher auch Kompetenzen in der Mediation erforderlich. — Einerseits wird individuelle Förderung, Engagement, ja sogar Empathie erwartet, andererseits muß und soll gerecht bewertet werden. Das alles spielt sich ab vor dem Hintergrund, daß dabei Lebenschancen zugeteilt werden.

Gerade in letzter Zeit sind gestiegene Anforderungen bei Inklusion und Integration hinzugekommen. Auch Straf– und Disziplinarmaßnahmen zählen zu den nicht eben einfachen Aufgaben, die allerdings wahrgenommen werden müssen. — Ein weiterer, immer wieder akuter und fordernder Bereich ist das Mobbing, das sich gut ›durchspielen‹ läßt anhand von Inszenierungen.

Es gibt nicht das einzig richtige professionelle Verhalten, sondern viele verschiedene Beweggründe, die sich erörtern lassen, was denn nun in einem konkreten Fall möglich, angemessen oder aber kontraproduktiv sein könnte. Pädagogik kann viel aber nicht alles. Bei manchen Problemen sind andere Disziplinen sehr viel erfahrener und auch zuständig. — Unangebrachtes Engagement kann selbst zum Problem werden.

Wichtig ist ein professionelles Selbstverständnis, wichtig ist es, die eigenen Grenzen zu kennen, und mitunter auch einfach mehr Langmut an den Tag zu legen. Zudem werden die Klassen immer heterogener, so daß der klassische Unterricht immer seltener wird. — Inklusion, Integration oder eben Multikulturalität gehören inzwischen zum Alltag, machen aber Schule, Unterricht und Lehrersein nicht eben einfacher.

Gesellschaft, Politik, Wirtschaft und Öffentlichkeit setzen zwar hohe Erwartungen in Schule und Lehrer, gefallen sich aber zugleich darin, den ganzen Berufstand immer wieder in ein unvorteilhaftes Licht zu rücken. — Unvergessen bleibt die Bemerkung des ehemaligen Kanzlers Gehard Schröder, der ganz generell die Lehrer als faule Säcke bezeichnet hat.

„Ihr wißt doch ganz genau, was das für faule Säcke sind.“

Dieses Bashing hat allerdings Hintergründe, die eben darin liegen dürften, daß viel zu viele Schüler*innen ganz offenbar keine guten Schulerfahrungen gemacht haben, wenn sie später als Eltern ihrer Kinder wieder die Schule aufsuchen.

Ausbildung oder Bildung?

Seit 2001 ist das Ethisch–Philosophische Grundlagenstudium (EPG) obligatorischer Bestandteil des Lehramtsstudiums in Baden–Württemberg. Es besteht aus zwei Modulen, EPG I und EPG II. — Ziel des EPG ist es, zukünftige LehrerInnen für wissenschafts– und berufsethische Fragen zu sensibilisieren und sie dazu zu befähigen, solche Fragen selbständig behandeln zu können. Thematisiert werden diese Fragen im Modul EPG II.

Um in allen diesen Konfliktfeldern nicht nur zu bestehen, sondern tatsächlich angemessen, problembewußt und mehr oder minder geschickt zu agieren, braucht es zunächst einmal die Gewißheit, daß immer auch Ermessens– und Gestaltungsspielräume zur Verfügung stehen. Im Hintergrund stehen Ideale wie Bildung, Entfaltung der Persönlichkeit, die Erfahrung erfüllender Arbeit und Erziehungsziele, die einer humanistischen Pädagogik entsprechen, bei der es eigentlich darauf ankäme, die Schüler besser gegen eine Gesellschaft in Schutz zu nehmen, die immer fordernder auftritt. In diesem Sinne steht auch nicht einfach nur Ausbildung, sondern eben Bildung auf dem Programm.

Auf ein– und dasselbe Problem läßt sich unterschiedlich reagieren, je nach persönlicher Einschätzung lassen sich verschiedene Lösungsansätze vertreten. Es ist daher hilfreich, möglichst viele verschiedene Stellungnahmen, Maßnahmen und Verhaltensweisen systematisch durchzuspielen und zu erörtern. Dann läßt sich besser einschätzen, welche davon den pädagogischen Idealen noch am ehesten gerecht werden.

So entsteht allmählich das Bewußtsein, nicht einfach nur agieren und reagieren zu müssen, sondern bewußt gestalten zu können. Nichts ist hilfreicher als die nötige Zuversicht, in diesen doch sehr anspruchsvollen Beruf nicht nur mit Selbstvertrauen einzutreten, sondern auch zuversichtlich bleiben zu können. Dabei ist es ganz besonders wichtig, die Grenzen der eigenen Rolle nicht nur zu sehen, sondern auch zu wahren.

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EPG II a

Oberseminar

EPG II a – Online

Ethisch–Philosophisches Grundlagenstudium II

WS 2023 | donnerstags | 14:00-15:30 Uhr | online 

Beginn: 26. Oktober 2023 | Ende: 15. Februar 2024

Zwischen den Stühlen

Eine Rolle zu übernehmen bedeutet, sie nicht nur zu spielen, sondern zu sein. Wer den Lehrerberuf ergreift, steht gewissermaßen zwischen vielen Stühlen, einerseits werden höchste Erwartungen gehegt, andererseits gefällt sich die Gesellschaft in abfälligen Reden.

Das mag damit zusammenhängen, daß jede(r) von uns eine mehr oder minder glückliche, gelungene, vielleicht aber eben auch traumatisierende Schulerfahrung hinter sich gebracht hat.

Universe333: YogaBeyond Honza & Claudine Bondi; Beach, Australia 2013. — Quelle: Public Domain via Wikimedia Commons.

Es sind viele potentielle Konfliktfelder, die aufkommen können im beruflichen Alltag von Lehrern. Daß es dabei Ermessenspielräume, Handlungsalternativen und vor allem auch Raum gibt, sich selbst und die eigenen Ideale mit ins Spiel zu bringen, soll in diesem Seminar nicht nur thematisiert, sondern erfahrbar gemacht werden.

Das Selbstverständnis und die Professionalität sind gerade bei Lehrern ganz entscheidend dafür, ob die vielen unterschiedlichen und mitunter paradoxen Anforderungen erfolgreich gemeistert werden: Es gilt, bei Schülern Interesse zu wecken, aber deren Leistungen auch zu bewerten. Dabei spielen immer wieder psychologische, soziale und pädagogische Aspekte mit hinein, etwa wenn man nur an Sexualität und Pubertät denkt. — Mitunter ist es besser, wenn möglich, lieber Projekt–Unterricht anzuregen, wenn kaum mehr was geht.

Es gibt klassische Konfliktlinien, etwa Eltern–Lehrer–Gespräche, in denen nicht selten die eigenen, oft nicht eben guten Schul–Erfahrungen der Eltern mit hineinspielen. Aber auch interkulturelle Konflikte können aufkommen. Das alles macht nebenher auch Kompetenzen in der Mediation erforderlich. — Einerseits wird individuelle Förderung, Engagement, ja sogar Empathie erwartet, andererseits muß und soll gerecht bewertet werden. Das alles spielt sich ab vor dem Hintergrund, daß dabei Lebenschancen zugeteilt werden.

Gerade in letzter Zeit sind gestiegene Anforderungen bei Inklusion und Integration hinzugekommen. Auch Straf– und Disziplinarmaßnahmen zählen zu den nicht eben einfachen Aufgaben, die allerdings wahrgenommen werden müssen. — Ein weiterer, immer wieder akuter und fordernder Bereich ist das Mobbing, das sich gut ›durchspielen‹ läßt anhand von Inszenierungen.

Es gibt nicht das einzig richtige professionelle Verhalten, sondern viele verschiedene Beweggründe, die sich erörtern lassen, was denn nun in einem konkreten Fall möglich, angemessen oder aber kontraproduktiv sein könnte. Pädagogik kann viel aber nicht alles. Bei manchen Problemen sind andere Disziplinen sehr viel erfahrener und auch zuständig. — Unangebrachtes Engagement kann selbst zum Problem werden.

Wichtig ist ein professionelles Selbstverständnis, wichtig ist es, die eigenen Grenzen zu kennen, und mitunter auch einfach mehr Langmut an den Tag zu legen. Zudem werden die Klassen immer heterogener, so daß der klassische Unterricht immer seltener wird. — Inklusion, Integration oder eben Multikulturalität gehören inzwischen zum Alltag, machen aber Schule, Unterricht und Lehrersein nicht eben einfacher.

Gesellschaft, Politik, Wirtschaft und Öffentlichkeit setzen zwar hohe Erwartungen in Schule und Lehrer, gefallen sich aber zugleich darin, den ganzen Berufstand immer wieder in ein unvorteilhaftes Licht zu rücken. — Unvergessen bleibt die Bemerkung des ehemaligen Kanzlers Gehard Schröder, der ganz generell die Lehrer als faule Säcke bezeichnet hat.

„Ihr wißt doch ganz genau, was das für faule Säcke sind.“

Dieses Bashing hat allerdings Hintergründe, die eben darin liegen dürften, daß viel zu viele Schüler*innen ganz offenbar keine guten Schulerfahrungen gemacht haben, wenn sie später als Eltern ihrer Kinder wieder die Schule aufsuchen.

Ausbildung oder Bildung?

Seit 2001 ist das Ethisch–Philosophische Grundlagenstudium (EPG) obligatorischer Bestandteil des Lehramtsstudiums in Baden–Württemberg. Es besteht aus zwei Modulen, EPG I und EPG II. — Ziel des EPG ist es, zukünftige LehrerInnen für wissenschafts– und berufsethische Fragen zu sensibilisieren und sie dazu zu befähigen, solche Fragen selbständig behandeln zu können. Thematisiert werden diese Fragen im Modul EPG II.

Um in allen diesen Konfliktfeldern nicht nur zu bestehen, sondern tatsächlich angemessen, problembewußt und mehr oder minder geschickt zu agieren, braucht es zunächst einmal die Gewißheit, daß immer auch Ermessens– und Gestaltungsspielräume zur Verfügung stehen. Im Hintergrund stehen Ideale wie Bildung, Entfaltung der Persönlichkeit, die Erfahrung erfüllender Arbeit und Erziehungsziele, die einer humanistischen Pädagogik entsprechen, bei der es eigentlich darauf ankäme, die Schüler besser gegen eine Gesellschaft in Schutz zu nehmen, die immer fordernder auftritt. In diesem Sinne steht auch nicht einfach nur Ausbildung, sondern eben Bildung auf dem Programm.

Auf ein– und dasselbe Problem läßt sich unterschiedlich reagieren, je nach persönlicher Einschätzung lassen sich verschiedene Lösungsansätze vertreten. Es ist daher hilfreich, möglichst viele verschiedene Stellungnahmen, Maßnahmen und Verhaltensweisen systematisch durchzuspielen und zu erörtern. Dann läßt sich besser einschätzen, welche davon den pädagogischen Idealen noch am ehesten gerecht werden.

So entsteht allmählich das Bewußtsein, nicht einfach nur agieren und reagieren zu müssen, sondern bewußt gestalten zu können. Nichts ist hilfreicher als die nötige Zuversicht, in diesen doch sehr anspruchsvollen Beruf nicht nur mit Selbstvertrauen einzutreten, sondern auch zuversichtlich bleiben zu können. Dabei ist es ganz besonders wichtig, die Grenzen der eigenen Rolle nicht nur zu sehen, sondern auch zu wahren.

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Allgemeine Geschäftsbedingungen

Allgemeine Geschäftsbedingungen

1. Allgemeines

1.1 Die vorliegenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) enthalten die zwischen uns, der Prof. Dr. Heinz-Ulrich Nennen, Brink 6c, 48291 Telgte (im Folgenden „Verkäufer“ oder „wir“) und einem Verbraucher oder Unternehmer (im Folgenden „Kunden“) ausschließlich geltenden Bedingungen für den Kauf der angebotenen Waren und Dienstleistungen, soweit diese nicht durch schriftliche Vereinbarungen zwischen den Parteien abgeändert werden.

Verbraucher im Sinne dieser AGB ist jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu Zwecken abschließt, die überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können. Unternehmer im Sinne dieser AGB ist eine natürliche oder juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt.

1.2. Änderungen dieser Geschäftsbedingungen werden dem Kunden schriftlich, per Telefax oder per E-Mail mitgeteilt. Widerspricht der Kunde dieser Änderung nicht innerhalb von vier Wochen nach Zugang der Mitteilung, gelten die Änderungen durch den Kunden als anerkannt.

 

2. Vertragsschluss

2.1. Die Präsentation der angebotenen Waren und Dienstleistungen stellt kein bindendes Angebot des Verkäufers dar. Erst die Bestellung einer Ware oder Dienstleistung durch den Kunden stellt ein bindendes Angebot nach § 145 BGB dar. Im Falle der Annahme des Kaufangebots durch den Verkäufer versendet dieser an den Kunden eine Auftragsbestätigung per E-Mail.

2.2. Nach der Abgabe des Angebots und erfolgreichem Abschluss der Bestellung, erhält der Kunde eine Kaufbestätigung per E-Mail mit den relevanten Daten. Der Kunde stellt sicher, dass die von ihm eingegebene E-Mail-Adresse korrekt ist.

2.3. Während des Bestellprozesses hat der Kunde die Möglichkeit die getätigten Eingaben zu korrigieren. Vor Abschluss des Bestellprozesses erhält der Kunde eine Zusammenfassung aller Bestelldetails und erhält die Gelegenheit seine Angaben zu überprüfen.

2.4. Der Vertragsschluss erfolgt in deutscher Sprache.

2.5. Eine Kontaktaufnahme des Kunden durch den Verkäufer erfolgt per E-Mail.

2.6. Bei digitalen Gütern räumt der Verkäufer dem Kunden ein nicht ausschließliches, örtlich und zeitlich unbeschränktes Recht ein, die überlassenen digitalen Inhalte zu privaten sowie zu geschäftlichen Zwecken zu nutzen. Eine Weitergabe der Inhalte an Dritte, sowie eine Vervielfältigung für Dritte ist nicht gestattet, sofern keine Erlaubnis seitens des Verkäufers erteilt wurde.

3. Zahlungsbedingungen

3.1. Der Kaufpreis wird sofort mit Bestellung fällig. Die Zahlung der Ware erfolgt mittels der zur Verfügung gestellten Zahlungsarten.

3.2. Es gelten die zum Zeitpunkt der Bestellung angegebenen Preise. Die in den Preisinformationen genannten Preise enthalten die gesetzliche Umsatzsteuer.

3.3. Gegen Forderungen des Verkäufers kann der Kunde nur mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten oder entscheidungsreifen Gegenansprüchen aufrechnen.

 

4. Versandbedingungen

4.1. Der Versand der bestellten Ware erfolgt gemäß den getroffenen Vereinbarungen. Anfallende Versandkosten sind jeweils bei der Produktbeschreibung aufgeführt und werden gesondert auf der Rechnung ausgewiesen.

4.2. Digitale Güter werden dem Kunden in elektronischer Form entweder als Download oder per E-Mail zur Verfügung gestellt.

 

5. Widerrufsrecht

Handelt ein Kunde als Verbraucher gem. §13 BGB, steht ihm grundsätzlich ein gesetzliches Widerrufsrecht zu. Handelt ein Kunde als Unternehmer gem. §14 BGB in Ausübung seiner gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit, steht ihm kein gesetzliches Widerrufsrecht zu. Nähere Informationen zum Widerrufsrecht ergeben sich aus der Widerrufsbelehrung auf der Bezahlseite des Produktes.

 

6. Offline-Events

Erwirbt der Kunde ein Ticket zu einem Offline-Event, gelten folgende Bestimmungen:

Bei zwingenden organisatorischen oder wirtschaftlichen Gründen, die nicht von dem Veranstalter zu vertreten sind, behält sich der Veranstalter das Recht vor, eine Veranstaltung abzusagen. In diesem Fall wird der Veranstalter den Kunden unverzüglich informieren sowie die Tickets auf eine Folgeveranstaltung umbuchen. Ausfallkosten, gegen die sich der Teilnehmer hätte versichern können (Ticketversicherung, Reiserücktrittskostenversicherung etc.), werden auf keinen Fall erstattet.

Im Falle höherer Gewalt oder behördlicher Absage der Veranstaltung ist eine Haftung durch den Veranstalter ausgeschlossen.

Eine Haftung für Stornierungs- oder Umbuchungsgebühren für vom Kunden gebuchte Transportmittel oder Übernachtungskosten ist ausgeschlossen.

 

7. Gewährleistung

Soweit die gelieferte Ware mangelhaft ist, ist der Kunde im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen berechtigt, Nacherfüllung zu verlangen, von dem Vertrag zurückzutreten bzw. den Vertrag zu beenden, den Kaufpreis zu mindern, Schadensersatz oder den Ersatz vergeblicher Aufwendungen zu verlangen. Vor dem Kauf mitgeteilte Mängel stellen keinen Gewährleistungsfall dar. Die Verjährungsfrist von Gewährleistungsansprüchen für die gelieferte Ware beträgt zwei Jahre ab Erhalt der Ware.

 

8. Haftungsbeschränkung

8.1. Der Verkäufer haftet für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit. Ferner haftet der Verkäufer für die fahrlässige Verletzung von Pflichten, deren Erfüllung die ordnungsgemäße Durchführung des Vertrages überhaupt erst ermöglicht, deren Verletzung die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet und auf deren Einhaltung ein Kunde regelmäßig vertraut. Im letztgenannten Fall haftet der Verkäufer jedoch nur für den vorhersehbaren, vertragstypischen Schaden. Der Verkäufer haftet nicht für die leicht fahrlässige Verletzung anderer als der in den vorstehenden Sätzen genannten Pflichten.

8.2. Die vorstehenden Haftungsausschlüsse gelten nicht bei Verletzung von Leben, Körper und Gesundheit. Die Haftung nach Produkthaftungsgesetz bleibt unberührt.

8.3. Die Datenkommunikation über das Internet kann nach dem derzeitigen Stand der Technik nicht fehlerfrei und/oder jederzeit verfügbar gewährleistet werden. Der Verkäufer haftet insoweit weder für die ständige und ununterbrochene Verfügbarkeit des Online-Handelssystems und der Onlineangebote.

8.4. Die Europäische Kommission stellt eine Plattform zur Online-Streitbeilegung (OS) bereit, die Sie unter http://ec.europa.eu/consumers/odr finden. Wir nehmen nicht an einem Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle teil.

 

9. Schlussbestimmungen

9.1. Änderungen oder Ergänzungen dieser Geschäftsbedingungen bedürfen der Schriftform. Dies gilt auch für die Aufhebung dieses Schriftformerfordernisses.

9.2. Es gilt das Recht der Bundesrepublik Deutschland unter Ausschluss des UN-Kaufrechts. Zwingende Bestimmungen des Staates, in dem ein Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, bleiben unberührt.

9.3. Soweit ein Verbraucher bei Abschluss des Vertrages seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte und entweder zum Zeitpunkt der Klageerhebung verlegt hat oder seinen Aufenthaltsort zu diesem Zeitpunkt unbekannt ist, ist Gerichtsstand für alle Streitigkeiten der Geschäftssitz des Verkäufers.

Wenn ein Verbraucher seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem Mitgliedsstaat der europäischen Union hat, sind für alle Streitigkeiten die Gerichte am Geschäftssitz des Verkäufers ausschließlich zuständig.

Handelt der Kunde als Kaufmann, juristische Person des öffentlichen Rechts oder öffentlich-rechtliches Sondervermögen mit Sitz im Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland, ist ausschließlicher Gerichtsstand für alle Streitigkeiten aus diesem Vertrag der Geschäftssitz des Verkäufers.

9.4. Sollten einzelne Bestimmungen dieses Vertrages unwirksam sein oder den gesetzlichen Regelungen widersprechen, so wird hierdurch der Vertrag im Übrigen nicht berührt. Die unwirksame Bestimmung wird von den Vertragsparteien einvernehmlich durch eine rechtswirksame Bestimmung ersetzt, welche dem wirtschaftlichen Sinn und Zweck der unwirksamen Bestimmung am nächsten kommt. Die vorstehende Regelung gilt entsprechend bei Regelungslücken.


Philosophie als Lebenskunst

Die Sonderrolle der Philosophie

Weil wir gern das große Ganze in den Blick nehmen, sind einige Attitüden der Gegenwart nicht gerade hilfreich. — Rationalismus, Materialismus und Szientismus verfügen über eine Autorität, die ihnen nicht zusteht. Sie weisen uns in unserem Ansinnen auf Hintergründe in der Regel einfach nur ab. 

Allenfalls bestimmte Erklärungsmuster werden anerkannt. So entsteht der Eindruck, alles andere sei nichtssagend. Aber das täuscht, denn die Angst vor der Metaphysik ist spürbar, ebenso wie die Dürftigkeit der Erklärungen, die so gar nichts mehr vom Entdecker–Geist der großen naturwissenschaftlichen Epochen haben. 

Tatsächlich werden unsere Fragen nicht beantwortet, allenfalls abgefunden, abgelenkt und nicht selten sogar als „unwissenschaftlich” zurückgewiesen. Derweil inszeniert sich der Szientismus als allgemein verbindliche Weltanschauung. — Als wäre eine bestimmte Vorstellung von Wissenschaft inzwischen an die Stelle der Kirche getreten, wird inzwischen mit ähnlichen Sanktionen operiert, etwa wenn Exkommunikation gegen Andersdenkende und Kritiker verhängt wird. 

Auch manche Philosophen versuchen, solchen Erwartungen zu entsprechen und verspielen, was Philosophie eigentlich ausmacht, was sie immer sein und bleiben wird: Philosophie läßt sich nicht einschränken, weder auf politische, gesellschaftliche, noch auf wissenschaftliche Ideologie. — Sokrates hat das demonstriert, als er den Schierlingsbecher nahm.

François Xavier Fabre: Der Tod des Sokrates (1802).

Alles war zur Flucht vorbereitet. Der Wächter war bestochen, die Pferde standen bereit, aber Sokrates floh nicht. — Wäre er geflohen, um sein Leben zu bewahren, er hätte allem widersprochen, was ihm zeitlebens lieb und teuer war.

Sokrates wäre zur Witzfigur verkommen, die nur redet, im Zweifel aber einzig um den persönlichen Vorteil besorgt wäre. — Aber Sokrates entschied im Sinne seiner Lebenskunst. Er hat alles gegeneinander abgewogen und ist dann zum Entschluß gekommen, lieber zu sterben, als sich selbst zu demütigen. 

Lebenskunst ist die Praxis der Philosophie, entscheidend sind konkrete Fragen der richtigen Lebensführung. Dabei geht es um Anerkennung, Glück, Selbstsorge, Werte und Askese. — Gerade Werte spielen eine bedeutende Rolle, denn es kommt immer darauf an, was, wogegen abgewogen werden soll. Und bei alledem geht es um eine Urteilsfähigkeit, die in der Lage sein soll, gerade auch in heiklen Fragen noch begründet und nachvollziehbar persönlich zu entscheiden. 

Philosophie ist wandlungsfähig. Sie kann als Wissenschaft, Geschichte, als Literatur oder auch Kunst auftreten. Derweil verfügt sie über direkte Zugänge ins Zentrum jeder erdenklicher wissenschaftlichen Disziplin. Sie hat diesen Zugang, weil sie gewissermaßen bei der Geburt aller Wissenschaften nicht unbeteiligt war. — Aber auch weit darüber hinaus, etwa in Bereichen von Kunst,  Ästhetik, Meditation oder auch Trance kann sie heimisch werden.   

Philosophie als Lebenskunst verfolgt eigene Ziele und geht eigene Wege. Es wird immer wichtiger, Alternativen in der Expertokratie zu bieten. Sich wirklich gut beraten zu lassen, ist selbst eine Frage der Lebenskunst. — Weniger unser Körper oder gar unsere Materie sind entscheidend, wesentlicher sind unsere Psyche mit Leib und Seele. 

Wenn eine glückliche Existenz unser Ziel ist, dann sollten wir uns auch des Ästhetischen bedienen. Schönheit ist keine Nebensächlichkeit, sondern die heimliche Seele dessen, was uns begeistern und beseelen kann. Dann entwickeln sich so anspruchsvolle, ganz besondere Qualitäten wie Aufmerksamkeit, Achtsamkeit und Authentizität zwanglos und fast schon wie von selbst.


Die Heldenreise

Geschichte aller Geschichten

Alle einschlägigen Mythen folgen dem Muster der Heldenreise: Ein Held oder auch eine Heldin, die anfangs rein gar nichts ahnen, werden bald schon aufbrechen, um endlich zu sich zu kommen und ›ganz‹ zu werden. Aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg.

Die Heldenreise ist das Narrativ aller Narrative, ›die‹ Geschichte aller Geschichten. Eine bedrohliche Angelegenheit drängt sich immer mehr in den Vordergrund. — Es gilt, die Ursachen aufzusuchen, weil es so wie bisher einfach nicht weitergehen kann.

Gustave Moreau: Herkules und die Lernäische Hydra (1876).

Eine schon lange anstehende Auseinandersetzung muß endlich ausgetragen werden, um mit sich und der schon vor langer Zeit verlorenen Zukunft wieder ins Reine zu kommen. Erst dann läßt sich auch der fehlende Teil der eigenen Persönlichkeit entwickeln und integrieren, um neben dem Animus die nicht minder wesentliche Anima zu ›befreien‹.

Einer 2019 im Literaturhaus Karlsruhe veranstalteten Reihe von Philosophischer Salons zum Thema Heldenreise, verdanke ich wertvolle Einsichten. Eine Veranstaltung mit dem Schriftsteller, Filmwissenschaftler und Drehbuchautor Joachim Hammann, dem Autor einer bemerkenswerten Studie über ›Die Heldenreise‹, gab tiefe Einblicke in die Abgründe der Narrative schicksalhafter Geschlechterrollen. (Joachim Hammann: Die Heldenreise im Film. Drehbücher, aus denen die Filme gemacht werden, die wirklich berühren; Frankfurt am Main 2007.)

Die Klischees vermitteln einen männlichen Helden, der aufbricht in der Absicht, eine ›gefangene‹ Prinzessin zu befreien. Dagegen ist es eine interessante Spekulation, einmal bewußt zwischen Helden und Heldinnen zu unterscheiden.

Die Antwort von Joachim Hammann war ebenso frappierend wie erhellend: Bei Männern ginge es darum, sich in der Welt zu beweisen, also ihre Position erst zu finden. — Bei Frauen hingegen ginge es zumeist darum, daß sie ›gebunden‹ seien und sich aus dieser fatalen Bindung erst befreien müßten.

Tatsächlich wird männlichen Helden häufig ein ihnen eigentlich zustehendes Privileg verwehrt. Zumeist hat sich ein Anverwandter etwa des Throns zu Unrecht bemächtigt. Legitime Ansprüche werden verweigert, stattdessen sollen die Abgewiesenen haarsträubende Mutproben absolvieren. Das geschieht in der Erwartung, daß sie nicht wieder zurückkommen, sondern den Tod finden.

Bei Heldinnen verhält es sich anders: Sie haben den sozialen Schutzraum verloren. Häufig ist die Mutter gestorben und nun herrscht ein anderes Regiment. — Die angehende Heldin ist in eine prekäre Lage ohne Ausweg geraten. Das ist beim Aschenputtel der Fall: Die Mutter ist gestorben, der Vater hat eine andere Frau. Aber auf dem Grab der Mutter steht ein Strauch mit Zaubernüssen…

Die erstaunliche Rettung der Romantik

Es ist nun interessant, darüber zu spekulieren, ob sich nicht in jeder Heldenreise stets zwei Helden auf den Weg begeben. — Ein männlicher Held und eine weibliche Heldin zugleich, die zwar getrennter Wege gehen, aber im entscheidenden Moment gemeinsam auftreten.

Hinter jeder mustergültigen Heldenreise steht das dramatische Geschehen einer Initiation: Der Knabe oder auch das Mädchen, wird sich selbst überwinden und ›sterben‹ müssen. — Nach Bewältigung ihrer schicksalhaften Lebenskrise werden  die Protagonisten in neuer Gestalt ›wiedergeboren‹, nicht ›nur‹ als Mann oder Frau, sondern als ›ganzer‹, vielleicht auch als ›neuer‹ Mensch.

Die typischen Kandidaten dieser Plots sind anfangs nicht im geringsten motiviert, sich irgendwie hervorzuheben. Oft eher notgedrungen machen sie sich schließlich doch auf den Weg, zunächst zu ihrem Mentor und dann auf den Weg ins Abenteuer. Es gilt, sich zu entfalten, denn da stecken einige bislang unbekannte, noch schlummernde Fähigkeiten in ihnen.

Der eigentliche ›Sinn‹ und das Ziel jeder Heldenreise liegt darin, fast schicksalhafte Hemmnisse durch Entwicklung zu überwinden. — Das ist nur möglich durch die Konfrontation mit einem tief sitzenden, vielleicht noch gar nicht bewußt gewordenen Trauma.

Längst gehen manche Zeichen der kommenden Zeit voraus. Aber sie werden nicht wahrgenommen. Man ist durch tagtägliche Verdrängungsarbeit auf der Hut und will auf gar keinen Fall daran erinnert zu werden, daß etwas im Argen liegt. — Aber dieser Bann wird jetzt gelöst, der Held oder die Heldin werden sich dem Problem nunmehr bewußt aussetzen. Man wird als das Ungeheuer aufsuchen, um persönlich mit ihm zu sprechen.

Thomas Cooper Gotch: Unschuld (1904).

Bis es jedoch zu dieser alles entscheidenden Begegnung kommt, sind lange Wege zu gehen, tiefe Ängste zu überwinden und neue Fähigkeiten zu erwerben, was erst allmählich zur Loslösung vom Althergebrachten führen wird.

Auf dem Weg zur Selbstbegegnung in den Schattenwelten der unbewußten Erfahrungen, werden die zuvor traumatisierenden und daher unterdrückten Erfahrungen allmählich offenbar. Es sind immer auch Bewährungsproben, an denen nicht wenige scheitern. Aber mit dem aufkommenden heldenhaften Mut und zusätzlich erworbenen Kompetenzen entstehen neue, ganz ungeahnte Potentiale. — Mit zunehmender Selbsterfahrung und durch die Bewältigung mancher Krisen, kommt immer mehr Selbstvertrauen auf.

Der Weg führt nicht nur an Grenzen, sondern darüber hinaus: Entscheidend ist echte Verzweiflung und wahre Liebe, erst das motiviert die Bereitschaft zur ultimativen Selbstaufgabe. — Im oft dramatisch inszenierten Showdown kommt es sogar zur unverhofften Errettung längst verloren geglaubter Ideale: Die wiederholte Selbstüberwindung aus Gründen der Liebe, ist bei alledem das heimliche Motiv aller Motive.

Sogar die eigentlich längst dekonstruierten Ideale romantischer Liebe feiern dann fröhliche Urständ. Tatsächlich wird Helden ebenso wie Heldinnen abverlangt, in der Wahl zwischen Liebe und Risiko die Liebe zu wählen, was eigentlich Selbstaufgabe, also die Bereitschaft zur Selbstaufopferung bedeutet.

Erst diese Arrangements gehen bis zum Äußersten, erst diese führen zum Meistern der gewaltigsten Wagnisse, bis hin zu ›Tod‹ und ›Wiedergeburt‹. — Tatsächlich schrecken die Helden und Heldinnen dieser Meistererzählungen auch vor ultimativer Selbstüberwindung keineswegs zurück. Sie gehen wirklich bis ans Äußerste und darüber hinaus. Genau das entspricht der romantischen Utopie und errettet schlußendlich ihre Ideale doch.

Wo Romane, Erzählungen, Bücher, Filme oder Theorien viele Leser und Zuschauer fesseln, tief berühren und ihnen vielleicht sogar aus der Seele sprechen, dort steht das Narrativ einer Heldenreise stets im Hintergrund.

In den Mythen  geht es immer wieder um Orientierungswissen, also werden universelle Erfahrungsmuster immer wieder neu in Szene gesetzt. Darauf hat der US–Amerikanische Kulturanthropologe Joseph Campbell in den Meistererzählungen
der ganzen Welt den Metaplot der Heldenfahrt systematisch nachweisen können.

Er ließ sich in seinen Studien leiten von der Tiefenpsychologie von Carl Gustav Jung, durch fernöstliche Schriften, die der Indologe Heinrich Zimmer übersetzt und kommentiert hat, durch die Experimentalphilosophie von Friedrich Nietzsche und durch das Konzept von Wille und Verzweiflung bei Arthur Schopenhauer.

Seine Metatheorie der Mythen hatte Joseph Campbell in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts bereits publik gemacht, fand zunächst aber kaum Anklang. — Erst nach einer Reihe von Fernsehinterviews auf der Skywalker Ranch von George Lucas, dem Drehbuchautor, Produzenten und Regisseur von Star Wars, wurden dieses Theoriekonzept auch einem breiten Publikum bekannt.

Inzwischen waren längst Filmschaffende auf dieses Metakonzept aufmerksam geworden. Allmählich wurde entsprechende Drehbücher zum Erfolgsrezept. — Seither lassen sich Autoren, Drehbuchschreiber, Filmemacher, aber auch Psychotherapeuten von der hintergründigen Dramaturgie einer jeden Heldenreise mit ihren einzelnen, mustergültigen Wegstationen inspirieren.

Das Theoriekonzept der Heldenreise ist ein Geniestreich, weil wir damit in die Lage versetzt werden, uns selbst beim Zuhören, Miterleben und Nachempfinden über die Schultern zu schauen: Was macht einen ›guten‹ Plot aus? Worum geht es wirklich in einer aktuellen Krise? Bei welcher der rund 64 Wegstationen befindet sich die betroffene Person gerade?

Wenn wir uns nun einer solchen Erzählung spiegeln, wenn Leser und Zuschauer sich identifizieren können, weil sie sich selbst wiedererkennen, dann stehen uns nicht mehr nur die Narrative zur Verfügung, sondern gleich die ganze Dramaturgie aller dieser Geschichten.

Nicht von ungefähr sehen wir anfangs allenfalls durchschnittliche Menschen in einer unspektakulären Alltagswelt, die vielleicht schon erste Risse bekommt. Aber diese Noch–Nicht–Helden denken noch nicht im Traum daran, bald schon auf eine abenteuerliche Reise zu gehen…

Alle Mythen und Märchen folgen mit immer neuen Varianten dieser mustergültigen Dramaturgie: Das Gilgamesch–Epos, die Odyssee von Homer, oder Amor und Psyche von Apuleius, Wilhelm Meister von Goethes aber die Phänomenologie des Geistes von Hegel, alle diese Werke entsprechen dem Prinzip einer Heldenreise. — Derweil ist Kafkas Prozeß ein warnendes Beispiel, was passiert, wenn sich der vermeintliche Held nicht auf den Weg macht, sondern nur wartet, bis es zu spät ist: Das Leben wird dann in erschreckender Selbstverfangenheit einfach nur verwirkt.


Vom Erkennen zum Handeln

Theorie und Praxis

Der Übergang vom Erkennen zum Handeln geht immer mit einem Verlust an kritischer Offenheit einher. Beim Handeln ist es nämlich nicht förderlich, jetzt noch fundamentale Zweifel geltend zu machen. — Wer zu handeln beginnt, wechselt von der Theorie zur Praxis und ist dann nicht mehr unbeteiligt.

Es geht jetzt weniger ums Verstehen, sondern um ein Handeln mit Absichten und Zielen. Daher ist Kritik wie zuvor nicht mehr angebracht, denn es würde in Widersprüche führen. — Zaudern ist daher ein Zeichen, daß wir uns unserer Sache vielleicht noch nicht sicher sind. 

William-Adolphe Bouguereau:
Inspiration (1898).

Entscheidend ist ein Wechsel der Perspektiven. Der vormalige Zuschauer muß seine Position aufgeben, um ins Geschehen einzugreifen. Aber dann ist es kaum mehr möglich, das Geschehen noch kritisch zu betrachten. — Aber es geht auch nicht mehr um Erkennen und Verstehen. Beim Handeln setzen wir andere Schwerpunkte, denn wir sind dann auf Gelingen aus. 

Wir sind dann in einem Prozeß, den wir selbst angestoßen haben. Dann kommt es weniger darauf an, was wir gedacht, erahnt oder befürchtet haben, sondern was ist und werden soll. — Im Unterschied zum Erkennen, setzt das Handeln ganz eigene Präferenzen. Darauf sollte sich gerade auch die Selbstkritik einstellen, denn jetzt kann Kritik stärken oder auch schwächen.

Die Initiative, der erste Schritt ist stets ein besonderes Ereignis. Infolgedessen kommt es zur Palastrevolution im eigenen Selbst. Die Aufmerksamkeit muß eine andere werden, weil jetzt die eigene Praxis auf dem Spiel steht. — Fortan spielt sich unsere Wirklichkeit nicht mehr allein in der Vorstellung ab. Das Handeln ist jedoch eine Welt für sich, daher zählen praktische Perspektiven.

Dann erleben wir uns von ungewohnter Seite. Sich selbst dabei beizustehen, ist wesentlich. — Das Selbst hat die Aufgabe, die unterschiedlichen Perspektiven unseres Bewußtseins immer wieder neu zu organisieren. Sobald wir zum Handeln übergehen, müssen wir uns vergewissern können, worauf es eigentlich ankommen soll.

Aufmerksamkeit muß angemessen sein. Derweil ist die Praxis erfüllt von einem besonderen Augenmerk für entscheidende Momente. Dazu gehören Erfahrung, Urteilsfähigkeit und vor allem Inspiration.

 


Was ist Bewußtsein?

Beobachtung, Bewertung und Beurteilung 

Unsere Sprache macht uns vieles möglich: Wir können einander durch Erzählen mitteilen, was wir erlebt und erfahren haben. — Allein durch Zuhören läßt sich bereits manches lernen.

Gastón Charó: Obras sobre papel (2020). Via: Wikimedia.

Wir können vieles zum Objekt unserer Beobachtungen machen. Es zählen dabei nicht nur die gemachten Erfahrungen, sondern auch die Art und Weise, wie etwas in Erfahrung gebracht wurde. 

Darüber hinaus lassen sich nicht nur Wahrnehmungen, sondern auch Selbstwahrnehmungen zur Sprache bringen. Wir arbeiten dabei mit Übertragungen, um uns beim Verstehen an die Stelle anderer versetzen zu können. — Der Dialog ist die Königsdisziplin solcher Begegnungen, die tiefgreifend sein können.

Sobald neue Erfahrungen ins Spiel gebracht werden, tun sich auch neue Differenzen auf. — Phänomene werden „von innen“ ganz anders erlebt, als wenn wir sie nur „von außen“ betrachten. Dann wird uns bewußt, daß wir den Standpunkt wechseln müssen, um zu verstehen. 

Es ist ein großer Unterschied, anderen nur zuzuschauen oder aber selbst aktiv zu werden. Wer nur beobachtet, hat zwar eher einen unvoreingenommenen Blick, aber keine wirkliche Vorstellung davon, wie es ist, selbst zu handeln. — Zu handeln bedeutet, einen Entschluß zu fassen, der dann aber auch kritisiert werden kann. 

 

 


Im Dialog

Schwebendes Denken

Sprache erlaubt uns, einzelne Sichtweisen und Urteile der Reihe nach durchzuspielen. Jede einzelne Hinsicht soll ihren großen Auftritt haben. — Verstehen ist eine besondere Weise des Miteinanderseins. 

Paul Klee: Abenteurerschiff (1929).

Im Dialog zelebrieren wir unsere Einfühlungsvermögen, jeder einzelnen Perspektive ihre Eigenart zuzugestehen. — Aber Verstehen ist mit Aufwand verbunden, daher fragen wir uns oft, ob es aussichtsreich sein kann, uns auf neue Perspektiven näher einzulassen. 

Entscheidend sind umfassende Einblicke in die Hintergründe. Wir erwarten schließlich von uns einen hohen Grad an Aufmerksamkeit, um dann souverän darauf zu reagieren. — Unser Bewußtsein erlaubt uns, von uns selbst zu wissen, daß und was wir wissen.

Daher spielt Sprache eine außerordentliche Rolle. In Dialogen und Diskursen verständigen wir uns darüber, wie sich Wahrnehmungen machen lassen, was sie bedeuten und wie mit möglichen Widersprüchen umgegangen werden kann. — Jedes Bewußtsein lebt in einer eigenen Welt und manche davon sind eigentümlich. 

Das Durchspielen von Möglichkeiten und das Erwägen entscheidender Hintergründe ist eine anspruchsvolle Kunst, die ihre Anregungen von weit herholt. Aber dazu verfügen wir über Mythen, Symbole und Geschichten, so daß es möglich ist, jede davon als eigene Innenwelt zu erleben.

Allerdings haben neue Perspektiven oft auch etwas Ketzerisches. Sie nehmen nicht die gebotene Rücksicht auf etablierte Standards und gehen stattdessen unvoreingenommen vor. — Sie möchten sich bewähren, was oft zu Überraschungen führt, mit denen niemand rechnen konnte. 

Dazu müssen mitunter fundamentale Ängste überwunden werden, weil mancher Gedanke an etwas rührt, das vielleicht noch nie zur Sprache gebracht wurde. — Das wiederum können jedoch viele gar nicht ertragen. Sie möchten bei einem möglichst einfachen, oft auch beim bereits gefällten Urteil bleiben. 

In neuem Licht betrachtet wirkt manches höchst bedrohlich. Deshalb ist es so bedeutend, sich auf den Weg zu begeben, um die neuen Erfahrungen nicht nur zu machen, sondern auch zu verstehen. — Wir können ganze Welten in Erfahrung bringen und erläutern, warum sie sich wie verhalten. Aber diese Vielfalt bringt auch Unsicherheit mit sich.

Hinter den Kulissen steht das „Selbst”, es sorgt sich um Integrität. Wir sind in Geschichten verstrickt und setzen sie auch wie Masken auf, weil wir ins selbst anhand unserer Geschichten verstehen. — Wir identifizieren uns mit unserem Selbst und seiner Geschichte. Mithilfe dieser Instanz versuchen wir uns auf Selbstkonzepte, die im Dialog gesucht werden.

 


Selbsterkenntnis

John Collier (1850–1934): Collier: Priestess of Delphi (1891). — Quelle: Public Domain via Wikimedia.

„Erkenne Dich selbst“

Der berühmte Spruch war über dem Eingang zum Tempel des Apollon in Delphi angebracht. Dort residierte das berühmte Orakel, zu dem die Fragesteller oft auch in offiziellem Auftrag von weit herkamen. 

Eine Tempelpriesterin, die Pythia saß auf einem Dreispitz über einer Erdspalte, aus der narkotisierende Dämpfe hervortraten, so daß sie in Trance versetzt wurde.  Dabei hat sie oft eher gemurmelt, so daß sie von Priestern interpretiert werden mußte. 

Hinter den Kulissen wirkte eine Priesterschaft, die sich auf das Orakelwesen offenbar sehr gut verstand. Ansonsten hätten Fragesteller nicht jahrtausendelang dieses Orakel immer wieder aufgesucht.

Komplexe Anfragen wurden schriftlich eingereicht und auch schriftlich beantwortet. — Normalsterblichen antwortete die Pythia nur mit „Ja“ oder „Nein“. 

Es kommt also darauf an, die richtigen Fragen zu stellen. Dazu wäre es aber erforderlich, sich zunächst einmal mit Selbsterkenntnis näher zu befassen.

Zwangsläufig kommt die Frage nach dem „Selbst“ auf. Darin liegt auch die Voraussetzung, sich selbst orientieren oder auch umorientieren zu können. Das ist die Stunde für Dialoge über Philosophie in der Erwartung, sie möchte anstelle des Orakels sprechen. 

Aber dazu ist es erforderlich, in den Tiefen der eigenen Person nach den Strukturen zu suchen, von denen alles andere getragen wird.