• Anthropologie,  Identität und Individualismus,  Ironie,  Motive der Mythen,  Philosophie,  Psyche,  Traum

    Ein, zwei, viele Ichs

    Über Masken

    Ein Blick hin­ter die Karnevalsmasken

    Radio­in­ter­view mit Dani­el Lasch

    Ursprüng­lich geht der Kar­ne­val auf die römi­schen Satur­na­li­en zurück. Das war ein Fest zur Ehren des Got­tes Saturn. – Saturn ist ein eher düste­rer, urzeit­li­cher Gott, der sei­ne Herr­schaft durch sei­ne Söh­ne gefähr­det sah und sie des­halb in einer Anwand­lung von Kan­ni­ba­lis­mus auf­fraß. Alle, bis auf einen Sohn, der von sei­ner Mut­ter vor ihm ver­steckt gehal­ten wur­de und schließ­lich die schreck­li­che Pro­phe­zei­ung erfüll­te, sei­nen Vater entmachtete. 

    Die Satur­na­li­en erin­nern an die unter­ge­gan­ge­ne Ord­nung des Saturn, die im Rück­blick von vie­len bald zum „gol­de­nen Zeit­al­ter“ ver­klärt wur­de. Es war ein mehr­tä­gi­ges Fest, das zu Ehren des Saturn zwi­schen dem 17. und dem 23. Dezem­ber gefei­ert wur­de und wohl auch eine der Wur­zeln des christ­li­chen Weih­nachts­fe­stes bildete.

    Jeden­falls war es eine Zeit, in der die übli­che Ord­nung der römi­schen Gesell­schaft auf den Kopf gestellt wur­de. Der römi­sche Sati­ri­ker Horaz spricht von der „Liber­tas Decem­bris“, der „Frei­heit des Dezem­bers”. Skla­ven waren ihren Her­ren, Frau­en ihren Män­nern gleich­ge­stellt. Wein floss im Über­fluss, man spei­ste die Armen, beschenk­te sich groß­zü­gig, sexu­el­le Aus­schwei­fun­gen und Glücks­spiel waren erlaubt. Viel­leicht über­leb­te in den Satur­na­li­en die Erin­ne­rung an eine unter­ge­gan­ge­ne matri­ar­cha­le Ord­nung, in der das Ver­hält­nis der Men­schen zur Natur noch ver­söhn­li­cher war als in der betont sol­da­ti­schen Gesell­schaft der römi­schen Anti­ke. – Die Mas­ke­ra­de war auch damals ein unent­behr­li­ches Mit­tel, den Rol­len­tausch zwi­schen Mann und Frau, reich und arm, Skla­ve und Herr glaub­haft zu machen. Am Ende der Satur­na­li­en aber fie­len alle Mas­ken und die alte patri­ar­cha­le Ord­nung kehr­te zurück. Das leich­te Spiel mit mul­ti­plen Iden­ti­tä­ten, die Ent­gren­zung des eige­nen Ichs, die Ent­la­stung von einer fest­ge­zurr­ten sozia­len Rol­le stecken auch heu­te noch hin­ter der Lust am kar­ne­val­esken Mummenschanz.

    Dani­el Lasch spricht mit dem KIT Phi­lo­so­phen Dr. Heinz-Ulrich Nen­nen über die Welt als Büh­ne mul­ti­pler Identitätsspiele: