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Anthropologie, Ausnahmezustand, Corona, Corona-Diskurs, Corona-Politik, Diskurs, Ethik, Identität und Individualismus, Ironie, Leib, Lüge, Moderne, Moral, Philosophie, Platon, Psyche, Psychosophie, Schuld, Seele, Theorien der Kultur, Urbanisierung der Seele, Wahrheit, Zeitgeist
‘Habitus’ bedeutet Charakter
Bildung braucht eine Grundlage
Ich habe noch immer den Eindruck, seit Beginn der Corona–Hysterie in einem Paralleluniversum gelandet zu sein.
Im Nachgang verschieben sich die Bewertungen dieser Panther–Zeit, in der man die Gitterstäbe der Angst–und–Moral–Republik ständig vor Augen hatte. — Viel zu viele haben sich in diesen Jahren um Kopf und Kragen geredet.
Aber meine Bewertungen dieser Massenpsychose verschieben sich inzwischen nicht mehr so stark, und ich muß zugeben: Das Resultat dieser kollektiven Angstkampagne war für mich verheerend, denn ich mußte einen Gutteil meines Idealismus aufgeben.
Meine Enttäuschung über den kollektiven Verrat an Werten wie Freiheit, Toleranz, Meinungsfreiheit, Selbstbestimmung und Würde, hat mich zutiefst verstört. Das hätte ich nicht für möglich gehalten!
Aber die Panter–Zeit hatte auch ihr Gutes, wir haben alle das Zoomen erlernt, konnten einander tief in die Seele schauen und haben gesehen, mit wem wir es wirklich zu tun haben.
Und die Diagnose fällt kritisch aus: Den meisten fehlt so etwas wie Persönlichkeit, was der französische Soziologe Pierre Bourdieu in seiner Theorie “Die feinen Unterschiede” als “Habitus” bezeichnet, beschrieben und näher ausgeführt hat.
Ich hätte es wissen können, weil ich ihn schon im Studium gelesen und mir zu Herzen genommen hatte. Aber ich wollte nicht, daß der Groschen auch fällt, wohl aus Idealismus wollte ich es nicht.
Das Erziehungsziel einer “Bildung der Persönlichkeit” ist und bleibt elitär, weil es um einen Habitus geht, den man sich auch herausnehmen können muß. — Manche nehmen sich das einfach heraus, wenn und weil es ja nun mal “standesgemäß” für sie ist.
Andere stehen sich selbst dabei bereits auf der Leitung und noch andere, die Vielzahl der nichtdenkenden Mitmenschen, sieht das Problem nicht einmal.
“Gebt dem Volk Brot uns Spiele”. Ja, den meisten Zeitgenossen mangelt es nicht nur an Selbstbewußtsein, Selbstbestimmungs– und Selbstorientierungsvermögen, sie haben auch keinen Zugang zu ihrem eigenen Leib. Sie sehen nur den Körper, den sie dann checken, bearbeiten oder auch reparieren lassen.
Der Unterschied besteht eben, wie Helmuth Plessner gesagt hat, “zwischen Körper haben und Leib sein”. — Daher lassen sich die Vielen auch so tief verängstigen.
Sie sehen nur ihren Körper und ihre Psyche, sehen aber nicht auch den Geist, den Leib und die Seele. Sie wollen auch nur Sex und keine Erotik. — Ach, es ist erbärmlich.
„Der Mensch will über den Menschen hinaus“, — eigentlich ja. Man denke doch nur an Platon und Nietzsche, die das so eindrucksvoll und eindringlich vor Augen geführt haben.
Aber viele folgen nicht ihrer Seele, sondern nur den viel zu oberflächlichen Interessen einer Psyche, die “Haben mit Sein” miteinander verwechselt. Viel zu viele lassen sich bereitwillig leiten von den ästhetisch–moralischen Konsumwelten der angeblich „Schönen und Reichen“.
Wenn darin ganz offenbar die allermeisten Zeitgenossen ihre Lebensziele sehen und sogar finden, dann kann ich sie nicht mehr ernst nehmen.
Als ich vor langer Zeit noch Ethik–Unterricht für Polizeibeamte an der FH für öffentliche Verwaltung in Dortmund gab, hatte ich irgendwann bereits dieses Konzept für mich als Arbeitsgrundlage: Ich hole die Menschen ab, wo sie stehen, aber ich fahre nicht bis unter die Erde!
Wer unterirdisch ist und es auch sein und bleiben will, soll es sich wohl ergehen lassen in der Höhle. Und kein Philosoph wird sie bei ihren heiligen Handlungen in der Konsumhölle stören.
Die Basis für einen eigenen Habitus, so daß man selbstverständlich einen Menschen ernst nehmen kann, muß sich schon jeder selbst schaffen. — Die Seele macht das Spiel.
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Emanzipation, Götter und Gefühle, Ironie, Kunst, Leib, Moral, Motive der Mythen, Philosophie, Platon, Psyche, Schönheit, Schuld, Theorien der Kultur, Wahrheit, Zeitgeist
Harry und Meghan
Über die Sprengkraft einer Lovestory
Der Liebesgott Amor ist ein Sohn der Göttin der Liebe und dem Gott des Krieges, also Venus und Mars. — Mythische Figuren sind immer auch Allegorien, was bedeutet, daß sie etwas abbilden, was eigentlich alle vor Augen haben, sich aber nur schwer sagen läßt. Also bringt man es auf eine dieser Götterfiguren und hat dann auch noch einen Charakter dazu.
Cupido, wie er bei den Römern genannt wird, hat immer einen Köcher mit Pfeilen bei sich. Schnell wie der Wind, taucht er urplötzlich auf, und nach der Tat ist er ebenso schnell auch schon wieder weg.
Er ist ein Heckenschütze, so daß seine Opfer, ob sie wollen oder nicht, in Liebe entflammen. Dabei schießt er mit zweierlei Pfeilen, mit goldenen– für die erwiderte, mit bleiernen Pfeilen für die unerwiderte Liebe.
Man sollte dabei an den lächerlichen Professor Unrath denken, aus Heinrich Manns “Blauem Engel” und den Film, in dem Marlene Dietrich die Rolle ihres Lebens fand.
Am Ende wird der Professor sich nützlich machen, um der von ihm Angebeteten feschen Lola nahe zu sein, sich aber vollkommen lächerlich machen. Es ist der Absturz einer allerdings despotischen Autorität, was die ehemaligen Schüler im Publikum mit oberflächlichem Gaudi goutieren, ohne das doch auch Tragische daran überhaupt zu bemerken.
Alle Details einer Allegorie sind nicht zufällig, sondern mit bedacht gewählt und komponiert. — Amor ist noch ein rechts–unmündiges Kind, was bedeutet, daß er nicht zur Verantwortung gezogen werden kann für das, was er anrichtet. Es sollte sich also bitte hinterher niemand beklagen, der nun einmal in Liebe entbrannt ist und dann wer weiß was gemacht hat…
Als leicht bekleidete Knabe ist Amor stets mit Lausbubengesicht unterwegs. Caravaggio macht dann mit guten Gründen ein Siegerlächeln daraus. — Ja, die Liebe siegt gewissermaßen immer, selbst wenn sie unglücklich verläuft und schlußendlich alles in Schutt und Asche liegt.
Wenn Amor mit einem seiner Pfeile trifft, dann werden die Getroffenen nicht nur von einer Liebe ergriffen, der sie sich nicht erwehren können, sondern sie haben dann auch die damit einhergehenden Problem am Hals. — Die Allegorie dieses kindlichen Gottes bringt daher vorzüglich auf den Punkt, was die Liebe gesellschaftlich eigentlich ist: Pure Anarchie!
Deswegen wird oft nichts dem Zufall überlassen, wobei viel Wert gelegt wird auf “standesgemäße” Hochzeiten etc. pp. — Deswegen wird Sex, von “freier Liebe” ganz zu schweigen, verfolgt wie die Pest. Dabei ist die Erotik selbst eigentlich weniger das Problem, aber die Liebe, die darüber aufkommt, kann Verbindungen stiften, die nie und nimmer hätten sein dürfen.
Liebe mag immer auch ein Anfang sein, insbesondere für die Liebespaare selbst, aber für Gemeinschaften ist sie womöglich das Ende eines langen Burgfriedens. — Und genau das passiert immer wieder, etwa bei Romeo und Julia, die sich als Abkömmlinge zutiefst verfeindeter Clans ineinander verlieben, was daher ein böses Ende nehmen muß.
Gestiftet werden solche Verbindungen also durch einen verantwortungslosen Heckenschützen, der Liebespfeile verschießt und sich sonst kaum etwas dabei denkt. — So wie er dreinblickt, wirkt es eher, als wäre Liebe nichts weiter als ein neckisches Spiel.
Das Symposion von Platon ist diesem Eros, also dem Gott der Liebe gewidmet. Der Text ist einer der wichtigsten der Menschheitsgeschichte, weil er so tief blicken läßt, nicht nur in die Liebe selbst, sondern auch in die Machenschaften, die sich darum herum ranken. — Dazu gehört insbesondere die Vereinnahmung Platons durch Religionsführer, die ernsthaft glauben machen wollen, Platon habe nur die nicht–erotische Liebe geadelt und alle anderen Formen herabgewürdigt.
Genau das ist nicht der Fall. Wie so oft findet sich bei Platon auch in dieser Angelegenheit wieder das Bild von Stufen, die man schrittweise nehmen sollte, um dann möglichst unter Führung der Philosophie, um zur Wahrheit wie im Höhlengleichnis oder zur Schönheit wie im Symposion aufzusteigen. — Daher steht auch das Gegenteil von dem im Text, was die Religionsfürsten in ihrem Griesgram und nicht selten ohne Doppelmoral seit Jahrtausenden verkünden.
Wenn Sokrates in seiner Rede ausgiebig von seiner legendären Lehrerin namens Diotima erzählt und deren Philosophie der Liebe sich offenbar selbst zu eigen gemacht hat, dann hören wir das Gegenteil von dem, was die Kirchen so vehement fordern. — Tatsächlich ist Liebe wie eine Droge mit Nebenwirkungen, die einen “heiligen Wahn” auslösen. Das dürfte dann auch das Motiv sein, warum so viele Religionen die Liebe als solche verdrängen, weil sie das Heilige ganz für sich und die eigene Institution allein beanspruchen wollen.
Dieser Dialog beginnt wie ein jeder sokratischer Dialog, nur diesmal mit vertauschten Rollen. Eigentlich ist Sokrates immer der Held, der über steile Thesen, die kollabieren müssen, wie sodann auch über seine Gesprächspartner lacht. Nun aber ist er in nicht in dieser Position, sondern seine Gesprächspartnerin. Sie weiß einfach mehr, als der offenbar noch junge Sokrates, der ihr dann auch folgt in diesem Dialog.
Es beginnt sogleich mit einer höchst spektakulären dialektischen Figur: Der Gott der Liebe können gar kein Gott sein, weil er nicht wie diese vollkommen ist, sondern stattdessen mit einem feinen Gespür ausgestattet sei für das, was ihm fehlt. — Liebe zielt demnach auf die Attraktion dessen, was fehlt und daher so anziehend ist.
Daher sei der Liebesgott auch kein Gott, sondern nur ein Dämon, der übrigens einer beigesteuerten Erzählung zufolge aus einer selbst märchenhaften Verbindung zwischen Fülle und Armut entstanden sein soll.
Darin stalkt die Armut den Reichtum ganz gezielt am Ort einer opulenten Festivität. Sie hält sich bedeckt, bis der Reiche höchst berauscht ins Freie tritt und unter einem Baum seinen Rausch ausschläft. In dieser Situation macht sich die Armut an ihm so zu schaffen, daß sie Sex mit ihm hat, schwanger wird und den Eros gebiert. — Es ist berückend, wie lyrisch sich Mythen mitunter geben können.
Das Liebesgift in den Pfeilen des Amor ist überwältigend. Da steht dann nicht selten schon bald alles auf dem Spiel, und genau das ist das Anarchische und so oft Skandalisierte an der Liebe. — Manche beherrschen sich und verleugnen die Liebe aus vielerlei Rücksicht, aber manche haben vielleicht noch eine Rechnung offen.
Genau das steht im Hintergrund der aktuellen Legendenbildung um Harry und Meghan, angesichts einer Netflix Serie über ihre Liebes– und Leidensgeschichte. — Diese Liebe steht definitiv unter dem Zeichen der Tragödie um Diana. Und die Traumatisierung des jungen Harry seinerzeit durch den Tod seiner Mutter, ist das eigentliche Motiv der Handlung.
Harry setzt Meghan seiner Mutter gleich und rächt sich nunmehr an allen, die sie seinerzeit in den Tod getrieben haben. Als wäre er es ihr und sich selbst schuldig, endlich erwachsen geworden, endlich mit allen abrechnen zu können.
Psychologisch ist dieses Manöver übrigens ausgesprochen heikel. Es ist nämlich die Frage, ob Meghan eigentlich sie selbst sein darf, ob sie nicht vielmehr in dieser Projektionsarbeit völlig marginalisiert wird, was sich später einmal rächen dürfte. Wer ist schon gern auf Dauer nur ein Stellvertreter.
Aber etwas anderes geschieht zugleich. — Es ist eine fällige Generalabrechnung mit dem Britischen Königshaus und dem latenten Rassismus im Empire, das schon lang keines mehr ist. Ohnehin stehts das Vereinigtes Königreich seit dem Brexit ohnehin nicht mehr auf sicheren Säulen.
Da sieht man, wie sehr die freie Partnerwahl aus Gründen der Liebe dazu angetan ist, Probleme anzuzeigen, die schon immer routiniert überspielt worden sind. Das ist der Anarchismus der Liebe, plötzlich verfängt vieles nicht mehr.
Irgendwer fängt aus unerfindlichen Gründen plötzlich damit an, öffentlich zu bekunden, daß sich ein Elefant im Raum befindet, über den niemand willens ist, auch nur ein Wort zu verlieren. Das war auch Common Sense bisher. Aber jetzt ist der Elefant nun einmal erwähnt…
Wie sagte noch der in Worten stets sparsame Konrad Adenauer: “Die Situation ist da!”
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Anthropologie, Diskurs, Emanzipation, Ethik, Feminismus, Götter und Gefühle, Identität und Individualismus, Leib, Lüge, Moderne, Moral, Motive der Mythen, Philosophie, Psyche, Schönheit, Schuld, Seele, Theorien der Kultur, Urbanisierung der Seele, Utopie, Wahrheit, Zeitgeist, Zivilisation
Alice Schwarzer zum achtzigsten Geburtstag
Eine schon lang fällige Glosse
Für Friedrich Kaulbach
Als Mann, nunmehr aber auch Philosoph, möchte ich endlich die Gelegenheit ergreifen, dieser Dame den Spiegel vorzuhalten. Sie hat nämlich einfach nur ihr Ding gemacht.
Es ist mir richtig schlecht ergangen in der wichtigsten Zeit meines Lebens, als noch alles offen war und man sich oft nicht zu erwehren wußte, gegen alle diese Anwürfe. Sie hat über Jahrzehnte die Diskurskontrolle an sich gerissen und viel zu viele folgten ihr blind.
Dieser Geschlechterkampf wurde dramatisch und vor allem agonal inszeniert. Nein, es mußte nicht endlich einmal gesagt werden, was zu sagen war. Das wäre ohnehin gekommen, einfach weil es nach dem Krieg auf der Agenda stand.
Dabei hätte ich so gern mit den Frauen gemeinsame Sache gemacht. — Noch heute erinnern mich die Schilder vor den Fleischereien mit den kleinen Hunden, die leider nicht hineindürfen, an die damalige Gepflogenheit, Männer auszugrenzen, wo Frauen ihre Weiblichkeit wie eine Monstranz vor sich hertrugen.
Der Schwarzer–Feminismus ist ein Revanchismus, der Männer zu Tätern gemacht hat, einfach nur, weil uns ein Stückchen am Y–Chromosom fehlt. Man kann das als Degeneration deuten, man kann aber auch zu bemerkenswerten Spekulationen greifen darüber, ob “die Natur” nicht womöglich tatsächlich die Frauen auf dem Schirm hat, wenn es um den weiblichen Orgasmus geht.
Das ist eine interessante Spekulation, die der idealistische Philosoph Friedrich Wilhelm Joseph Schelling in die Welt gesetzt hat, eine etwas wunderliche Spekulation, die aber naturgeschichtlich gar nicht ganz so abwegig erscheint. Wenn wir den Anfang des Lebens im Tümpel betrachten, dann kleben die Weibchen ihre Eier an einen Strauch und die Männchen kämpfen um die Gelegenheit, ihren Samen darüber zu spritzen. — Da fragt man sich schon, wo und wie denn die Lust herkommen soll, beim anonymen Sex.
Dann wurden die Verhältnisse in diesem Ur–Tümpel nach innen verlegt, als die Gebärmutter entwickelt wurde. Und die Männchen bekamen einen Penis, um möglichst nahe heranzukommen an die Eizelle, die den Spermien durch einen Maiglöckchenduft den richtigen Weg weist. — Demnach sind Frauen einfach näher dran, denn das Maximum der Lusterfahrung findet in ihrem eigenen Inneren statt und Männer sind dabei eher außen vor. Das wiederum läßt an den blinden Seher Theresias denken, der 9 Monate als Frau gelebt hat, um zu bekunden, die Frau habe das 9–fache der Lust im Verhältnis zum Mann.
Auch das läßt sich nachvollziehen. Frauen brauchen eben die stärkere Motivation, weil sie auch mehr riskieren im Verhältnis zum Mann, nämlich Freiheit, Gesundheit, Leben und auch die soziale Stellung. — Und in der Tat wurde die “Schwäche” von Frauen als Mütter, die ein Kleinkind zu versorgen haben, immer wieder von Gesellschaften schamlos ausgenutzt.
Aber bei alledem hat die Schwarzer–Welt einen ganz einfachen Schwarz–Weiß–Code. Männer sind demzufolge in Wirklichkeit, als was Frauen schon immer gesehen wurden: minderwertig. Und seither gelten Männer als brandgefährlich. — Während Frauen ihr Schicksal zum Opfersein kaum abwehren können, wird das Mann–Sein seltsam widersinnig dargestellt.
“Der” Mann hat halt die falsche Natur und kann deswegen nicht einmal sicher sein vor sich selbst, denn das Trieb– und Täterhafte ist angeblich biologisch ganz tief in ihm angelegt. — Empathie wird exklusiv nur Frauen zugeschrieben. Sensibilität steht im Schwarzer–Feminismus den Männer einfach nicht zu, weil sie nichts weiter sind als entartete Frauen.
Ich bin seinerzeit nicht in Männergruppen gegangen, obwohl ich verstehen kann, daß es einige getan haben. Ich habe mich auch nicht als Emanzipations–Couch angedient, um dann Sex zu erbetteln. Auch bin ich nicht zum Frauen–Versteher oder zum Softie geworden. Mir war das alles zu würdelos, also habe ich meine Männlichkeit lieben gelernt. — Wie heißt doch der Werbe–Spruch einer einschlägigen Industrie: Beton, es kommt darauf an, was man damit macht!
Aber die Traumatisierungen waren wohl platziert. Ich konnte Mit–Männer beobachten, die des nachts hinter einer Frau herliefen, um ihr zu bekunden, daß man ihr wirklich nichts würde antun wollen. — Und dann diese unsäglichen Bemerkungen: Sagte doch eine dieser so schrecklich oberflächlich emanzipierten Frauen zur anderen, als ich ihnen beim Eintritt zu einer Alumni–Feier im Overberg–Kolleg den Vortritt ließ und die Tür aufhielt: Also das sollten man als Frau immer mitnehmen…
Ich habe beizeiten das Gedankenlesen entwickelt und kann mühelos in solchen Situationen den unausgesprochenen Satz weiter fortführen, bis hin zum impertinenten Rest: Ansonsten müsse frau die Männer klein machen und auch so halten. — Das Ganze war ja so sicher, weil es die Rachegöttin Alice so und nicht anders verordnet hatte in ihrer gar nicht göttlichen Weisheit. Selberdenken war schon immer etwas, was die meisten sich nicht zumuten mochten, gerade Frauen nicht.
Ich bin Philosoph geworden, aber so etwas braucht seine Zeit. Anfangs ist es eher so, daß man einfach alles ernst nimmt, auch den größten Unfug, weil man ja nun selbst urteilen lernen will. — Also habe ich mich richtig einmachen lassen von geistlosen MenschInnen, die ihr Vergnügen dabei hatten, irgendwelche Rachegelüste an mir zu exekutieren.
Philosophie macht erst einmal schwach, weil man gar nichts mehr sicher weiß, wenn alles möglich sein könnte, was denn nun noch gelten darf. Aber es ist unethisch, die Schwäche anderer auszunutzen und nicht dafür zu sorgen, daß sie auf Augenhöhe sind. — Im Zweifelsfall gibt man ihnen bessere Argumente einfach selbst zur Hand. Das ist kein Großmut, das ist nicht gönnerhaft, sondern einfach nur menschlich. Es ist eben keine Demütigung, man will doch, daß das Gegenüber ein ebensolches ist und auch bleiben soll.
Das wäre Konzilianz und wahre geistige Größe, alles andere ist einfach nur banausenhaft. — Aber in der Welt von Alice Schwarzer, die diesen unerbittlichen Geschlechterkampf in Szene gesetzt hat, war das natürlich verpönt. Und alle ihre Vestalinnen taten, was der Furie ein Wohlgefallen war.
Ich erinnere mich noch mit Schaudern daran, wie sich dieser Schwarzer–Feminismus allmählich das Format von Rassismus zugelegt hat. Da wurde nämlich die natürliche Bösartigkeit “des” Mannes einfach unterstellt. — Wer da noch in der Identitätsfindung war, konnte glatt von diesen BulldozerInnen überfahren werden. Pardon wurde nicht gegeben, um den unseligen deutschen Kaiser zu zitieren.
Ich erinnere mich mit Entsetzen an die Dogmatik nach Schwarzers Gusto, daß angeblich in jedem Mann ein Gewalttäter, ein Vergewaltiger und zuletzt auch ein Kinderschänder “natürlich” mit angelegt sein soll. — Männer waren als solche eine Gefahr, denn sie könnten jederzeit sehenden Auges außer Kontrolle zu geraten, weil sie eben einfach diese miese männliche Natur haben. Das sind Menschenbilder aus den 50er Jahren, in denen das Wort vom “Trieb” jede Psychologie ersetzt, weil danach gleich das Wort “Täter” kam.
Dasselbe Argumentationsprinzip habe ich neulich mit Entsetzen in einem meiner Seminare wieder erlebt: Wir müßten als ‘Weiße’ alle Schuld auf uns nehmen, weiß zu sein. Das sagte ein Student, der Lehrer werden will, über Interkulturelle Gerechtigkeit. — Ich habe gesagt: Das stehen Sie nicht durch. Sie übernehmen sich, das können Sie gar nicht bewältigen! Sie können es nur für sich selbst anders machen.
Die Auswüchse im Geschlechterkrieg waren irre: Es gab doch tatsächlich Männer, die flehentlich um sich blickten, wenn sie mit einem Kleinkind zu tun bekamen. Es könnte sich ja die böse Natur im ungezähmten Inneren des Mannes wider Willen losmachen und außer Kontrolle geraten. — Solche Menschenbilder sind selbst therapiebedürftig. Aber Alice Schwarzer hat jede Gelegenheit genutzt, diese Welle, die sie selbst erzeugt hat, mit Wonne und Zornesröte zu Tode zu reiten. Die Motive dafür liegen im Krieg, der nur mit anderen Mitteln als Geschlechterkrieg fortgesetzt wurde.
Ich wäre damals nur zu gern mit den ersten Freundinnen, Liebschaften und Selbstsucherinnen ins Einvernehmen gekommen: Emanzipierst Du mich, emanzipiere ich Dich! Wir wußten doch alle gar nicht, wohin die Reise hingehen soll. Nur weg, aber wohin? — Solche Partnerschaften wären aber Kollaboration mit dem Feind gewesen. Wieviel Drittes Reich steckt eigentlich noch immer hinter alledem?
Erzählt wird von einer Begebenheit, daß die junge Alice Schwarzer in Paris mit Jean Paul Sartre zum Interview verabredet war. Und ja, dieses undefinierbare Verhältnis zwischen den beiden öffentlichen Intellektuellen wirkte äußerst vorbildlich. — Aber ich fand das alles etwas suspekt. Was wurde da eigentlich verherrlicht? Sie führten eben ein öffentliches Leben und ich denke, daß vieles einfach nur Inszenierung war.
Jedenfalls soll mittendrin Simone de Beauvoir plötzlich ins Zimmer gepoltert sein, habe die Interviewerin abschätzig angeschaut und sei dann augenblicklich wieder verschwunden. — Und Alice Schwarzer, wie sie später zu Protokoll geben wird, habe sich damals ob der üblichen Kürze ihres Minirocks derart geschämt…
Die Technik, die Sie im “Kleinen Unterschied” einsetzt, war damals üblich und effekthaschend. Das war auch in der angeblich wirklich wahrhaften Arbeiterliteratur so, mit denen junge Lehrer ihre Schüler traktierten, um sie auf dem Wege zur richtigen Ideologie zu bringen, um ein besserer Mensch zu werden. — Ach die vielen falschen Propheten…
Was lernen wir daraus, gar nichts! Ich sitze gerade auf dem Flughafen von Teneriffa und mag diese weiblichen Frauen hier. Selbstverständlich machen sie alles mögliche, aber hier muß nicht dauernd hervorgehoben werden, daß sie ja eigentlich ein Handikap haben, nämlich eine Frau zu sein und trotzdem Busfahrerin. — Vor allem sind sie allesamt immer eine Erscheinung. Ich denke dann immer, daß wir das in Deutschland nicht haben, liegt eben am dauerhaften Krampf in der Geschlechterfrage.
Es gab damals nicht einmal ein Wort für Fakes, weil man noch alles geglaubt hat, was gedruckt wurde. Also mußte, was in angeblichen Interviews, anfangs mit Arbeitern dargestellt wurde, doch auch der Lebenswirklichkeit von Frauen entsprechen. Man kann ja nun in diese Interviews mit “den” Frauen wer weiß was hineinschreiben. — Und bei Alice Schwarzer ging es immer gegen die Kerle. Sie wurden in diesem Geschlechterkrieg systematisch in die Defensive getrieben, mit ihren scheußlichen Angewohnheiten aus Penetrationswut, Brutalität, Orgasm–Gap und grobschlechtigem Unmenschentum.
Was mich damals schon gestört hat, weiß ich allerdings inzwischen zu vertreten. Der “Pädagogische Eros” ist auch wieder so ein Wort, das nach dem nun wirklich nicht ausgeprägten Sprachgefühl von woken Pamphletisten heute vielleicht überhaupt nicht mehr benutzt werden darf, ist eine heilige Sache, aus Gründen der Pädagogik! — Nur das, was von innen her kommt, was aus eigener Einsicht, also intrinsisch einen Prozeß der Selbstveränderung motiviert, um tatsächlich ein anderer Mensch zu werden, ist einzig, was zählt.
Alice Schwarzer hat die Diskurse über Emanzipation gekapert und daraus ihr Ding gemacht. Dabei stand diese Auseinandersetzung ohnehin auf der Tagesordnung. Die beiden Kriege hatte bewiesen, wohin das alles führt, einfach nur in den Tod, ins Leid, in die Verzweiflung und lebenslange Traumata. Die meisten Kriegsheimkehrer hatten Dinge gesehen, die kein Mensch sehen sollte.
Aber auch die Gurus in den 70ern waren eine Plage, weil sie zwar Glaubenssätze verkündeten, aber keine Anleitung zum Selbstdenken gaben. — Opportunisten oder solche, die nur ihr Süppchen kochen wollten, haben es immer leichter als die, die alles selbst in Erfahrung bringen, sich selbst überzeugen und aus eigener Einsicht handeln wollen.
Alice Schwarzer hat allerdings nicht nur Männern geschadet, sondern vor allem den Frauen. “Was ziehe ich nur heute Abend zur Frauengruppe an”, das war ein starkes Problem seinerzeit. — Die Kontrolle und Observanz, der geringschätzige Blick auf den Toiletten, der mißbilligende Neid von Frauen untereinander, die bei aller Betulichkeit immer eher im Verdrängungswettbewerb untereinander stehen, wurde als Verhalten eben nicht überwunden. — Da lobe ich mir das Fairplay unter Männern, die ihre Auseinandersetzungen führen, so daß es gut ist. Und im Unterschied zur Rachsucht unter Frauen ist unter Männer vor allem eines völlig verpönt: Nachtreten.
Eingeübt wurde wieder nur weibliche Unterordnung, nunmehr beim Emanzipieren nach zertifizierter Schwarzer–Methode. Alles ist, bleibt und blieb also immer nur dasselbe. Wie schrecklich. — Aber das war mal wieder typisch.
Es kam nicht darauf an, wer man/frau ist, wie frau/man sich gerade fühlt und worauf es ankommt, sondern einzig auf Anpassung und Duckmäuschentum kam es an. — Und unsereins durfte als Mann natürlich nichts dazu sagen, von wegen Feind hört mit! Dagegen hatte der soeben erwachende Intellekt sich inzwischen schon ein paar Navigationsmittel zugelegt. Ich plaudere ja nur zu gern aus, was ich gefunden habe, das alles soll doch Menschen stark machen, so daß sie über sich hinauswachsen können.
Ich habe das entwaffnende Argument zum ersten Mal von einem Kollegen auf einer Tagung in Mannheim gehört. Es stammt von einem Soziologen, der namentlich nicht genannt werden will und wohl im Osten der Republik auf Brautschau gegangen war. Er hob ungefragt, wohl weil er ein Bedürfnis verspürte, durch sein Bekenntnis endlich Stellung zu beziehen, mit Verve hervor, daß die Frauen im Osten ganz anders wären, als die im Westen, denn diese wären doch eigentlich nur Zicken.
Sorry, da ist etwas dran! Viele Frauen haben bei ihrer Emanzipation bequemlichkeitshalber eine Abkürzung genommen und sich von Frau Schwarzer anleiten lassen. Aber es kommt noch besser: Ich muß gestehen, daß ich die berühmt–berüchtigte klammheimliche Freude nicht verhehlen kann, wenn ich inzwischen dieselbe Aussage vor allem von Frauen hören, die aus anderen Ländern stammen. — Übrigens, es müssen gar nicht gelernte Ossi–Frauen sein, das “vererbt” sich einfach so durch das gelebte Leben an die Töchter. Gut so!
Kunststück, bei ihren Müttern haben die Töchter im Westen immer dieses Hin und Her des Lamentierens erlebt. Dieser andauernde Kampf für und gegen die Männer und dann der Dauerfrust. — Frau will viel, kann sich aber nicht überwinden, endlich auch mal damit anzufangen.
Und alles liegt an den Männern, die den Frauen dann ersatzhalber das Atelier finanzieren, damit sie wenigstens auf Kunst machen können. Aber glücklich wird das alles nicht. — Diesen Keil hat Alice Schwarzer in die Seelen heterosexueller Frauen getrieben, zwischen Frauen und Männer, vor allem aber mitten durch das Weibliche hindurch.
Es gab einige Kritikerinnen, die weggebissen und gecancelt wurden, der Großteil aller ist aber der falschen Prophetin aus Köln gefolgt. Jede Fernsehdiskussion wurde zur Abrechnung. Dabei steckt im Hintergrund eigentlich nur ein geistiges HinterweltlerInnentum. — Auch, wie sie im Verfahren gegen Jörg Kachelmann ausgerechnet für die Bildzeitung das Urteil schon längst gesprochen hatte, als diese unsägliche Geschichte der Rache aus Liebe und Eifersucht ans Licht kam.
Hohes Gericht der Diskurse!
Ich beantrage, daß zum ‘pädagogischen Eros’ noch ein ‘psychologischer Eros’ hinzukommen soll, nämlich einer, der den Leuten ihre Würde läßt, so daß sie wieder aufstehen können. — Was soll all dieser Haß, die Rechthaberei und der dumme Biologismus, mit dem Alice Schwarze in der Geschlechterfrage schon seit Jahrzehnten einen Unfrieden stiftet, der ihr als Geschäftsgrundlage dient.
Wann wird sie endlich Genugtuung finden? — Aber sollte man sie denn als Rachegöttin überhaupt ernst nehmen? Mit den Göttern verhält es sich nämlich wie mit dem bekannten Werbespruch: Die tun was!
Wieviel Opfer verlangt sie noch? Sie ist und bleibt erwartbar untröstlich. Würde sie wirklich übergreifende Interessen im Kosmos vertreten, so wie Götter es tun, die eben nicht eher ruhen, bis Ausgleich geschaffen worden ist, man könnte es nachvollziehen. Sie betreibt aber nur ihr Ding nach Gutsherrinnenart.
Das, genau das wäre eine Frage für den psychologischen Eros. Er soll bitte sagen, ob dieses rostige Kriegsbeil nicht langsam zur Manie geworden ist. — Wenn nur nicht so viele Frauen ihr Leben und ihr Glück darauf verwettet hätten.
Es ist wie bei den Erinnyen. Das sind Plagegeister, die im selben Augenblick entstehen, wenn Kronos, der jüngste Sohn der Erdgöttin Gaia in der Geschichte der Großgötter, auf Geheiß seiner Mutter den eigenen Vater mit einer Sichel entmannt. — Sobald die Sichel ihre meuchelnde Tat vollführt, spritzt ein Teil des göttlichen Samens ins Meer, woraus Aphrodite, die ‘Schaumgeborene’ entsteht.
Aber aus dem Blut, das auf Land fällt, entstehen Plagegeister.
Nun stellt sich immer die Frage in solchen überzeitlichen Angelegenheiten, warum, wann und ob überhaupt sich so etwas wieder beruhigen könnte. Immerhin ist es eine Tat von kosmischem Ausmaß. — Es ist die Frage, was Frau Schwarzer wirklich bewegt. Ist es Vergeltung, ist es Ausgleich, der Wunsch nach Wiedergutmachung oder die Herstellung von Harmonie, auf die sie sich wohl nicht wirklich versteht? Oder hat sie nicht einfach nur den ruinösen Geschlechterkampf zum Geschäftsmodell ihres Lebens gemacht?
Ich denke an einen meiner wichtigsten Philosophie–Lehrer an der Uni in Münster, dem ich viel zu verdanken habe, weil er im Zuge seiner “Philosophie der Beschreibung” den Perspektivismus zur Methode erhoben hat. Das habe ich übernommen. — Ich will alle Perspektiven würdigen, denn alle sind gleich weit zu Gott. Daher zählen für mich auch immer Positionen, die nicht meine sind. Ich will, daß sie alle eine faire Chancen haben, sich vertreten und durchsetzen zu können. Möge die bessere Theorie gewinnen!
Aber wie sagte doch dieser Philosoph immer wieder, weil er die Welt schlußendlich offenbar nicht mehr verstand: “Ja, da gibt es jetzt so eine neue Zeitschrift, die Emma.” — Es hat nie jemand darauf geantwortet, ich auch nicht. Heute würde ich es können und ich würde das Wort ergreifen, ganz gewiß.
Ich danke Friedrich Kaulbach, der wohl nicht gewußt hat, daß er einer meiner wichtigsten Lehrer wurde. Diese Glosse ist ihm gewidmet.
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Wohl beraten sein
Über das Regieren seiner selbst
Eigentlich sind wir ja alle Könige und Königinnen. Manche sind Diktatoren, andere Despoten und nicht wenige sind die Repräsentanten von “failed states”.
Wenn in der griechischen Philosophie von “sophrosyne” gesprochen wird, dann geht es um “Wohlberatensein”. Also gut, man ist jetzt König oder Königin, kann ziemlich viel befehlen und muß nicht wirklich diskutieren. – Dabei bin ich mir nicht ganz sicher, ob dieser Vorzug, nicht mal mehr mit sich reden lassen zu müssen, weil man doch so hochwohlgeboren ist, wirklich zum Vorteil gereicht.
Gerade am Widersprüchlichen kann man doch die eigene Auffassung minutiös schärfen. Gerade an kleinen Unterschieden läßt sich genauer erkennen, worauf es denn nun wirklich ankommen sollte. – Aber nur die wenigsten verstehen sich darauf, mit solche Fülle an Möglichkeiten auch umgehen zu können.
Es träumen ja viele davon, ein guter Diktator zu sein, weil sie neben dem Wetter auch gern noch die Politik und vielleicht gleich die ganze Schöpfung ‘besser’ machen würden, wenn man sie nur mal ranließe, an die Hebel der Macht, die es in Wirklichkeit nicht gibt.
Wir sind nämlich spätestens seit Niklas Luhmann vorgewarnt: Sollte man in die hermetisch verschlossenen Kanzeln der Piloten, die wohl nicht von ungefähr dasselbe Wort haben, wie auch die Kollegen in den Kirchen. Sollte man es also tatsächlich fertig bringen, dort einzudringen, die Flugzeug-Kanzeln wären leer. Kein Pilot nirgends. Alles ist auf Autopilot.
Das hängt nun wiederum damit zusammen, daß schon seit Jahrmillionen gerade biologische Prozesse sich selbst steuern. Insbesondere auch das Wettrüsten zwischen Viren und Wirten. – Händisch ist da nicht viel zu machen, höchstens kollabieren lassen kann man das Ganze, sogar auf der Stelle.
Ich hatte mal einen Traum. Da war ich König oder so etwas. Jedenfalls hatte ich die Befehlsgewalt und sonst keiner. Also endlich konnte ich mal sagen, was Sache ist. – Und ich sagte also zu meinem ersten Minister, er möge “Frieden” schaffen und die Leute “glücklich” machen.
Ein lehrreicher Traum war das, weil ich ziemlich schnell hoch alarmiert aufgewacht bin. Alles war aus dem Ruder gelaufen. Der Unhold kam doch tatsächlich mit blutverschmierten Händen zurück!
Das ist, was man oder auch frau beim Königsein berücksichtigen sollte. – Befehlen ist viel zu einfach. Wohlberatensein, das wäre es. Aber wer berät die Berater und vor allem, wer rettet die Beratenen? – Also wann wäre man denn nun wirklich “wohl beraten”?
Das Problem mit den Beratern liegt darin, daß diese verkaufen wollen und müssen. – Alle verhinderten Könige und Königinnen mögen daher ersatzhalber an den letzten Arztbesuch denken, in dem es ja auch ‘nur’ um Beratung ging. – Und was hat man “gekauft”, wozu man sich hat “breitschlagen” lassen?
Hat man eigentlich verstanden, was der Weißkittel einem hatte weiß machen wollen? – Sorry: Warum hat man einer Behandlung zugestimmt, von der man gar nicht verstanden hat, was sie eigentlich mit einem macht?
Ach ja, das ist Vertrauen? – In wen oder was? Kann man Verantwortung abgeben? Wer hätte denn mit den Folgen zu leben?
Ich muß schon sagen, daß ich nie verstanden haben, daß Patienten vorgeblich wirklich glauben, daß sie nur einen ganz tiefen, höchst vertrauensvoll inszenierten Blick in die Augen ihres Arztes werfen müßten, und schon haben sie ihn für sich eingenommen. – Wie naiv ist das denn?
Ich bin heute im Seminar über die “Schönheit der Seele” durch eine Einflüsterung rettender Musen bei Windstille auf die rettende Idee gebracht worden, daß “Wohlberatensein” zustande gebracht wird, wenn wir uns mit allen Instanzen im “forum internum” regelmäßig zum Arbeitsfrühstück verabreden. Das wäre Wohlberatensein.
Warum besorgt man sich nicht als nächstes einen Termin beim eigenen Gewissen? Man könnte genauer abstimmen, was im eigenen Interesse wäre, daß das Gewissen in seiner ziemlich kleinkarierten Aufmerksamkeit bitte im Dienste der gemeinsamen Sache seine permanenten Sondierungen zur Anwendung bringt, um dafür zu sorgen, daß uns nichts wesentliches entgeht.
Ein weiteres ist heute aufgefallen: Offenbar gibt es eine Verbindung zwischen dem Selbstbewußtsein und dem Gewissen. – Wer sich selbst würdig verhält, kann, darf und wird auf eine dementsprechende Behandlung einen gewissen Anspruch geltend machen.
Mutmaßlicherweise haben wir in unserer krisengeschüttelten Gegenwart inzwischen einen Entwicklungsstand in der Psychogenese erreicht, von dem ab an es möglich, aber auch erforderlich geworden ist, Multiperspektivität an den Tag zu legen. – Das bedeutet, daß wir das EINE tun können, ohne das ANDERE lassen zu müssen. Wir können nicht nur, wie sollten sogar “widersprüchlich” agieren, ganz nach Art von Königen und Königinnen.
Während Kant noch “Einstimmigkeit mit sich selbst” einfordert, können wir es uns offenbar neuerdings sogar leisten, mit wechselnden Mehrheiten zu regieren. – Das wäre ohnehin das Beste: Eine Gesellschaft, in der solange diskutiert wird, bis eine Partei aufgibt und geht, weil ihr nichts mehr einfällt, der eigenen Auffassung weiterhin Auftrieb zu verschaffen.
Das soll bei den Indianern im Ältestenrat der Fall gewesen sein. Darf man noch Indianer sagen? – Doch, weil es ein Ehrenwort voller Hochachtung ist für ganz besondere Menschen, denen Zugänge zu Welten zugetraut werden, die wichtiger sind als die unheiligen Botschaften aller Warenfetischisten, die uns neuerdings in den Hype um die Kryptowährungen einweihen wollen, als wäre das so etwas wie eine Initiation.
Laß es Liebe sein: Liebe zur Welt, zum Menschen, zur Natur und sogar zum Schicksal. – Es bleibt uns schlußendlich nur eines: Verstehen. Und das in Zeiten, die das Verstehen zur Sünde erklärt haben.
Liebe und Verstehen, war das nicht schon immer dasselbe?
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Ich weiß, daß ich nichts weiß
Über Urteilsvermögen im Umgang mit Nichtwissen
Wer kennt diese Selbstaussage nicht. – Aber wer hat wirklich verstanden, was sie bedeutet? Ja, die Sentenz stammt von Sokrates und die meisten machen es sich zu leicht, wenn sie annehmen, daß es Ausdruck seiner Bescheidenheit ist. Irrtum!
Sokrates ist ganz und gar nicht bescheiden, er will immer alles ganz genau wissen und geht dann bis an die Grenzen dessen, was überhaupt noch möglich ist. Nicht selten steht er dann da, wie einst Keith Jarrett bei einem Konzert in Hamburg. – Der Flow kam einfach nicht und man kann ja nun die Götter nicht zwingen, wenn sie offenkundig ganz woanders was besseres zu tun haben.
Also hat er sich redlich bemüht, ist dann aufgestanden und hat sich direkt ans Publikum gewandt mit der Frage: “Ist hier ein Pianist, der das Konzert fortsetzen kann?”
In solchen Situationen neigen die meisten Zeitgenossen dazu, ins Glauben zu springen. Man gibt die Steuerung aus der Hand und schaltet das Denken auf Autopilot. Aber in Wahrheit weiß man doch gar nicht, wo es hingehen soll. Und beurteilen, was man denn nun annehmen oder gar glauben sollte, können die wenigsten, weil es ihnen an Urteilsfähigkeit fehlt.
Willkürliche Motive, die mit der Sache selbst kaum etwas zu tun haben, spielen dann immer herein. Aber der eigentliche Grund für dieses Einknicken vor den Risiken der Seefahrt im Denken liegt woanders: Man kann das eigene Denken nicht in der Schwebe halten!
Und dann wird der Mainstream bemüht, man schließt sich irgendeiner herrschenden Meinung an, die zuvor von den Alphatieren unter den Meinungsmachern bei Twitter ausgekaspert worden ist. Dankbar wird das dann von karrierebeflissenen Nachwuchskräften aufgegriffen und exekutiert. Alle, die jetzt noch anders denken, sollen entweder schweigen oder sie werden exkommuniziert. – Wo kämen wir hin mit der herrschenden Meinung, wenn jeder selbst denken wollte?
Die wenigsten Zeitgenossen sind willens und in der Lage, die eigenen Gedanken in der Schwebe zu halten, um dann auch noch sanktioniert zu werden von Besserwissern und vor allem von Bessermenschen. – Und dennoch hat sich da eine neue Identität herausgebildet, es ist die derer, die dem Druck beachtlicherweise standgehalten haben. Es sind die, die sich haben verunglimpfen lassen, die sich tagtäglich haben “freitesten” lassen müssen, um noch ihrer Arbeit und ihren Verpflichtungen nachgehen zu können.
“Zeit der Abrechnung”, das klingt wie der Titel für einen schlechten Western. Wobei ich allerdings zugestehen muß, daß mir ein wenig danach ist, Abrechnung. – Die Doppelmoral, sich einerseits zu verbiegen, weil man doch schon zeitlebens ein Häkchen hatte werden wollen, um dann doppelt zu kassieren, ist geradezu skandalös. Einerseits war man ja so etwas von vorbildlich des “kleinen Piksens” wegen und andererseits wurde man auch noch belohnt, durfte wieder ins Restaurant und in den Urlaub fliegen, während Sonderlinge wie ich nicht einmal mehr in den Baumarkt gehen durften, um sich wenigstens etwas zum Basteln zu holen.
Ja, ich möchte Vergangenheitsbewältigung, bevor ich überhaupt wieder bereit bin, mich mit denen zu verständigen, die aus ihrem Herzen eine Mördergrube gemacht haben.
Ich will mir jetzt von den Impfvordränglern nicht auch noch erklären lassen, daß ich nicht nur Impfskeptiker bin, sondern auch noch Putinversteher, wenn ich auf die Verantwortung des Westens unter der egomanischen Führung der USA hinzuweisen nicht müde werde. – Die rhetorischen Figuren sind dieselben, man ist dann ein Leugner, der angeblich ausgegrenzt gehört. In den Augen der Überangepaßten ist Verstehen nunmehr zur Sünde geworden.
Ich habe frühzeitig öffentlich davor gewarnt, daß sich die Erwachsenen in ihrer panischen Angst nicht auch an Kindern, Jugendlichen und an alten und sterbenden Menschen vergreifen dürfen. Aber die Angst hat viele ermächtigt, gewissermaßen über Leichen zu gehen. – Und jetzt will es wieder mal keiner gewesen sein. Die Vertreter der Ethik-Kommission, die Bundesverfassungsrichter und die Riege der Scharfmacher und Haßprediger zucken einfach nur mit den Schultern und möchten nicht mehr daran erinnert werden. Shit happens?
Sorry, als es mir zu dumm wurde, habe ich seinerzeit schon zwischen Nichtdenkern und Selbstdenkern unterschieden. Und nicht selten ging es mir in der Corona-Zeit, hinter den Gitterstäben des Lockdown-Syndroms, wie dem Panther von Rilke und wie Keith Jarrett im mißlungenen Konzert von Hamburg.
Über dem Eingang zur Akademie von Platon in Athen soll der Spruch gestanden haben, es möge niemand eintreten, der nichts von Mathematik verstünde, was damals eher eine durchaus anschauliche Geometrie war. – Mein Prinzip habe ich bei Hans Blumenberg gefunden, der davon sprach, daß man den Augenhintergrund spiegeln sollte, um zu sehen, worauf andere wirklich Wert legen.
Es ist ja nun nicht so, daß nicht ein und derselbe Gedanke immer wieder, in allen erdenklichen Darreichungsformen geboten worden ist. Hier etwa bei Frankie Goes to Hollywood:
“Relax, don′t do it
When you wanna go do it
Relax, don’t do it
When you wanna come”In meinen Seminaren fordere ich dazu auf, auch steile Thesen zu vertreten. Die Kunst liegt schließlich darin, möglichst genau in Erfahrung zu bringen, wann eine Theorie kollabiert. Nicht wenige brechen bereits an ihrem eigenen Gewicht in sich zusammen, man muß sie nicht einmal schief anschauen.
Dann gibt es welche, die unter Belastung erstaunlich lange halten, worauf ich dann aber den Meistertest mache, ob eine hochmögende Auffassung auch in der Lage ist, sich selbst zu ertragen. – Eine gute Theorie sollte fähig sein, “neben sich” auch noch ganz andere, womöglich konkurrierende Auffassung tolerieren und mit ins Gespräch ziehen zu können.
Wenn eine Theorie die das nicht kann, weil deren Vertreter zumeist derart überzeugt sind von ihrer “Alternativlosigkeit”, dann disqualifizieren sie sich selbst, denn das ist unphilosophisch und nicht selten auch unmoralisch. – Sokrates war gerade nicht bescheiden, ganz im Gegenteil. Die anderen, haben ihn zum Tode verurteilt, weil sie das Philosophieren nicht mehr ertrugen, weil sie nicht weiterhin bei ihren Dummheiten öffentlich überführt werden mochten.
Sokrates glaubt den Priestern des Orakels nicht, weil er es doch besser von sich weiß, weil er weiß, daß er nichts weiß. – Darauf beginnt er seine Kampagne, mit der er sich in den Augen der Honoratioren unmöglich macht, wenn er sie der Reihe nach alle vorführt. – Ich habe schon oft darüber nachgedacht, ob es nicht auch ein geschicktes Manöver der Priester von Delphi gewesen sein könnte, dafür zu sorgen, daß Sokrates sich selbst unmöglich zu machen beginnt.
Ich stelle mir vor, wie Sokrates in seiner ganzen Barfüßigkeit an einer Seite die Agora betritt und auf der anderen Seite die gefühlt Wissenden fluchtartig das Weite suchen. Wer nicht schnell genug ist, wird sich einem Gespräch stellen müssen, das eigentlich nicht dazu dient, den anderen nur vorzuführen, denn das machen die Besserwisser schon selbst.
Ihr Fehler ist kardinal, sie meinen, daß man dieses und jenes wirklich so verbindlich und eindeutig wissen könne, so daß man richten kann über andere, die eben nicht “richtig” denken. – Genau diese hochmögenden Zeitgenossen werden jetzt aber vorgeführt, indem ihnen die Gelegenheit gegeben wird, sich selbst vorzuführen.
Aber es geht dabei keineswegs um eine Kampf, wie so viele noch immer meinen. Als wäre Philosophie so etwas wie eine Lust am Scharmützel, wobei es darauf ankäme, andere derart in Verlegenheit zu bringen, so daß sie “nichts mehr sagen können”. – Ein wirklicher philosophischer Dialog hat dagegen immer etwas Konsensuelles. Man spricht gemeinsam etwas an und entwickelt dann auch gemeinsam weitergehendes Denken.
Dabei wird es aber immer komplexer, weil wir ganz allmählich gemeinsam immer mehr sehen und “einsehen”, was auch auf irgendeine Weise relevant sein dürfte. – Genau das aber halten die wenigsten aus. Sie glauben ernsthaft, am Ende käme immer nur die einzige, unteilbare, wissenschaftlich-wissenschaftliche Wahrheit über die wirklich wirkliche Wirklichkeit dabei heraus. Und alle hätten sich nun dieser einzigen Wahrheit wie beim Götzendienst zu unterwerfen.
Gerade diese Zeitgenossen haben sich gehen lassen während der bleiernen Zeit. Man konnte mal wieder so richtig einer einzig richtigen Auffassung sein und endlich auch mal wieder den Blockwart geben. Ich habe mich gern von manchen Menschen getrennt in dieser Zeit, weil ich gesehen habe, daß sie mir auch bisher eigentlich immer nur meine Denkzeit gestohlen und die Musen vergrault haben.
Die ganz große Feigheit kam bei denen hinzu, die sich in die Schweigespirale zurückgezogen haben, und rein gar nichts mehr kund getan haben. Sie haben ihr Süppchen im Stillen gekocht. – Aber auch sie sind mit verantwortlich für de Irrsinn, in den sich ein Großteil der Gesellschaft vor allem in Deutschland hat von einer Presse treiben lassen, die sich plötzlich wie die Heilige Inquisition aufgeführt hat. – Ja, und jetzt kommt die Abrechnung, wenn die unseligen Unsäglichkeiten aus den Protokollen der Pantherzeit wieder zum Besten gegeben werden. Im Nachhinein klingt das alles noch schauderhafter, so daß man sich fragen möchte, wie sehr wollen eigentlich die, die sich da so haben gehen lassen, mit ihrem Schamempfinden klar kommen?
Sie haben sich verführen, in ihrer eingebildeten Gewißheit zu wissen, was sie nicht wissen können, und das alles mit gefährlichem Halbwissen. Mit Entsetzen denke ich an die vielen unbeholfenen Gespräche über naturwissenschaftliche Zusammenhänge zurück, die einfach nur heillos verliefen.
Ja, es ist so. Wir wissen nichts! – Das hat der griesgrämige Herbert Wehner in dem berühmten Fernsehinterview mit Hans Dieter Lueg mit aggressiver Hochpotenz unbezweifelbar klar gestellt. – Übrigens ist es köstlich, wie sich beide beharken und Wehner sein Gegenüber als “Herr Lüg” tituliert, worauf dieser, gar nicht verlegen mit “Herr Wöhner” kontert.
Ungefähr so stelle ich mir eine philosophische Performance des Philosophen unter den Philosophen vor, wie er, gefolgt von einer Entourage hochwohlgeborener Jünger den Honoratioren wieder einmal eine Abfuhr nach der anderen erteilte und die Jünglinge darüber in wieherndes Gelächter ausbrachen. Nichts ist schlimmer als die eingebildete Weisheit, daher habe ich auch kein Mitleid, denn die Vertreter des Nichtselbstdenkens haben sich den Spott redlich verdient.
Und nein, wir stehen keineswegs nackt da, sondern ganz im Gegenteil. Es wird sogar immer bunter, sobald das Denken ins Schweben kommt, weil sich immer mehr gute Geister einstellen, denn wo einer ist, kommen bald schon andere hinzu. – Das geschieht aber nur, wenn gar nicht mehr irgendein Anspruch erhoben wird, irgendetwas jetzt aber nun ernsthaft und unbezweifelbar mit Gewißheit wissen zu können und zwar so, daß sich andere gefälligst daran zu halten haben.
Worauf es beim Umgang mit Nichtwissen ankommt? – Wir verfügen hoffentlich über eine Urteilskraft, die sich auf das Schweben versteht. Und dieses Urteilsvermögen ist für Situationen zuständig, in denen wir einfach nicht genug wissen können.
Philosophie ist daher auch nicht einfach nur eine Tätigkeit, es geht auch nicht nur um Techniken des Denkens, Schlußfolgerns und Beweisens. Es geht vielmehr um eine Lebenshaltung, die allerdings auch eingeübt werden kann.
Wenn Dialoge und Diskurse sich in unserer einfältigen Zeit und unter Absehung der vielen Eindimensionalitäten endlich einmal lösen von der Gedankenschwere ihrer Blindheit und riskieren, mit dem Schweben zu beginnen, dann ist es der Ausdruck von Selbstbewußtsein.
Man muß es sich eben auch leisten können, vielen Gedanken ihre Chancen zukommen zu lassen. Dann ist Schluß mit diesem grimmigen Rechthabenwollen, wenn endlich die Einstimmung in die philosophische Grundhaltung aufkommt, um bereitwillig Platz zu machen für den Auftritt aller erdenklicher Gedanken, Gefühle und Geister, von denen einer bemerkenswerter als der andere ist.
Wenn dem so ist, dann kann Geist aufkommen. Aber dieser macht das nur in Ausnahmesituationen, weil er ansonsten weit besseres zu tun hat. – Wenn wir uns aber diese Freiheiten herausnehmen im Gespräch, dann kommt auf, was in den alten Schriften als “Lachen der Weisen” dargestellt wird.
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Über Wildheit und Schönheit
Ariadne reitet den Panther des Dionysos
Märchen, Mythen und Metaphern sind so etwas wie Algorithmen. Es ist daher nicht nur interessant, sondern hilfreich, sich je nach Fragestellung stets eingehender mit den einschlägig bekannten mythischen Figuren zu befassen.
So läßt sich genauer nachvollziehen, was im Zuge der Kulturgeschichte an Erfahrungen in die Mythen ›hineingeschrieben‹ worden ist, denn das läßt sich auch wieder ›herauslesen‹. — Darin liegt der eigentliche Hintersinn von Mythologie, es geht nämlich um mehr als erbauliche Geschichten.
Der Eingang ins Verstehen läßt sich finden, indem wir unter den vielen Mythen diejenigen auswählen, die vielversprechend erscheinen, weil ähnliche Probleme verhandelt werden. — Das ›passende‹ Narrativ einer mythischen Begebenheit wird dann ›übertragen‹ auf unseren Sachverhalt, über den wir die überzeitlichen Erfahrungen aufschließen sollten.
In diesem Fall scheint Ariadne hilfreich zu sein, weil sie sich generell mit Labyrinthen auskennt. Die Prinzessin von Kreta war Theseus dabei behilflich, sich im eigens für den stierköpfigen Minotaurus geschaffenen Labyrinth zu orientieren. Daß es sich beim Ariadnefaden aber um ein banales Wollknäuel gehandelt haben soll, ist nicht wirklich überzeugend. — Selbstverständlich steht es uns frei, im Zweifelsfall unzufrieden zu sein mit dem, was uns die kindsgerechten Lesarten bieten.
Die Mythen sind von einer Kultur auf die nächste übergegangen, so daß wir über viele Möglichkeiten verfügen, in den Feinheiten zwischen den Varianten genauer zu lesen, um den darin verborgenen Sinn herauszulesen: Ariadne ist Schülerin der Circe, die wiederum auf die Isis zurück geht, einer überaus mächtigen ägyptischen Göttin der Zauberkunst.
Wie Medea ist auch Ariadne bestens mit dem Zaubern vertraut, die Wege blockieren aber auch öffnen können. Dabei wird das Labyrinth bald zum Symbol für den Lebensweg, der oft in ausweglose Lagen führt aber nicht wieder heraus. — Die eigentliche Bedeutung von Ariadne liegt also darin, Orientierung zu bieten, gerade auch in Konstellationen, die etwas von einem Labyrinth haben.
Der Zauber, mit dem Ariadne ganze Labyrinthe zu bewältigen hilft, liegt jedoch rätselhafterweise im Geheimnis von Schönheit. — Das Prinzip lautet: Bezähmung der Wildheit durch die Schönheit.
Auf diese geheimnisvolle Formel kommt der württembergische Bildhauer Johann Heinrich von Dannecker aufgrund seiner Studienreise nach Rom. Damit bringt er seine Inspiration auf den Begriff. — Der Geist seiner vorzeiten überaus populär gewordenen Skulptur: Ariadne auf dem Panther, entbirgt eine philosophische Spekulation von ganz besonderer Bedeutung.
Der Panther ist das Wappentier für den Wein– und Rauschgott Dionysos, der im übrigen nicht nur der Vorläufer von Jesus Christus in vielen Aspekten seiner Symbolik ist, sondern der dabei auch noch tiefer blicken läßt in seine bipolare Psyche.
Dieser Gott der Ekstase hat selbst eine überaus komplizierte Vergangenheit, und die macht ihn zum Borderliner. Sobald er auch nur den geringsten Verdacht verspürt, er könnte eventuell auch nur schief angeschaut worden sein, greift er zu drakonischen, unerbittlichen und scheußlichen Racheakten, die völlig unverhältnismäßig sind.
Da wird dann das, was diese Skulptur zu sagen versteht, zur frohen Botschaft über die Potentiale einer notwendigen heiligen Handlung: Ariadne bewältigt das Wilde, Rohe und Unmenschliche solcher Rachsucht durch Schönheit! Dieser Gedanke ist vor allem philosophisch von derartiger Brisanz, so daß ich sagen würde, versuchen wir es doch! Immerhin hat sich bereits Hannah Arendt an diesem Projekt nicht ganz vergeblich versucht, eine Politische Theorie auf der Grundlage der Ästhetischen Urteilskraft zu entwickeln. — Wir sollten endlich wieder nach den Sternen greifen
Es gibt inzwischen hinreichende Anhaltspunkte für die Annahme, daß die Vernunft als Meisterin der Multiperspektivität mit Ästhetik vorgeht, wenn es gilt, in irgendeiner Angelegenheit ›das Ganze‹ zu verstehen. Erst dann kommen Dialoge und Diskurse wirklich zur Entfaltung, wenn alle, die nur Recht haben wollen, endlich ergriffen werden und sich zu fassen versuchen.
Es kann nämlich in der Ästhetischen Urteilskraft gar nicht mehr ums Rechthaben gehen. — Wir können nur noch an den Anderen appellieren, er möge doch auch so wie wir, etwas Bestimmtes so empfinden wie wir, um dann auf die tieferen Beweggründe zu sprechen zu kommen, die sich einstellen, wenn man es versteht, sich endlich für Höheres zu öffnen.
Im Mittelalter wurde die Höfische Gesellschaft auf ähnliche Weise geschaffen, als man die rauhbeinigen Warlords von Raubrittern auf ihren zugigen Burgen abbringen wollte, von ihrem lukrativen Tun und Treiben, nach eigenem Gesetz auf Beutezug zu gehen. — Sie wurden nachhaltig ›gezähmt‹ im Minnesang, also durch Schönheit. Für ihre Dame opferten sie ihre Wildheit, ihre Ungestümtheit und wohl auch einen nicht unbeträchtlichen Teil einer Männlichkeit, die inzwischen manchen Frauen bei Männern fehlt.
Es kommt darauf an, die Multiperspektivität mit allen ihren Zumutungen und Herausforderung zu würdigen in einer Welt, die immer mehr zum Amoklaufen neigt. — Irgendwas muß den ständig drohenden Irrsinn im Zaum halten. Und genau das macht sie, die Göttin der ästhetischen Urteilskraft: Ariadne.
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Soziale Kompetenzen und geistige Inkompetenzen
Fairneß als Zeichen von Größe
Es gibt soziale Kompetenzen, die weit wichtiger sind als eine in sich selbst verliebte Konkurrenzgesellschaft, die doch nur am Ast sägt, auf dem sie sitzt. — Das wurde am Freitag deutlich, im Seminar für angehende Lehrer und Lehrerinnen, in dem es um Professionalität und Berufsethik geht.
Man mag es kaum mehr glauben, aber Kinder bringen ein Gefühl für Gerechtigkeit gleich mit auf die Welt. Sie kämpfen sogar dafür, wissen aber vielleicht noch nicht genau, wie man solche Werte lebt ohne als dumm hingestellt zu werden.
Hört man Vorschulkindern beim gemeinsamen Spielen zu, dann verhandeln sie die Regeln fast ebenso lange, wie tatsächlich auch gespielt wird. Und der Satz: „Das gildet nicht!“, klingt mir noch immer in den Ohren. — Wie so oft hat Jean Jacques Rousseau mal wieder Recht: Die Natur des Menschen ist und bleibt gut, solange die Gesellschaft keinen schlechten Einfluß ausübt.
Gerade im Gerede über die vermeintliche Natur des Menschen glauben viele ohne die geringste Ahnung von Anthropologie, ihre beschränkte Sicht der Dinge und vor allem ihre Ressentiments unwidersprochen verallgemeinern zu dürfen.
Wolfsmärchen
Man glaubt es aus eigener Anschauung besser zu wissen. Wir leben angeblich in einer Konkurrenz- und Leistungsgesellschaft, im Kampf aller gegen alle, auf der freien Wildbahn, inmitten hochzivilisierter Welten, die von vorn bis hinten menschengemacht sind. — Also was soll die Berufung auf die angebliche „Natur des Menschen“?
Tatsächlich haben wir alle erdenklichen Freiheiten, uns nach eigenen Vorstellungen zu „kultivieren“ in unserer Natur, als Person und vor allem in unserem Charakter. Aber genau diese Freiheit ist vielen suspekt.
Dagegen dient die Berufung auf eine angeblich schlechte Natur des Menschen der Rechtfertigung, den Einzelnen die ihnen zustehenden Freiheiten in der Selbstfindung vorzuenthalten und zugleich so etwas wie „Menschenführung“ zu beanspruchen, mit der sich die Herrschaften zu allen Zeiten immer sehr gut legitimieren haben. — Entmündigung und Bevormundung sind daher noch immer auch in angeblich „freien“ Gesellschaften die Regel.
Die Corona-Zeit hat überdeutlich gemacht, wie begrenzt die Haltbarkeit der angeblich garantierten Grundrechte eigentlich ist. Aus purer Angst haben viele ihre unveräußerlichen Grundrechte gegen vermeintliche Sicherheiten getauscht. Aber so etwas war schon immer ein schlechter Tausch.
Der von Kant geforderte Mut, sich des eigenen Verstandes zu bedienen, ist eben kein Kinderspiel. Angst war schon immer der schlechteste aller Ratgeber, Haß und Hetze waren noch nie ein Ausdruck guter Politik. Aber manche sind das Opfer eigener Ängste und greifen händeringend nach allem, was angeblich Halt verspricht. Es war manchmal wie bei einer Massenpanik, bei der manche einfach totgetrampelt wurden.
Souveränität, Gelassenheit und Autonomie haben Seltenheitswert, wo alles über einen Leisten geschlagen wird.
Fairneß
Ausgerechnet im Leistungssport, bei dem es ja angeblich immer nur ums Gewinnen geht, also inmitten der Ellenbogengesellschaft, gibt es aber noch ganz andere Werte: Fairneß, Gerechtigkeit und Authentizität sind Zeichen wahrhafter Größe. Nur muß man sich so etwas leisten wollen und auch können.
Wenn etwa bei der Tour de France alle Fahrer auf einen Konkurrenten warten, der zuvor unglücklich gestürzt war. Aus Gründen der Fairneß zügeln alle plötzlich den unbedingten Willen zum Sieg. Wenn sie dann mit beeindruckenden Gesten darauf warten, daß einer von ihnen aus höheren Gründen als erster ins Ziel fahren kann, dann zeigt sich, was menschliche Größe ausmacht. — Wenn eine Skiläuferin der Konkurrentin mitten im Rennen ihren Stock “ausleiht”, dann aber selbst stürzen und sogar verlieren muß. Auch wenn jener Fußballer, der im Strafraum gestürzt aber keineswegs zu Fall gebracht worden ist, beim Schiedsrichter gegen den bereits gegebenen Elfmeter plädiert, dann haben wir gute Beispiele, die der dumpfen Ideologie unserer angeblich so herz– und geistlosen Konkurrenzgesellschaft haushoch überlegen sind.
Wie lautet doch der dreiste Spruch einer der dümmsten Werbekampagnen aller Zeiten: „Ich bin doch nicht blöd!“ — Genau: Gelegenheit macht Diebe und wer etwas stehlen kann und es nicht tut, ist doch einfach nur blöd. Wer sich einen betrügerischen Vorteil verschaffen kann, wäre doch blöd, es nicht zu tun, oder?
Die Seele des schlechten Gewissens
Alle viel zu dürftig denkenden Schlaumeier vergessen dabei jedoch eines: Wir sind nie allein. Wir haben immer einen Zeugen dabei, nämlich uns selbst. Es ist das schlechte Gewissen und hinter alledem steht die eigene Seele.
Davon ist seit geraumer Zeit immer weniger die Rede: Unsere Seele weiß offenbar sehr genau, was wirklich gut ist für andere und auch für uns selbst. — Ich vermute inzwischen, daß manche Depression von einem schlechten Gewissen herrühren dürfte, die von einer in die Ecke gestellten Seele ausgehen.
Nicht von ungefähr wird dieser Tage der Unterschied zwischen Psyche und Seele immer wichtiger. Denn die Psyche ist offenbar inzwischen selbst zum Teil des Problems geworden. Sie stellt sich nur zu gern als Opfer hin, ist oft aber auch Täter an sich selbst, und dabei wirbt sie wie die Politiker für ihre viel zu einfältigen Machenschaften. — Tatsächlich sind die eigentlichen Motive oft nur von dieser Welt, wenn man an Narzißmus, Geltungssucht, Selbstverliebtheit, Voreingenommenheit, Rachsucht, Haß, Neid und Eitelkeit denkt.
Aber fragen wir generell: Warum „gut“ sein wollen und vor allem wozu? — Nur aus Angst vor Strafe, wenn man erwischt würde, oder vielmehr aus eigenem Antrieb, also von innen her, aus eigener Motivation, weil wir uns eben die Freiheit zur Größe tatsächlich herausnehmen und auch leisten wollen.
Würde den Belangen der Seele mehr Raum verschafft, die Weiterentwicklung der eigenen Person, der ganzen Welt, ja sogar der ganzen Menschheit würde bemerkenswerte Entwicklungen machen bis hin zu einer sehr viel menschlicheren Welt. — Aber viele glauben, mit dunklen Machenschaften, Rücksichtslosigkeiten, ja sogar mit Lug und Betrug sehr viel besser durchzukommen. Fragt sich nur wozu und wohin sie “durchkommen” wollen.
Ein Zauberring, der unsichtbar macht
Bei Platon wird dieses Problem näher erläutert anhand eines Motivs von einem magischen Ring mit der Fähigkeit, den Träger unsichtbar zu machen. Der Mythos vom Ring des Gyges geht auf eine antike Erzählung zurück, die in vielen Varianten durchgespielt worden ist. — Die Kernfrage aber lautet immer: Was würde man tun, wenn man diesen Ring hätte und dann ungestraft tun könnte, was und wie es einem beliebt.
Im Dialog bei Platon wird mit der Allegorie vom Zauberring erörtert, was in Pädagogik und Psychologie als „intrinsische Motivation“ bezeichnet wird. — Wer sich nämlich unsichtbar machen kann, der wäre schlicht unangreifbar und daher übermächtig.
Die Frage liegt also auf der Hand: Wenn einem gar nichts passieren kann, egal was man tut; warum sollte man dann noch moralisch motiviert sein?
Schön und lehrreich ist es immer, so etwas durchzuspielen, um in Erfahrung zu bringen, was dann wirklich geschieht, wenn man es täte. Die Aussichten auf den vermeintlichen Erfolg finsterer Machenschaften werden tatsächlich alsbald getrübt, wenn wir die Folgen näher in Augenschein nehmen. — Menschen haben nämlich nicht wirklich echte Freude am Erschwindelten. Genauer besehen zählt es nicht nur nicht, es fällt sogar alles zurück auf die, die es versucht haben, auf diese Weise einen Erfolg einzuheimsen, der gar keiner war.
Gerade gegen diesen Impuls, sich solche Freiheiten zum Lügen und Betrügen herauszunehmen, gibt es wieder sehr schöne Gegenbeispiele. Tatsächlich ist uns nämlich an echter, wohlverdienter Anerkennung gelegen und alles andere zählt nicht wirklich.
Da gibt es beispielsweise die Ballade von einem mächtigen Mann, der eine junge Frau begehrt, die ihm aber nicht zugetan ist. In seiner Liebesnot verlegt sich dieser seltsame Vogel auf einen Seelenzauber, um die Dame seines Herzens doch noch dazu zu bewegen, ihm gewogen zu sein und der Zauber verfängt. — Aber er hat die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Er kann einfach nicht glücklich werden mit dieser gestohlenen Liebe, weil sie ja nicht „echt“ ist.
Oder wenn etwa der vermögende Intimfreund einer aufstrebenden Künstlerin dieser einen ganz großen Gefallen tun will, indem er die von ihr geschaffenen, bisher nicht sonderlich gut verkauften Kunstwerke einfach seinerseits erwirbt. Er hat ja schließlich Geld genug und kann es sich leisten. — Was wird aber geschehen, sobald sie dahinterkommt, daß er es war, der alles aufgekauft hat? Käme sie sich dann nicht reichlich blöd vor?
Man sieht, solche Rechnungen gehen einfach nicht auf. Wenn etwas nicht echt ist, dann kann und darf es gar nicht zählen, das wissen bereits Kinder sehr früh. — Daher wollen wir entweder echte Anerkennung oder lieber gar keine. Im Zweifelsfall kann man das eigene Scheitern noch immer als Zeichen echter Größe zelebrieren. Man hat es eben ehrlich versucht, aber die Welt war noch nicht reif genug.
Wir legen also großen Wert darauf, sicher zu gehen, daß andere uns nicht einfach nur schmeicheln und etwas vormachen wollen. Und sogar Kinder, die erst noch das Auch–mal–Verlieren–Können lernen müssen, sind im Prinzip längst so weit, einsehen zu können, daß ein geschenkter Sieg nicht wirklich zählt. — Mit Augenzwinkern kann man ihnen tatsächlich bereits zu verstehen geben, daß man sie diesmal noch gewinnen läßt, weil sie sich noch allzu sehr ärgern über eine Niederlage im Spiel.
Wie es wäre, Donald Trump zu sein
Bei alledem denke ich immer mal wieder über den Charakter von Donald Trump nach, weil mir seine Unaufrichtigkeit und sein fortwährender Selbstbetrug nur schwer nachvollziehbar ist. Ich will verstehen, scheitere aber immer wieder an meinem Vorstellungsvermögen, wie es wohl vonstatten gehen könnte, derart von sich überzeugt zu sein, so daß man glaubt, sich selbst und andere auf Dauer belügen und betrügen zu können. — Und diese Gedanken drängten sich mir auch im Seminar über die “Fairneß im Sportunterricht” wieder auf.
Trump ist gewiß kein Sportsmann, dachte ich mir. Aber er spielt doch Golf, also müßte er doch irgendwie „fair“ sein, dachte ich mir dagegen auch wiederum.
Derweil kam mir die Szene aus dem Bond-Film „Goldfinger“ in den Sinn, wo ein Bond-Bösewicht auf ganz jämmerliche Weise beim Golf betrügt, weil die von Gerd Fröbe so hervorragend gespielte Figur einfach nicht verlieren und daher auch nicht fair sein kann. — Der ins Nirgendwo verschlagene Golfball wird vom finsteren Gehilfen einfach durch ein Loch in der Hosentasche an Ort und Stelle platziert, was natürlich von Bond durchschaut und auch aufgeklärt wird.
Um aber in der entscheidenden Frage weiterzukommen, habe ich einfach nach „Trump sportsman“ gegoogelt. — Gleich der zweite Fund ist eine Meldung aus dem Spiegel:
„So gewinnt er immer. Der US-Präsident Donald Trump hält sich für einen exzellenten Golfer. Tatsächlich schummelt er bei jeder Gelegenheit, sogar gegen prominente Mitspieler wie Tiger Woods.“ — Danke, mehr brauche ich nicht. Manchmal ist es mir schon wieder zu blöd, so einfach Recht zu haben.
Das erklärt aber nur, daß er so ist, wie zu befürchten war. Aber erklärt wird nicht, warum Trump so ist, wie er ist. — Also versuche ich mir zu erklären, wie man sich wohl fühlen muß, wenn die Seele als Geisel genommen worden ist und am Kopenhagen-Syndrom leidet, wo die Geiseln beim Feuergefecht mit der Polizei den Tätern die Waffen nachgeladen haben.
Um etwas zu verstehen, müssen wir es uns erst einmal vorstellbar und nachvollziehbar machen, aber dazu gehört sehr viel Einfühlungsvermögen. — Wenn es schon einen berühmten Aufsatz von Thomas Nagel gibt unter der Fragestellung: „Wie es ist, eine Fledermaus zu sein“, dann sollte es doch auch gelingen, sich vorstellen zu können, wie es wohl sein würde, Donald Trump zu sein, nicht auf Dauer, aber solange, bis man gesehen hat, wie Trump–Sein geht.
Als Hilfsargument nehme ich derweil ein „Faktum“ aus anderen Zeiten. Es wurde nämlich vorzeiten über Mercedes–Fahrer, ihre Karossen und ihr Verhalten im Straßenverkehr gesagt, daß bei diesen die Vorfahrt bereits eingebaut sei. — So jedenfalls versuche ich mir zu erklären, wie der Trumpismus als Betriebssystem und Massenbewegung wohl funktionieren könnte. In der non–binären Welt von Trump, seiner Anhängerschaft und denen, die an ihn und seine Mission glauben, ist er ja so etwas wie ein Messias.
Im Trump–Spiel kann es immer nur einen Gewinner geben. Demnach gibt es gar nicht die Möglichkeit, daß er auch mal verlieren könnte, denn so etwas ist im Schöpfungsplan einfach nicht vorgesehen! — Also kann eine Wahl, in der er verloren hat, einfach nur ein Fake sein, genauso wie die Fotos seiner Amtseinführung mit einem bemerkenswerter Neologismus gekontert wurden, bei dem man sich nicht genug die Augen reiben kann: Es gäbe neben der normalen Wirklichkeit noch so etwas wie „Alternative Fakten“, sagte seine seltsam anmutende Pressesprecherin damals.
Kritik der Esoterik
Allerdings bereitet es mir besondere Probleme, genauer nachzuvollziehen, warum es unter Esoterikern häufiger gerade solche Zeitgenossen gibt, die in Trump einen ganz großen, weisen, auserwählten, durchaus von den Göttern gesandten Erlöser sehen. — Ich muß gestehen, daß ich dann in meiner Gedankenarbeit regelmäßig an Belastungsgrenzen stoße, weil ich da einfach nicht mehr mitkomme. Dabei spiele ich ganz gern auch mit schrägen Gedanken.
In Kindertagen hatte ich unermüdliche Gedankenspiele mit Versuchen, mir etwas vorzustellen, was ich mir nicht vorstellen kann. Also wurde eine Vorstellung nach der anderen durchgewunken; sobald sie vorstellbar geworden war, wurde sie auch schon wieder abgelehnt… — So etwas erweitert den Horizont des Vorstellbaren ungemein und dennoch bleiben gewisse Grenzen der Phantasie.
Nicht ohne schadenfrohe Selbstironie sehe ich mir selbst beim Experimentieren mit den Gedankenwelten mancher dieser Esoteriker zu. Bald zeigen sich nämlich in meiner Weltvorstellung die ersten Risse, dann kommen Strukturbrüche hinzu und schon bald brechen ganzen Gedankengebäude krachend in sich zusammen, wenn ich ernsthaft versuche, alledem einen nachvollziehbaren Sinn einzuhauchen.
Da werden nicht nur die zu prüfenden Gedanken zu Crashtest-Dummies, schlußendlich kollabiert die ganze Versuchs-Anlage. — Es dauert übrigens etwa drei Tage, bis alles so einigermaßen wieder steht.
Trump, Sportsgeist, Fairneß, wahrhafte Größe, tatsächliche Würde, Konzilianz und vor allem Persönlichkeit, wie das alles zusammengehört? — Manchmal paßt es eben nicht wirklich und alles bricht unter der Last der Lügen in sich zusammen.
Für Gläubige ist so etwas aber nichts weiter als eine Prüfung in der Festigkeit des eigenen Glaubens. — Wie heißt es doch: Als sie ihr Scheitern bemerkten, da verdoppelten sie ihre Anstrengungen.
Allerdings ist dieser Tage nicht nur ein Zentralgestirn reaktionären Denkens im Sinkflug begriffen. So ergeht es manchen dieser Tage, die einfach zu hoch geflogen sind. — Man kann nicht Angst mit Haß bekämpfen, man sollte auch nicht die Seelenheilkunde in die Hände vermeintlicher Coaches legen, die auf den Marktplätzen im Internet wie Wunderheiler herumziehen.
Zur Fairneß, vor allem auch zu der, sich selbst gegenüber, braucht es Mut und Zuversicht. Aber so etwas fällt nicht vom Himmel. — Auf Bildung kommt es an, so viel Umweg muß sein.
Manche wollen aber Erleuchtung nach dem Motto: “I like Genuß sofort”, noch so eine saublöde Werbung vorzeiten. Und diesen Spruch haben sich viele auch noch aufs Auto geklebt. — Da mag es günstig erscheinen, gleich in den Glauben zu springen, als wäre es nur eine Mutprobe. Aber so etwas ist gar keine Leistung, sondern nur die Flucht vor der geistigen Freiheit.
Auf die Bildung der Persönlichkeit kommt es daher an. Wir sollten einigermaßen sicher gehen können, daß wir uns selbst und anderen nicht einfach nur etwas vormachen. – Das ist es doch gerade, was “Kritik” ausmacht. Wir sollten uns nicht selbst auf den Leim gehen, sondern uns selbst ganz besonders “kritisch” betrachten.
Als Kontrastmittel kann man dabei auf Philosophie, Kunst und Dichtung zurückgreifen:
„Wer Wissenschaft und Kunst besitzt,
Hat auch Religion;
Wer jene beiden nicht besitzt,
Der habe Religion.“
(Johann Wolfgang von Goethe: Gedichte. Nachlese. In: Berliner Ausgabe; Bd. 2, S. 383.)
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Elon Musk und der Algorithmus der Macht
Über die Konstruktion der herrschenden Meinung
Wer die Sprache beherrscht, kann Macht für sich beanspruchen, weil die Wirklichkeit damit konstruiert werden kann und damit auch die herrschende Meinung.
Elon Musk will angeblich den Algorithmus veröffentlichen, der „hinter“ Twitter steckt. Aber es sind hunderte und im übrigen bräuchte man dann auch das Material, mit dem diese Algorithmen “angelernt” worden sind.
Via Twitter verkünden die Alphas unter den Journalisten seit geraumer Weile, wo die herrschende Meinung liegt. Aufstrebende Nachwuchstalente haben das Credo der mächtigen Meinungsmacher dankbar übernommen.
Die „Vierte Gewalt“ ist keine mehr, sondern selbst zum Teil des Problems geworden, sie hat sich zum Angstbeißer entwickelt, weil sie längst vor dem Internet in die Knie gegangen ist. – Als das Privatfernsehen aufkam, hatten die öffentlich-rechtlichen Anstalten schließlich auch nichts Besseres zu tun, als sich ein schlechtes Beispiel an der neuen Konkurrenz zu nehmen.
Nicht ohne klammheimliche Freude gönne ich es den Vertretern der “Vierten Gewalt”, daß sie jetzt mitverkauft worden sind. Denn sie tun seit Jahren nicht mehr, was sie zu tun hätten: Den Diskursen bei der Orientierung in der verwirrenden Vielfalt aller Stimmen kompetent zur Seite zu stehen.
Natürlich gibt es immer auch Ausnahmen, aber die Tendenzen sind insgesamt besorgniserregend: Manche führen sich wie die Oberpriester einer alleinseligmachenden Kirche auf, um alle exkommunizieren zu lassen, die sich nicht ihrer Auffassung „fügen“.
Die hermetische Meinungsbildung via Twitter wirkt wie die heilige Inquisition der römisch-katholischen Kirche. – Ausgestoßen zu werden aus der Gemeinschaft, ist seit Anbeginn der Menschheit die ultimative Katastrophe.
Während die Kirchen immer weniger relevant sind in Fragen der Orientierungsorientierung, haben Pressevertreter längst die Rolle der Kirchenfürsten übernommen. Man kann inzwischen sogar die Exkommunikation aussprechen und exekutieren, die Betroffenen werden dann vom sozialen Tod ereilt.
Nun hat Elon Musk gerade via Twitter oft und gern zur Imagepflege, für Spielereien, Spekulationen und zur Agitation genutzt. Dabei war das Medium immer auch Botschaft. – Aber irgend etwas hat den Tycoon ganz offenbar schon seit langem an Twitter gestört: Es muß das Geheimnisvolle im Ranking gewesen sein. Also wer kriegt eigentlich was, wann und warum zu sehen?
Man weiß längst von Insidern sozialer Netze, die zu Wistleblowern wurden, daß gerade die „großen“, besonders extremen „Emotionen“ gefördert werden, weil wir uns angeblich nur zu gern maßlos aufregen. Und die Algorithmen sind dazu programmiert, die User möglichst lang auf der Plattform zu halten, damit man sie umso besser mit Werbung bestreichen kann.
So wie einstweilen die Ratschlüsse der Götter unerforschlich waren, so sind es jetzt die Algorithmen. Es wäre daher begrüßenswert, würden die Algorithmen von Twitter veröffentlicht. Berichtet wird, daß Elon Musk mit einer Entourage engster Mitarbeiter wie eine Besatzungsmacht eingefallen ist. Die Chefs wurden augenblicklich in die Wüste geschickt, das Ganze ist eine Mischung aus feindlicher Übernahme und Razzia. – Seitenweise wurden Codes geordert und ausgedruckt, die dann in einer klandestinen Community von Beratern und Experten, mit denen sich Musk umgeben hat, geprüft zu werden. Worauf?
Jetzt hat er nicht nur ein Satellitensystem „unter sich“, das der Kommunikation vor allem auch in Kriegsgebieten dient. Jetzt will er an die Kommunikation selbst heran. – Tatsächlich geht es um unsere Diskurse!
Aber sind Märchen, Mythen und Metaphern nicht auch wie Algorithmen? Und ist nicht Ariadne eine, die sich mit Labyrinthen auskennt? – Ganz so neu ist das alles nun auch wieder nicht.
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Burnout der Gesellschaft
Über die Macht der Medien und das Unbehagen in der Kultur
Vortr., geh. am 31. Oktober 2022 im Studium generale: »Zeitenwenden – ein Kommen und Gehen«. Hochschule Konstanz – Technik, Wirtschaft und Gestaltung, Wintersemester 2022.
Eine neue Medienrevolution, die dem des Buchdrucks in nichts nachsteht, hat soeben erst begonnen. Wir erleben nur den Anfang dieser Zeitenwende und sind jetzt schon maßlos überfordert. Das alles führt zum Burnout der Gesellschaft, zum Verlust der Dialogfähigkeit und zum Rückfall in längst überwundene Zeiten.
Das ist der heimliche Hintersinn solcher Krisen und Wendezeiten: Die Menschheit wird sich angesichts dieser neuen Verbundenheit entweder weiter entwickeln oder im Chaos untergehen und dann zumindest einige Stufen herunterfallen in ihrer Entwicklung vom Tier zum quasi göttlichen Wesen.
Bei alledem ist eine allgemeine Tendenz ersichtlich, die offenbar von Anfang an hinter dieser Entwicklung steht: Es geht um mehr Individualität, Autonomie und Selbstorientierung, es geht um mehr Bewußtsein, Empathievermögen, Selbstbewußtsein und Geist.
Die Natur hat im Menschen ein Auge aufgeschlagen, um sich selbst in den Blick zu nehmen. Dabei spielt Religion nach wie vor eine ganz bemerkenswerte Rolle, nicht unbedingt im herkömmlichen Sinne.
Aber als Gespür für Höheres, insbesondere für Aufklärung und Humanismus, werden religiöse Motive noch über lange Zeit erforderlich sein. Denn was der Psyche gut tut, muß nicht unbedingt auch gut sein für die Seele.Audiodatei des Vortrags:
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Der amerikanische Pragmatismus ist unethisch
„Alle auf das Recht anderer Menschen bezogene Handlungen, deren Maxime sich nicht mit der Publizität verträgt, sind unrecht.“
(Immanuel Kant: Zum ewigen Frieden. Ein philosophischer Entwurf. In: Werke. Bd. VI; S. 245.)
Kant ist ebenso berühmt wie berüchtigt für seinen Rigorismus. Das läßt sich sehr gut illustrieren anhand des Beispiels vom unschuldig Verfolgten, der sich bei mir versteckt. Ich soll, ich muß den Verfolgern verraten, daß er sich bei mir aufhält.
Diese beinharte Prinzipientreue erscheint zunächst völlig weltfremd, wenn das Lügenverbot derart absolut gesetzt wird, ohne jede Ausnahme. Aber bei Kant kommt es nicht auf die Folgen an, sondern einzig und allein auf den persönlichen Entschluß zum Guten Willen als Grundlage jeglicher Moral. – Es wird ein tätiges Vertrauen eingefordert, sich nicht über das Gesetz zu stellen, sich nicht für klüger zu halten als alle anderen. Entscheidend ist, ob man in der eigenen Person den eigenen Pflichten gerecht geworden ist oder nicht. Alles Weitere muß und wird sich dann schon zeigen.
Das sieht der Amerikanische Pragmatismus völlig anders. Ihm zufolge ist einzig und allein das Ziel entscheidend, und die Mittel zum Zweck sind dann „gut“, wenn sie erreichen, was man sich nun einmal in den Kopf gesetzt hat.
Allerdings geht es in der Philosophie stets ums Grundsätzliche, daher wird es interessant, die möglichen Alternativen bewußt durchzuspielen. Und da wird Sokrates beispielhaft mit seinem Verhalten, den Giftbecher zu schlucken, obwohl die Wächter bereits bestochen sind und eigentlich von ihm sogar erwartet wird, daß er sich dem Urteil durch Flucht entzieht. – Aber Sokrates bleibt, trinkt und stirbt, wobei sehr deutlich beschrieben wird, wie das Gift des Schierlings seine Wirkung zu entfalten beginnt.
Wenn man nun darauf spekuliert, Sokrates habe, wie Protagoras rund 10 Jahre zuvor, ebenfalls die Gelegenheit zur Flucht ergriffen, dann wird deutlich, daß Sokrates nicht hätte weiterhin Sokrates sein und bleiben können nach dieser Flucht. Er hätte durch sein Verhalten seiner ganze Philosophie eine Narrenkappe aufgesetzt, er wäre zu Recht zum Gespött geworden. Und Platon hätte ihn mitnichten so in Szene setzen können, wie er es getan hat. – Mit diesem Opfertod wurde der Philosophie ein unumstößliches Denkmal gesetzt, gegen das kein Pragmatismus und auch kein Utilitarismus ankommen kann.
Genau das kommt auch heraus, wenn man das Lügen verallgemeinert. Wenn nämlich alle lügen würden und niemand sicher sein kann, daß nicht doch gelogen worden ist, dann gibt es keine Wahrheit mehr und auch kein Vertrauen. Alles wäre ruiniert. Der Lügner spekuliert ja darauf, daß ihm geglaubt wird, obwohl er weiß, daß er kein Vertrauen verdient hat. – Also wieviel Zynismus, wieviel Eigenmächtigkeit, wieviel Selbstherrlichkeit, Selbstgerechtigkeit und Geheimhaltung braucht man eigentlich, wenn man sich so über alles hinwegsetzen will, was angeblich allgemein verbindlich gilt?
Das wirft ein anderes Schlaglicht auf die Situation mit dem unschuldig Verfolgten. Wir nähmen der Gemeinschaft und auch den Verfolgern durch unseren eigenmächtigen Eingriff in das Geschehen jede Gelegenheit, selbst hinter die Unschuldsvermutung zu kommen. – Auch wer aus angeblich guter Absicht lügt, stört die moralische Entwicklung der ganzen Menschheit für die Verfolgung niedriger Zwecke. Das Recht auf die Wahrheit haben Kinder gegenüber ihren leiblichen Eltern und Kranke gegenüber Ärzten und Angehörigen.
Das Geheimhalten selbst ist also bereits ein Indiz für potentielles Unrecht. Genau das aber tun die Geheimdienste aller Staaten, vor allem aber die der US-Amerikaner. Die Liste der geheimen Kommandosachen, die durchaus denen von James Bond entsprechen, läßt sich offen bei Wikipedia nachschlagen. Und der Amerikanische Pragmatismus segnet das üble Tun und Treiben auch noch ab.
Darin liegt der entscheidende Unterschied zur kontinental-europäischen Philosophie, die auch den englischen Utilitarismus nicht wirklich mittragen kann. – Daß ein gekapertes Passagier-Flugzeug mit Kurs auf ein besetztes Fußballstadion nicht auf Geheiß des Verteidigungsministers abgeschossen werden darf, weil dieser dazu das Recht gar nicht hat, ist ein einschlägiges Grundsatzurteil in solchen Angelegenheiten. – Menschenleben werden nicht gezählt, es wird nicht gerechnet und schon gar nicht wird aufgerechnet. Vielmehr ist es dem europäischen Denken fremd, so etwas überhaupt in Erwägung zu ziehen.
Ginge es wirklich um das “größtmögliche Glück der größtmöglichen Zahl”, dann wäre zuletzt nicht einmal mehr ausgeschlossen, daß man Menschen hernimmt, um sie auszuweiden. Ein Einzelner könnte wirklich sehr viele andere Organempfänger überaus „glücklich“ machen.
Die Frage Cui bono?
Es spricht nicht viel dafür, daß Putin höchstselbst die Bomben in großer Tiefe an den Pipelines hat platzieren lassen. Wenn dem so wäre, dann würde das geschehen sein in der Absicht, es den USA in die Schuhe zu schieben. – Vielversprechender scheint aber die Vermutung zu sein, daß es die USA waren, die schon vor Monaten diese Möglichkeit erwogen und auch in Aussicht gestellt haben.
Ein Unding, was da passiert ist, als der amerikanische Präsident Biden in Anwesenheit von Bundeskanzler Scholz genau das offen ausgesprochen hat, daß die USA im Zweifelsfall schon über “Mittel und Wege” verfügen würden. – Der Augenblick der Zündung dieser mutmaßlich bereits vor Monaten installierten Bomben kann selbst als Indiz genommen werden dafür, daß die USA nicht nur diesen Krieg, sondern auch den Rückweg in den Frieden verbauen wollen.
Wenn es nämlich gar nicht so gut steht um die Kriegsziele von Putin, dann könnte dieser ja erwägen, eventuell doch auf Verhandlungen einzugehen. Wenn diese dann fruchten würden, dann könnte ja alsbald auch wieder Gas durch die Leitungen fließen. – Genau das ist jetzt unmöglich gemacht worden.
Die Maximen US-Amerikanischer Außenpolitik waren und sind niemals wirklich am Wohl der Menschheit ausgerichtet worden, es ging und geht immer nur um oft sehr kurzfristige Interessen und dazu ist dann jede Mittel recht, also auch Lügen, Betrügen, Hintergehen und Vortäuschen falscher Tatsachen. – Genau das aber macht alle Geheimdienste zu einem Stein des Anstoßes, weil sie im Sinne von Kant per se unrecht sind und Unrecht tun.
Bereits die Tatsache, daß sie ihr Tun und Treiben nicht öffentlich machen können, diskreditiert sie alle, wirklich alle. Es kann keine guten Geheimdienste, keine gute Geheimpolitik im ethischen Sinne geben. Es kann sie schon deswegen nicht geben, weil sie dem Prinzip der Demokratie widersprechen. – Wenn das „Volk“ der Souverän sein soll, dann muß dieser auch erst einmal informiert werden, wer, weshalb, wozu und warum solche Aktionen geboten sein sollen.
Geheimdienstaktionen wie die Sabotage an Pipelines erweisen der vielberufenen Demokratie einen Bärendienst. Es geht zuletzt auch nur um die Macht-Gelüste ganz kleiner Eliten, die ihre Glasperlenspiele betreiben. Und dabei verspielen sie genau das, worauf es ankäme, worauf Kant und Sokrates unerbittlich gesetzt haben: Vertrauen.